The Knocking

Blu-ray Review

Pierrot Le Fou, 28.07.2023

OT: Koputus

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Ein Teil von etwas Größerem

Das finnische Genrekino lebt.

Inhalt

Mikko will das Anwesen verkaufen

15 Jahre ist es her, dass die Familie von Matilda, Mikko und Maria einen Schicksalsschlag erlitten hat, den die drei Geschwister bis heute nicht ganz verkraftet haben. An diesem Tag wurde der gemeinsame Vater mit einer Axt ermordet, während die Mutter spurlos verschwand. Matilda fand man in einen Käfig eingesperrt und keiner der drei weiß, was damals genau passiert ist. Nun haben die Geschwister das abgeschieden liegende Elternhaus geerbt, das so tief in den finnischen Wäldern verborgen liegt, dass man es nur per Fähre erreichen kann. Nur widerwillig findet sich das Trio dort ein, um den Verkauf des Anwesens mitsamt einem Stück Wald in die Wege zu leiten. Die drei haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen, über die Ereignisse nie gesprochen und leben mittlerweile völlig unterschiedliche Leben. Selbst das, was sie voneinander zu wissen glauben, stimmt nicht (mehr). Doch schon die Anwesenheit in dem alten Haus im Wald führt dazu, dass die traumatischen Erlebnisse an die Oberfläche gespült werden. Während Maria immer noch darunter leidet, was sie als Teenagerin getan hat, wirkt ausgerechnet Matilda, die man damals im Käfig fand, erstaunlich nüchtern und abgeklärt. Das wiederum wundert Maria, die sich gleichzeitig mit Mikko in die Haare kriegt, weil der den beiden Schwestern offenbar etwas verheimlicht. Je länger die drei am Ort sind, desto mysteriösere Dinge spielen sich außerdem im Wald ab …

Matilda wurde im Käfig gefunden

Das finnische Kino, das in den letzten 30 Jahren vor allem durch exzentrische Beiträge wie jene von Mika Kaurismäki oder aber Timo Vuorensolas Iron Sky aufgefallen war, hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr dem Horrorgenre genähert. Vom tollen Lake Bodom aus dem Jahre 2016 bis hin zum Haunted-House-Film The Twin von Taneli Mustonen oder  Hanna Bergholms Beitrag über eine toxische Mutter-Tochter-Beziehung mit Body-Horror-Anleihen im Kleinod Hatching. Auch The Twin bedient sich einer Familiengeschichte und dieses Motiv nutzt nun auch der finnische Schriftsteller Max Seeck. Seine Jessica-Niemi-Reihe wird mittlerweile in über 40 Länder übersetzt, was ihn zum erfolgreichsten finnischen Thriller-Autoren macht. Für sein Regiedebüt hat er sich mit Joonas Pajunen einen Co-Regisseur geschnappt, der viel Erfahrung im Bereich der Werbefilme hat. Die zwei kennen sich bereits seit ihrer Teenagerzeit und entwickelten die Grundzüge der Story schon vor längerer Zeit. Denn als sie 15 Jahre waren, verweilten sie in einem Häuschen im Wald. Dort begann die Idee, die nun als Grundlage für das gemeinsame Langfilmdebüt ausentwickelt wurde. Klar, dass die beiden auch das Drehbuch gemeinsam geschrieben haben. Was den beiden Filmemachern mit The Knocking letztlich geglückt ist, ist ein über weite Strecken funktionierender Mix aus Familiendrama, Krimi, Thriller und Horrorfilm mit finnischen Folklore-Elementen. Gerade zu Beginn nimmt sich die Geschichte viel Zeit, seine drei Figuren einzuführen und sie nach und nach zu beleuchten – mit all ihren Geheimnissen. Denn die gibt’s schon frühzeitig. Jeder scheint etwas zu verheimlichen oder verdrängt zu haben. Immer wieder lockt uns der Film auf falsche Fährten und streut Hinweise auf Geheimnisse. Die Tatsache, dass wir es mit einer Familie zu tun haben, die gleichermaßen traumatische Erlebnisse hatte, macht die Spannung erst aus. Denn wo man eigentlich annehmen könnte, dass diese Ereignisse die Bande zwischen den Geschwistern gestärkt haben, ist genau das Gegenteil der Fall – bis hin zu einem gewissen Misstrauen. 

