The Highwaymen – Netflix

Blu-ray Review

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Netflix, 29.03.2019

OT: The Highwaymen

 


Manos arriba!

Netflix stemmt eine top besetzte, knapp 50 Mio.-Dollar-Produktion über die Jagd auf Bonnie und Clyde.

Inhalt

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Die Gouverneurin will Bonnie und Clyde um jeden Preis fassen

1934: Zum wiederholten Male narrt das Verbrecherpaar Bonnie Elizabeth Parker und Clyde Champion Barrow die Polizei. Diverse Beamte sind ihnen bereits zum Opfer gefallen und nun haben sie beim Überfall auf die Gefängnisfarm Eastham mehrere Verbrecher freibekommen. Erneut starben dabei zwei Polizisten. Da sich die Gouverneurin nicht anders zu helfen weiß, geht sie auf die Idee ihres County Sheriffs Lee Simmons ein. Der schlägt vor, dass man einen alten Texas-Ranger reaktiviert – also praktisch einen bezahlten Kopfgeldjäger. Konkret will er Frank Hamer engagieren. Einen verdienten Ranger, der sich aber mittlerweile in den Ruhestand verabschiedet hat.
Entsprechend reserviert reagiert dieser auf Simmons Besuch. Doch nachdem er ein paar Zeitungsberichte über Bonnie und Clyde gelesen und seine eingeschlafenen Schießfähigkeiten reaktiviert hat, geht er das Risiko ein. Mit dem neuen Ford seiner Frau macht er sich auf den Weg – nicht ganz ohne Hintergrund. Denn Clyde konnte auch deshalb oft entkommen, weil sein Fahrzeug stets schneller war als jenes der Polizei. Sein Ex-Partner Gault stößt dann kurz darauf hinzu und gemeinsam machen sich die beiden etwas eingerosteten Kerle daran, das mörderischste Paar zu fassen. Erschwert wird die Arbeit durch Kompetenzgerangel mit Staats-Agenten sowie der Bevölkerung. Die feiert Bonnie und Clyde tatsächlich als Helden und behindert die Verfolgung immer wieder …

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Gladys lässt ihren Mann nur ungerne ziehen

Bonnie und Clyde mal anders herum. Wo im gleichnamigen Film mit Warren Beatty und Faye Dunaway oder auch in Oliver Stones Epos Natural Born Killers (der zweifelsfrei auf der Story des Verbrecher-Pärchens basiert) das Raubmörder-Paar im Fokus stand, beleuchtet John Lee Hancock (The Founder, Blind Side) nun die Seite der beiden (späteren) Ermittler Frank Hamer und Maney Gault.
Lange genug hat es dabei gebraucht, bis das Projekt das Licht der Welt erblickte. Hatte Produzent Casey Silver doch schon 2005 vor, das Ganze nach seinem Gusto zu verfilmen. Damals war sogar im Gespräch, den Film mit Paul Newman und Robert Redford, dem altgedienten Paar aus Butch Cassidy and the Sundance Kid zu realisieren. Doch dazu kam es dann doch nicht. Im Februar 2018 wurden die Rechte dann von Netflix erworben und die Dreharbeiten wurden kurz drauf in der Gegend um Louisiana begonnen.
Während sowohl Beattys als auch Stones Film über Bonnie und Clyde das Pärchen romantisierte, werden sie in Hancocks The Highwaymen zweifelsohne als das beschrieben, was sie sind: Verbrecher und Mörder. In einer frühen Szene antwortet Kathy Bates als Gouverneurin Ferguson auf ein Statement eines Reporters, Bonnie und Clyde würden in der Öffentlichkeit als moderne Robin Hoods gefeiert, mit folgender Gegenfrage: „Hätte Robin Hood wohl für vier Dollar und einen vollen Benzintank einen Benzinwart erschossen?“
Nein, romantisch geht’s hier nicht zu. Ohnehin sieht man das berüchtigte Pärchen bis zum blutigen Ende kaum und oft praktisch nur in kleinen Detailausschnitten oder von hinten.

