Blu-ray Review
OT: The Green Inferno
Kein Film für Veganer!
Eli Roth wandelt in The Green Inferno auf den Spuren eines Ruggero Deodato oder Umberto Lenzi.
Inhalt
Justine ist schockiert als sie in einer Vorlesung sieht und hört, wie Frauen auf der Welt unter Genitalverstümmelung leiden – und das, obwohl sie eigentlich keine Aktivistin ist. Allerdings ändert sich das, weil der charismatische Alejandro, Leiter einer örtlichen Protestaktion, sich für sie zu interessieren scheint. Der referiert darüber, dass die Multinationalen ein Gebiet im Amazonas inklusive seiner Bewohner dem Erdboden gleichmachen würden, um die Bodenschätze auszubeuten. Kurzerhand schließt sich Justine der Gruppe an und fliegt nach Peru. Doch schon die erste Protestaktion gerät beinahe zum Desaster, wenn Justine sich mit einer Pistole an der Schläfe wiederfindet. Mit Mühe kann die Gruppe eine Exekution abweiden und wird von den Sicherheitsleuten des rodenden Betriebes per Propellermaschine wieder ausgeflogen. Dumm, dass diese kurz darauf aufgrund eines technischen Defekts abstürzt und noch dümmer, dass man praktisch keine Vorräte, keine Medikamente und auch kein Wasser hat. Am Schlimmsten jedoch ist das Aufeinandertreffen mit den Indios eines Dorfstammes, denn die vermuten hinter den Aktivisten Mitarbeiter des skrupellosen Großkonzerns und machen keine Gefangenen …
Ein Kannibalenfilm? Noch dazu von Eli Roth, dem Regisseur der Hostel-Serie? Kein Weg, dass The Green Inferno ungeschoren an der FSK vorbeikommt, oder? Weit gefehlt: Die Freiwillige Selbstkontrolle hatte an Roths Hommage an Nackt und zerfleischt nichts auszusetzen und ließ ihn ohne Schnittauflagen passieren. Geneigte Gore-Hounds dürfen sich also freuen – sollten sich aber gleichzeit nicht von der Aufschrift „Director’s Cut“ blenden lassen. Denn die vorliegende Fassung ist die einzige existierende (sieht man von teils geschnittenen Versionen im Ausland ab). Roth selbst bestand auf den Aufdruck. Der Film selbst, eigentlich schon 2012 abgedreht, ist Eli Roths Liebeserklärung an die italienischen Kannibalenfilme aber auch an die Werke eines Werner Herzog. Eigentlich sollte er dann auch schon 2013 in die Lichtspielhäuser kommen. Produktionsumstände und Finanzierungsprobleme des verantwortlichen Studios führten dazu, dass es Herbst 2015 wurde, bevor Kinos in aller Breite The Green Inferno zeigten. Nun erscheint Roths aktuell vorletzter Film auf Blu-ray und bringt laut Stephen King „die alten Zeiten zurück, in denen man schaurige Filme im Drive-In-Kino sah, die schwer zu ertragen waren, von denen man den Blick aber trotzdem nicht abwenden konnte“. Bis es soweit ist, das die Einschätzung des Horror-Roman-Autors in die Tat umgesetzt wird, dauert es allerdings ein wenig. Gut 45 Minuten lässt sich der Film Zeit, bevor es in Peru zum aggressiven Kontakt mit den einheimischen Indios kommt. Der gerät dann allerdings durchaus unangenehm, sobald es sprichwörtlich ans Eingemachte geht. Greg Nicotero und Howard Berger von der KNB Effects Group (aktuell vor allem aufgrund ihrer Arbeit für The Walking Dead geschätzt) zeichnen für die Masken und Bluteffekte verantwortlich. Und dass die Zwei ihr Handwerk verstehen, sieht man schon während der genüsslich in vollem Licht inszenierten Verstümmelung des ersten Opfers.
