The Good Neighbor – Jeder hat ein dunkles Geheimnis

Blu-ray Review

The Good Neighbor Blu-ray Review Cover
Koch Films / OFDB Filmwork, 23.11.2017

OT: The Good Neighbor


Das Heimsuchungsprojekt

Wenn ein dummer Streich ein fatales Ende nimmt.

Inhalt

Ethan und Sean wollen, angelehnt an ein bekanntes englisches Experiment, ihrerseits eine Untersuchung anstellen. Gemeinsam wollen sie dem etwas mürrischen alten Nachbarn Harold Grainey durch äußere Beeinflussung und ohne direktes physisches Einwirken ihrer selbst, weismachen, dass sein Haus von Geistern befallen ist. Dazu nutzen sie zuerst die Gunst seiner Abwesenheit, um überall im Haus Kameras zu installieren und schon mal einige technische Gimmicks anzubringen. Mit diesen können sie Türen öffnen, die Musikanlage anschalten oder das Licht flackern lassen. Doch als sich Grainey selbst während der nächtlichen Türschlag-Aktionen nicht so verhält, wie es sich die zwei Teenies wünschen, bekommen sie es langsam mit der Angst zu tun. Harold denkt gar nicht daran, Schiss zu bekommen, sondern zertrümmert die amoklaufende Tür kurzerhand mit der Axt. Besonders seltsam ist, dass Grainey bisweilen nachts für mehrere Stunden im Keller verschwindet. Und weil die zwei Beobachter dort keine Kameras angebracht haben, ist ihre Neugier geweckt …

Alfred Hitchcock lässt grüßen, wenn Regisseur Kasra Farahani (Concept Artist bei Filmen wie HancockGuardians of the Galaxy Vol. 2 uvm) einen scheinbar wehrlosen alten Mann den Dummjungenstreichen von zwei Teenagern beobachten lässt und die Geschichte dann doch ganz anders verläuft als erwartet. Inszenatorisch erzählt er The Good Neighbor rückwirkend. Wir wissen, dass die „Sache“ bereits vor Gericht liegt und vermuten, dass der Streich keinen guten Ausgang nimmt. Die meisten Szenen wurden im Found-Footage-Look mit Hand- oder Überwachungskameras gefilmt, was durch ein eingerücktes 16:9-Bildformat dargestellt wird. Selbst ein 60“-TV-Gerät schrumpft so auf 42“ angezeigte Bildgröße. Allerdings bildet das natürlich recht authentisch den Experimental-Charakter des Versuchs der Jungs ab. Immer wieder werden dann Szenen aus dem Gericht eingestreut, die teils Infos vorwegnehmen und teilweise auf das hindeuten, was in den nächsten Szenen im Bild erzählt wird. Die Spannung resultiert dabei fast vollständig aus den Beobachtungsszenen des alten Mannes (knorrig: James Caan). Gerade die Momente, in denen er über eine Nachtsichtkamera gefilmt wird und man ihn nur schemenhaft erkennen kann, sorgen für wohligen Grusel.

Man ahnt, dass er irgendetwas ahnt. Oder aber, dass er etwas wirklich Unglaubliches zu verstecken hat. Caan, der wortkarg bleibt, wirkt dabei durch seine Gestalt und seine Bewegungen. Seine Gegenspieler sind mit Logan Miller (Scouts vs. Zombies) und Keir Gilchrist treffend besetzt und vermitteln authentische Neugier an ihrer Geschichte des Spionierens. Dass sich The Good Neighbor vielleicht etwas zu viel Zeit nimmt und ein bisschen zu viel Jungs-Gelaber, bzw. deren Langeweile vor den Überwachungsbildschirmen zeigt, während beim Nachbarn nichts passiert, muss man hinnehmen. Auch wird es nach etwas über einer Stunde etwas unübersichtlich, weil die Gerichtsverhandlung plötzlich völlig andere Aspekte mit einbezieht. Die werden allerdings nach knapp 80 Minuten logisch und nachvollziehbar, nachdem The Good Neighbor seine stärksten zehn Minuten hatte und mit einem Knalleffekt das Finale einläutet. Ganz plötzlich wird klar, dass jeder Streich ziemlich übel enden kann und dass jede noch so kleine Veränderung eben doch eine große Auswirkung haben kann – in diesem Fall trifft sie auf einen besonders tragischen Nährboden, weshalb man als Zuschauer mit einem dicken Kloß im Hals verstört zurückbleibt.

Bild- und Tonqualität

Wie oben beschreiben, werden die meisten Szenen über die Überwachungskameras gefilmt. Das beschert The Good Neighbor körnige, vom Bildformat her eingeschränkte, wenig scharfe und bisweilen schwarzweiße Aufnahmen, die zwar authentische Stimmung verbreiten, aber keineswegs schöne Bilder liefern. Das gleiche gilt leider und unverständlicherweise auch für die Szenen, die mit regulären Kameras im Format von 2,35:1 aufgenommen wurden. Das sind beispielsweise die Szenen vor Gericht oder auch solche, die nicht von den Überwachungskameras abgedeckt sind. Hier setzt es in Bewegungen deutliche Unschärfen. Bisweilen ist das so stark wischend, dass man das Gefühl hat, das Bild wäre im Zeitraffer gefilmt. Auch Banding-Probleme zeigen sich auf dunklen Bildbereichen und der Kontrastumfang ist eher mittelmäßig.
Akustisch bleibt The Good Neighbor nahezu völlig auf die Front bezogen und konzentriert sich auf die Dialoge. Die sind im Deutschen bisweilen etwas dumpf und nicht so offen wie es sein könnte. Die Effektlautsprecher lassen nur ab und an etwas von sich hören, wenn der bedrohliche Filmscore einsetzt und für etwas Atmosphäre sorgt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Good Neighbor finden sich drei Interviews. Unter anderem eines mit James Caan, der zwischen Sarkasmus und Überheblichkeit schwankt, dabei aber stets authentisch und unverfälscht rüber kommt.

Fazit

The Good Neighbor kombiniert Found-Footage mit Hitchcock und steuert auf ein Finale hin, das schockierend ist, ohne einen echten Schockeffekt zu bieten. Gerade hier setzt sich der Film deutlich von vergleichbaren Storys ab, integriert mühelos auch noch etwas Sozialkritik und ist deshalb äußerst sehenswert.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: Koch Films / OFDB Filmworks
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Kasra Farahani
Darsteller: James Caan, Logan Miller, Keir Gilchrist, Laura Innes, Edwin Hodge, Anne Dudek
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 97
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu The Good Neighbor

The Good Neighbor (deutscher Trailer)