Erster Vergleich der eingerosteten Knochen

Inhaltlich konzentriert sich The Highwaymen auf die Zeit ab 1934 und Clydes Rache an der Gefängnisfarm Eastham. Von diesem Moment an reaktivierte man Hamer und Gault, die sich auf die Spur des Gangsterpaares setzten und sie schließlich in eine Falle locken konnten. Vor dem Hintergrund teils grandioser Landschaftsaufnahmen, die sogar die Straße einbeziehen, auf der Bonnie und Clyde getötet wurden, entfaltet sich ein im besten Sinne altmodischer Krimi, der sich auf das Zusammenspiel der beiden Hauptdarsteller fokussiert.
Und wenn Paul Newman und Robert Redford am Ende nicht mitmachten, so sind Woody Harrelson und Kevin Costner doch der allerbeste Ersatz. Costner hat man länger nicht so entspannt agieren sehen. Wie er den unbestechlichen Ex-Ranger gibt und dabei auch schon mal einen Schritt weiter geht als die offiziellen „Kollegen“, stellt er unnachahmlich charismatisch dar.
Harrelson ist zudem in jedem Film ein absoluter Gewinn. Hier aber überzeugt er, weil er Varianz in sein sonstiges Spiel hinein bringt. Zwar hat er schon Alkoholiker dargestellt, aber hier kommt noch hinzu, dass sein Gault körperlich wesentlich gebrechlicher ist als Hamer und er sich deshalb nur gebeugt bewegt – eine großartige, dezent zurückhaltende Darstellung von ihm. Zurückhaltend zumindest, bis er nach 85 Minuten aus sich rauskommen und auf der Toilette ein paar Clyde-Anhängern tüchtig auf die Schuhe pinkeln darf – eine großartige Szene.

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Maney geht etwas sensibler vor als sein Kollege

Schön auch, dass man die harten Fakten etwas mit Humor garnierte. Das Gesicht des Waffenverkäufers und seines Sohnes, als Hamer ihnen praktisch den Laden leer kauft: Unbezahlbar. Die gleiche Art von Humor begegnet einem dann, wenn Hamer und Gault sich das erste Mal begegnen und sehr ehrlich kundtun, was sie über die jeweiligen eingerosteten Knochen des anderen denken.
Grandios auch, wenn die Zwei an irgendeinem kleinen Flüsschen im Wald Schießübungen vornehmen und Costner die dicke Wumme auspackt – Harrelsons Reaktion ist physisch und mimisch absolut großartig.
Schauspielerisch und atmosphärisch ist The Highwaymen also unzweifelhaft eine Bank, da gibt’s überhaupt nichts dran zu meckern.
Bleibt das Tempo des Films – und das ist nicht geprägt von pausenlosen Schusswechseln oder rasanten Actioneinlagen. Wenn Hamer einem Jungen hinterher rennt, endet die Verfolgung schon an der ersten Bretterwand, über die Costner mit seinem sichtbaren Bauch nicht hinweg kommt – ganz zu schweigen von Gault, der völlig außer Atem noch später an Ort und Stelle auftaucht.
Wirklich packend gerät allerdings die Autoverfolgung nach etwas über 70 Minuten, die man durch einen netten Einfall trotz der wenig rasanten dicken Fords spektakulär aufbereitete. Zwischendrin muss man zwar etwas Sitzfleisch haben, wird aber eben mit einer fantastischen Ausstattung und bisweilen fesselnden Dialogen belohnt. Während die Städte durch die zahlreich vorhandenen alten Autos und die Kleidung sowie den Staub auf den Straßen ein eindrucksvolles 30er-Jahre-Flair verströmen, ist es vor allem eine Unterhaltung zwischen Hamer und Clydes Vater Henry, der man gebannt lauscht. Überraschend, wie nahe man hier an den echten Menschen blieb und wie viel Respekt man ihnen entgegen brachte. Bisweilen hat man Gänsehaut, wenn William Sadler als Henry Barrow in seinem großartigen Kurzauftritt darüber berichtet, dass sein Sohn nicht böse geboren wurde und es „für die Familie“ endlich beendet werden soll.