Abgesehen von ausgerissenen Augen, Zungen und abgetrennten Gliedmaßen fehlt es The Green Inferno allerdings ein wenig an Spannung. Trotz einer um emotionalen Ausdruck bemühten Lorenza Izzo (Roths Lebensgefährtin) als Justine, fiebert man nur bedingt mit den wenig sympathischen Figuren mit. Zudem fehlt diese unangenehme „ist das am Ende echt?“-Stimmung der italienischen Vorbilder aus den 70ern/80ern. Roth sucht das mit zahlreichen Querverweisen (schon sein Filmtitel führt auf Cannibal Holocaust zurück, dessen Drehbuch zunächst unter The Green Inferno firmierte und dessen Film-im-Film dann diesen Namen bekam) und Zitaten zu umspielen und lässt mit Richard Burgi als Justines Vater Charles auch einen alten Bekannten aus Hostel auftauchen. Dass unter heutigen Gesichtspunkten ein Film über vermeindlich kannibalisch veranlagte Keinststämme am Amazonas auch auf Kritik stößt, war fast abzusehen. Und so warf man Roth diesbezüglich eine diskriminierende Einstellung vor. Der wiederum konterte, durchaus nachvollziehbar, dass eine derartige Kritik absurd sei. Immerhin geht es vor allem an die Kritik an skrupellosen multinationalen Firmen, die völlig moralfrei Urwald abholzen und Bodenschätze rauben – und die kommt durchaus rüber. Zumal man die grundsätzliche Reaktion des Indiostammes durchaus nachvollziehen kann. Ein Dorf, das nie Berührung mit der Zivilisation hatte, kann nachvollziehbar schlecht differenzieren, welcher der weißen Menschen nun auf ihrer Seite steht und welcher nicht. seinen stärksten Moment hat The Green Inferno dann auch, wenn im Finale Pfeil und Bogen auf Maschinengewehre treffen und die Zivilisationskritik offenbar wird. Roth schenkt sich zudem das unnötige Abschlachten exotischer Tiere, das in den Vorbildern noch an lebenden Exemplaren exerziert wurde.
Bild- und Tonqualität
asThe Green Inferno zeichnet sich vor allem durch seine lebhaften und kräftigen Farben aus – und das schon während der Szenen in Amerika zu Beginn. Noch deutlich wird das, wenn die Szenerie an den Amazonas wechselt. Die Kontrastierung aus saftigen grünen Wiesen oder Wäldern sowie den rot bemalten Körpern der Natives kommt extrem plastisch rüber. Alledings ist die Schärfe nur dann gut, wenn die Kamera ihre Protagonisten ruhig einfängt. Sobald schnellere Bewegungen dazukommen, wird’s soft und relaitv weich.
Die Insekten zirpen und sirren, exotische Vögel balzen und tschilpen, Insekten summen – The Green Inferno lässtt schon zu Beginn eine Dschungelatmosphäre aufkommen, die den Zuschauer gefangen nimmt und nicht loslässt. Der einsetzende percussive Score kommt dynamisch und breit aufgestellt aus den Lautsprechern und die beiden dts-HD-High-Resolution-Spuren der deutschen und englischen Fassung liegen dabei qualitativ gleichauf. Wenn die Propellermaschine dann nach 40 Minuten niedergeht, mäht sich deren Antrieb nicht nur durchs Dickicht des Dschungels, sondern auch durchs Heimkino – das fetzt schon ordentlich.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von The Green Inferno warten fünf Featurettes auf den Zuschauer. Der Dreh zeigt ein paar Eindrücke von den Arbeiten an der entlegenen Stelle im Amazonas, läuft aber wie das zweite Feature „Die Dorfbewohner“ gerade mal anderthalb Minuten. Letzteres jedoch zeigt, dass die Filmcrew die Interessen des einheimischen Volkes sehr respektierte. In „Eli Roth über Green Inferno“ lässt den Regisseur eine kurze Zusammenfassung des Films geben und die zwei ebenfalls nur knapp über eine Minute dauernden Kommentare von Darstellerin Lorenza Izzo lassen diese über die Arbeit am Amazons und über ihre Rolle referieren. Ein letzter Beitrag zeigt Roth und seinen Buddy DJ Ashba beim Diskutieren über die Filmmusik, bzw. den Song zu Green Inferno.
Fazit
The Green Inferno ist nicht das für das neue Jahrtausend, was Cannibal Holocaust für die 80er war. Aber Eli Roth versteht sein Handwerk und hat zwei äußerst talentierte Maskenbildner an seiner Seite. Herausgekommen ist ein zivilisationskritischer Horrofilm mit deftigen Gore-Einlagen, dem hier und da etwas mehr Spannung gut getan hätte.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 30%
Film: 60%
Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Eli Roth
Darsteller: Lorenza Izzo, Ariel Levy, Daryl Sabara, Kirby Bliss, Sky Ferreira, Magda Apanowicz, Nicolas Martinez
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 101
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
Ich habe den Film 2018 auf Tele 5 gesehen grauen Haft!