The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben

Blu-ray Review

The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben Blu-ray Review Cover
Universum Film, seit 26.06.2015

OT: The Imitation Game

 


20 Millionen Jahre Arbeit

Es spielt keine Rolle, wie schlau du bist, Enigma ist immer schlauer …

Inhalt

London 1939: Hitlerdeutschland hat der halben Welt Krieg erklärt und ist den anderen Nationen immer einen Schritt voraus. Der Grund dafür liegt im Chiffiergerät Enigma, deren Codierungsverfahren selbst die anerkanntesten Wissenschaftler der Welt für unknackbar halten. Den Briten ist das ein Dorn im Auge, weshalb sie ein Team zusammengetrommelt haben, das sich wenigstens um die teilweise Entschlüsselung kümmern soll. Bisher mit wenig Erfolg – und das, obwohl den Linguisten und Mathematikern selbst ein Enigma zur Verfügung steht. Als das Mathegenie Alan Turing bei Commander Denniston, dem Befehlshaber des Teams vorspricht, ist der zunächst nicht angetan von dem arroganten und ernsten Typ, der vorgibt, den Code im Alleingang knacken zu können. Dennoch nimmt er ihn ins Boot und sorgt sogleich für Zwietracht unter den Wissenschaftlern. Turing versteht keine Ironie, begegnet allen Menschen mit der ihm innewohnenden Kälte und pragmatischen Arroganz und schafft es dennoch, Churchill selbst auf seine Seite zu ziehen. Der Premierminister bewilligt Turing die Mittel, um eine Maschine zu entwickeln, die den Code entschlüsseln soll. Das macht ihn aber immer noch nicht umgänglicher und bald wird er gar als russischer Doppelagent verdächtigt. Erst als mit Joan Clarke eine weitere brillante Mathematikerin zum Team dazustößt und die junge Frau dafür sorgt, dass Alan seine Menschenscheu etwas ablegt, klappt’s mit der Teamarbeit. Die ist jedoch bedroht, denn die Ergebnisse bleiben aus und das Innenministerium will den Geldhahn abdrehen …

Genialer Mathematiker, brillanter Logiker und Mitbegründer der Informatik – Alan Turing ist wohl einer der schlausten Köpfe des 20. Jahrhundert, der NICHT jedem bekannt ist und keineswegs auf einer Stufe mit Albert Einstein steht, obwohl er ihm gebührt hätte. Das liegt mitunter daran, dass England sich in der Behandlung Turings zu keiner Zeit mit Ruhm beträufelt hat. Man traute dem aufgrund seiner Intelligenz und früher Hänseleien eigentümlich gewordenen Mann nicht und kam nicht mit ihm zurecht. Als 1952 herauskam, dass er homosexuell ist (ein Straftatbestand im England dieser Zeit), verurteilte man ihn zur chemischen Kastration, infolge derer Turing depressiv wurde und sich knapp ein Jahr später selbst umbrachte. Erst zu Weihnachten 2013 erfuhr er posthum eine Begnadigung. Das Leben Turings ist das Thema von The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben, der mit acht Oscarnominierungen bei den diesjährigen Annual Academy Awards ins Rennen ging und unverschämterweise nur mit einem Goldjungen für das beste adaptierte Drehbuch nach Hause ging. Unverschämt deshalb, weil Benedict Cumberbatch diesen Alan Turing derart fesselnd und genial spielt, dass man beim Zusehen Gänsehaut bekommt. Es wäre ein Leichtes für den Darsteller gewesen, 80% seines Serienhelden Sherlock Holmes zu entleihen, der ebenso intelligent und arrogant auftritt. Doch Cumberbatch wäre nicht eins der größten Schauspieltalente der letzten Jahre, wenn er nicht zahlreiche Nuancen dazwischenfügen würde.

Seine Blicke, sein verlegenes Verhalten in unangenehm-privaten Situationen, seine unbeholfenen Versuche, einen Witz zu reißen (die manchmal einem Leonard Nimoy in desse Rolle als Spock ähneln) oder das Stottern in hitzigen Momenten: Der gebürtige Londoner steigert sich nach und nach in eine schauspielerische Tour de Force und hätte den Oscar mehr als verdient gehabt. In seiner Gegenwart würden normalerweise andere Darsteller pulverisiert, wenn diese nicht perfekt in ihren Rolle passen und ihnen dienen würden. Keira Knightley muss aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen zwar ein wenig von außen agieren, hilft von dort aber, die weichen Seiten Turings zum Vorschein zu bringen.Matthew Goode als Schachgenie Hugh Alexander setzt bemerkenswerte Kontrapunkte zu Cumberbatch und Charles Dance ist in seiner Rolle als Commander Denniston souverän wie eh und je. Schauspieler wären aber nur halb so gut, wenn sie nicht entsprechende Dialoge in den Mund gelegt bekämen. Hier kommt das oscarprämierte Drehbuch von Graham Moore ins Spiel, das vor brillanten Sätzen nur so wimmelt. Während der ersten halben Stunde ist fast jeder Satz zitierwürdig und der Zuschauer hängt gebannt an den Lippen der Akteure. Wenn ein Film, der seinen Reiz vor allem aus zwischenmenschlichen Begebenheiten und der langsamen Entschlüsselung seines Protagonisten bezieht, dermaßen gut funktioniert, dann muss das Drehbuch grandios sein – immerhin lenkt nichts von den Figuren ab.