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Das Gangsterpaar zieht eine Blutspur hinter sich her

Bild- und Tonqualität

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Die Bevölkerung schlägt sich oft genug auf die Seite der beiden Verbrecher

Netflix ließ The Highwaymen mit Panavision-Millennium-DXL- sowie mit Red-Weapon-8K-Monstro-Vista-Vision-Kameras drehen. Am Ausgang lagen für beide Geräte 8K an, wovon ein 4K-Digital-Intermediate gezogen wurde, das man wiederum mit dem dynamischen HDR-Format Dolby Vision gemastert hat. Wir haben es also mit einem nativen 4K-Bild und DV zu tun. Wie üblich bei den 4K-Titeln beschränkt Netflix die Datenrate allerdings auf eher mickrige 15.25 Mbps.
Dass Netflix trotz dieser Bandbreiten-Kastration einen recht guten Job macht, zeigt auch dieser Film mal wieder. Denn mal abgesehen von einer unglaublich hohen Bildruhe ohne jede Art von Korn sind Schärfe und Auflösung derart gut, dass man jede einzelne Falte und Furche auf Costners Gesicht ausmachen kann. Jeder Grashalm und jedes Staubkörnchen scheint greifbar und die Texturen der Oldtimer liefern wirklich großartige Oberflächen. Dazu kommt ein immenser Kontrastumfang durch Dolby Vision. Zwar ist das Bild durchweg dadurch eine Spur zu dunkel, aber in Tageslichtszenen wirkt das wirklich fantastisch klar. Farben sind vibrierend kräftig, der Schwarzwert bestechend und Spitzlichter kommen prägnant zur Geltung. Von allen bisherigen 4K-Filmtiteln auf Netflix liefert Highwaymen mit gebührendem Abstand zu anderen Titeln das bisher beste Bild – selbst den schon sehr guten Triple Frontier hängt er ab.

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Verfolgung im alten Ford

Akustisch liefert Netflix hier ebenfalls die bekannte Kombination der höherwertigen Titel ab. Soll heißen: Dolby Atmos (DD+-kodiert) fürs Original und Dolby Digital Plus fürs Deutsche.
Während Triple Frontier zuletzt weder auf der regulären Ebene, noch im Bereich von 3D-Sounds überzeugte, darf für The Highwaymen Entwarnung gegeben werden. Denn schon die Eröffnungssequenz mit der Schießerei am Waldrand gerät über sämtliche Speaker sehr beeindruckend. Wenn Bonnie mit dem Maschinengewehr in die Baumkronen feuert und die Gefängniswärter den Fliehenden nachrennen, werden die Surrounds ebenso bedient wie die Height-Speaker im englischen Original. Zahlreiche Querschläger flitzen den Sträflingen um die Ohren und landen auch dediziert hörbar auf den Höhen-Lautsprechern. Dazu kommt die typische Südstaaten-Musik räumlich und überraschend druckvoll aus sämtlichen Boxen. Einen nächsten 3D-Toneffekt gibt’s beim Regen, der auf die Schirme der Presse fällt und auch das Gewitter hört man rundherum. Dazu sind die Dialoge zwar eine Spur muffiger als sonst (jedenfalls im Original), aber immer noch gut verständlich und angenehm. Die Filmmusik kommt ebenfalls immer wieder mal dezent von oben hinzu, was das Geschehen noch etwas atmosphärischer werden lässt. Ohnehin klingt sie sehr fein aufgelöst und trägt dazu bei, dass der Ton überdurchschnittlich dynamisch ist. Denn gerade in den leisen Momenten überzeugt sie mit losgelöst wirkenden Instrumenten. Die Atmos-Ebene bekommt im weiteren Verlauf vor allem atmosphärische Geräusche. Etwas Wind hier, ein wenig Regen auf dem Autodach dort (73’00). Nach etwas über 70 Minuten gibt’s eine Verfolgungsjagd mit den alten Fords und hier gibt’s dann splitternde Steine, Staub und später einen satten Schuss, der effektvoll von den Heights nachhallt. Im Finale sind es dann wieder von oben hörbare Querschläger während des Dauerfeuers auf den Gangster-Ford.
Was die reguläre Surroundebene angeht, so gilt praktisch das Gleiche für die deutsche Tonspur. Man kann also die oben geschriebenen Worte von den Details der 3D-Sounds befreien und hat das „Ergebnis“ für die Synchronfassung. Deren Sprachverständlichkeit ist mindestens ebenbürtig und wir bekommen die bekannten Synchronsprecher für alle Hauptdarsteller – nicht zwingend selbstverständlich, wenn es sich um eine Netflix-eigene Produktion handelt.

Fazit

The Highwaymen ist zwar bedächtig erzählt und kein Action-Gigant. Dafür aber von Costner und Harrelson mit einer unglaublichen Chemie gespielt und fantastisch ausgestattet. Zahlreiche Dialoge sind so packend, dass man gebannt vor dem TV oder der Leinwand sitzt. Neben der authentisch verhandelten Bonnie-und-Clyde-Story, die mal erfrischend aus der anderen Perspektive geschildert wird, ist der Film auch eine Charakterstudie der beiden alternden Männer, die herausfinden müssen, ob sie es noch drauf haben. Wer klassisch erzählte Filme mag, für den gehört diese Netflix-Produktion zu den besten Exklusiv-Titeln des Streaming-Anbieters überhaupt.
Dazu liefert der Film eine der besten 4K-Bildqualitäten der Plattform und einen sehr effektvollen und atmosphärischen Atmos-Sound, der jenen von Triple Frontier um Längen schlägt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 95%

Tonqualität (dt. Fassung): 85%

Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 85%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 50%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 80%

Film: 90%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2018
Regie: John Lee Hancock
Darsteller: Kevin Costner, Woody Harrelson, Kathy Bates, John Carroly Lynch, Kim Dickens, Thomas Mann, William Sadler
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 132
Real 4K: Ja (Dolby Vision)
Datenrate: 15.25 Mbps
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)

Trailer zu The Highwaymen

The Highwaymen | Offizieller Trailer | Netflix

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Der Sheriff

Hallo,

die Szene im Waffengeschäft ist für jeden, der sich mit Waffen auskennt, unterirdisch und peinlich auf Deutsch synchronisiert. Da wird aus einer „Colt Automatic Pistol“ (gemeint ist die Pistole M 1911 A1) mal eben ein „Colt Maschinengewehr“, aus einem „Custom Pistol Grip“ ein „handgeschnitzter Knopf“ und aus einer Winchester Modell 94 ein „Modell 33“ (das es gar nicht gibt), nur weil der unbedarfte Übersetzer offenbar akustisch nicht verstanden hat, dass das Kaliber dieses Unterhebelrepetiergewehrs „30-30“ lautet. Dazu kommt, dass der Prospekt, nach dem Hamer offenbar einkauft, Waffen zeigt, die zum Zeitpunkt des Films 1934 noch gar nicht existierten, z.B. das deutsche G43.
Aber für den naiven Durchschnittsseher, der sich nur unterhalten lassen will, scheint es ja auszureichen.

Paul Eskens

Die beiden sind keine Ex-US Army Ranger, sondern Ex-Texas Ranger. Das ist ein wichtiger Unterschied !

Rüdiger Petersen

Lasse mich auch mal überraschen. Der Trailer hat mir auf jeden Fall gefallen.Der Cast gefällt.

Jonas Grosch

Das hört sich doch sehr vielversprechend an, einmal mehr thx @ Timo, wäre mir glatt durchgegangen.