The Imitation Game ist zweifelsohne ein Werk für Freunde des Brainfuck, zumal er auf drei unterschiedlichen Zeitebenen spielt und nach und nach das Innere eines Mannes offenlegt, der selbst ein Gehemnis war. So funktioniert Morten Tyldums (Jo Nesbø’s Headhunters) Film selbst wie eine Enigma-Dechiffrierungsmaschine, deren Code sich für den Zuschauer wie ein Kreuzworträtsel darstellt und dessen Lösung mit der Charakterisierung eines echten Helden belohnt wird. Aber Imitation Game ist nicht nur brillant geschrieben und großartig geschauspielert, sondern auch extrem packend. Man ist sich als Zuschauer darüber bewusst, dass heute eine winzige Transistorschaltung den Enigmacode entschlüsseln könnte und betrachtet dennoch voller Spannung, wie die riesigen Spulen und Räderwerke von Turings Maschine ihren klackernden Dienst verrichten. Und wenn dann die überraschende Vereinfachung zur Lösung des Enigmacodes auf dem Tisch liegt, ist durchaus auch böse Ironie mit im Spiel – wer hätte gedacht, dass den Deutschen ihr „Heil Hitler“ irgendwann mal zum Verhängnis würde? Selbst dann ist die Spannung aber noch nicht auf dem Höhepunkt, denn richtig kritisch wird es erst ab dem Moment, ab dem der Code geknackt ist. Vielleicht schweift Imitation Game ein paar wenige Male etwas zu sehr in privates Einerlei ab, doch das verzeiht man gerne, wenn man bedenkt, wie viele Filme sich aufs Seichte konzentrieren und jede Art von Anspruch im Keim ersticken. Wirklich schade ist nur, dass das offensichtliche Talent Joan Clarkes kaum für die Sache selbst gebraucht wird.

Bild- und Tonqualität

Solange The Imitation Game im Jahre 1939 und den Folgejahren spielt, wirkd das Bild natürlich, dezent warm gefiltert und sehr angenehm. Ein leichtes Korn lässt den Film analog wirken und passt sehr gut zum Thema. Die Szenen in den 50ern wurden hingegen in Blautöne getaucht, um die tragischen Elemente während der „Verhöre“ zu unterstützen. Die Schärfe ist gut, der Kontrastumfang ist bisweilen so scharf, dass helle Elemente auf Gesichtern kaum Zeichnung haben, während die dunklen Bereiche fast vollständig schwarz sind.
Akustisch leistet The Imitation Game für einen dialogbasierten Film Herausragendes. Schon der kongeniale Filmscore verteilt sich räumlich auf sämtliche Lautsprecher. Wenn dann Turings Dechiffrierungsmaschine rattert, erfüllt dies das ganze Heimkino und die mitunter eingestreuten Kriegsszenarien liefern ein wenig Dynamik. Sehr gut verständlich und emotional passend präsentieren sich die Dialoge.

Bonusmaterial

Schon für das Menü und dessen Animation hat man sich viel Mühe gegeben. So chiffrieren sich die Buchstaben beim Durchwandern der einzelnen Punkte. Im Bonusbereich von Imitation Game gibt’s dann neben einem Audiokommentar und zwei entfallenen Szenen insgesamt vier Interviews und eine halbstündige Diskussionsrunde mit dem Drehbuchautor, dem Regisseur und weiteren Beteiligten. Dazu gesellt sich ein knapp 25-minütiges Making-of, das zwar nicht allumfassend informiert, aber doch kurzweilig und frei von billiger Selbstbeweihräucherung ist. Es wird noch einmal herausgearbeitet, dass es eigentlich eine Tragödie ist, dass Turing heute kein gefeierter Held ist.

Fazit

The Imitation Game liefert ein jederzeit packendes Porträt eines genialen Mathematikers, der zufällig schwul war und dem diese Tatsache das Leben gekostet hat. Die britischen Verantwortlichen sollten sich noch heute für den Umgang mit ihm und rund 50.000 anderen Homosexuellen in die Ecke stellen und gründlich schämen. Dass diese Tatsache nicht in Vergessenheit gerät, das ist das Verdienst des Films, der nebenbei noch eine packende Geschichte über eine kriegsentscheidende Arbeit erzählt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 50%
Film: 90%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: GB/USA 2014
Regie: Morten Tyldum
Darsteller: Benedict Cumberbatch (Alan Turing), Keira Knightley (Joan Clarke), Matthew Goode (Hugh Alexander), Mark Strong (Stewart Menzies), Rory Kinnear (Detective Robert Nock), Charles Dance (Commander Denniston), Allen Leech
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 114
Codec: AVC
FSK: 12

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