Rückblicke

Im Inneren der Charaktere stecken vor allem Schuldgefühle und unbewältigte Ängste. Vor dem Hintergrund der Abgeschiedenheit und der räumlichen Nähe zu den traumatischen Ereignissen bringt das Zusammentreffen der drei Geschwister all das zum Vorschein. Allerdings würden diese Dynamiken nicht funktionieren, wenn die Darsteller nicht überzeugend agieren würden. Und das tun sie. Vor allem die hauptsächlich in Serien zu sehende Saana Koivisto als Matilda überzeugt. Es gibt eine sehr überzeugende Szene zwischen ihr und Pekka Strang, der den Mikko spielt, die einem etwas leiseren und versöhnlicheren Ton folgt. Hier zeigen die beiden Filmemacher, dass sie verstanden haben, wie man Bindung an die Figuren erzeugt. Dennoch reicht die Zeit noch nicht aus, um noch mehr mit den Protagonisten mitzufiebern. Die eingestreuten Rückblicke sollen zwar genau das bewirken, vernachlässigen die Figur des Mikko aber sträflich. Hier hätte man das Potenzial gehabt, die Figur nahbarer zu machen und für den Zuschauer nachvollziehbarer werden zu lassen, warum er sich zunächst so feindlich verhält. Was an Charakterentwicklung aber teilweise fehlt, gleicht The Knocking allerdings durch Atmosphäre aus. Einen großen Teil seiner Spannung bezieht der Film aus den äußerst atmosphärischen Bildern im Wald und im Inneren des Hauses. Hier darf man auch den Setdesignern ein großes Kompliment machen, die für eine authentische Ausgestaltung der Räume sorgten. Die Kamera unterstützt das mit schrägen Winkeln und außergewöhnlichen Einstellungen, während die Beleuchtung den Wald später in ein tiefes Rot taucht oder Lichtungen atmosphärisch in Szene setzt.

Was hat Maria da im Wald vergraben?

Verlässt The Knocking das Terrain des Dramas und geht mehr und mehr in Richtung Horrorfilm, addieren sich Elemente der Folklore und des Märchenhaften hinzu. Ab und an fühlt man sich an Gaia – Grüne Hölle erinnert, dessen Thema allerdings stärker umweltbezogen war. Dennoch lugt Gaia hier und da um die Ecke. Und wo dieser ein absolut einzigartiges Sounddesign hatte, darf man auch dem Tontüftler von The Knocking ein großes Kompliment aussprechen. Nicht nur fungiert der Score kongenial in seiner Instrumentierung und Dynamik, wissen auch die integrierten Geräusche für schönen Schauer zu sorgen. Die knarzenden Bäume oder auch der kehlige Gesang verfehlen ihre Wirkung nicht. Dazu gibt’s immer wieder schaurige Klopfgeräusche, die echten Grusel erzeugen. Auch die unterschwelligen Tiefton-Momente zu Beginn sorgen für ein Grummeln im Magen und stimmen auf die folgenden 90 Minuten ein. Dass es zwischendurch mal kurze Soundeffekte gibt, die die angespannte Stille durchbrechen, werden Fans von Jumpscares mögen – zumal sie weitgehend überraschend kommen. So überraschend wie das Ende ausgefallen ist, das in seiner Konsequenz überzeugt und die so überflüssige wie unlogische Mid-Credit-Szene wirklich nicht nötig gehabt hätte.

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Erscheinungstermin: Fri, 28 Jul 2023
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Bild- und Tonqualität

Ein bisschen Body Horror gibt’s obendrauf

The Knocking wurde digital gedreht. Leider war nicht festzustellen, welche Kameras verwendet wurden und welche Auflösung das Kino-DI hatte. Was man während der ersten Sequenz sofort bemerkt, ist der feine und filmische Look, der durch ein dezentes (aber nicht störendes) Rauschen erzeugt wird, während die Kamera durch das Dunkle der Nacht filmt. Es wäre schön gewesen, wenn man diesen Look konsistent fortgesetzt hätte. Leider sind die ersten Szenen mit den Geschwistern beim Notar extrem glatt und wirken gebügelt. Selbst einige Close-ups der Darsteller sind arg weich und wirken ein wenig gefiltert. Dazu ist das Encoding auf der braunen Holzvertäfelung im Hintergrund nicht wirklich perfekt. Es zeigt relativ grobe Rauschmuster, die auch mal unschön flirren. Andere Naheinstellungen wie jene von Maria nach 35 Minuten sind hingegen knackig scharf und sehr gut aufgelöst. Was ebenfalls sehr gut gelingt, sind die Kontraste. Schwarzwerte wirken meist richtig satt und Highlights kommen gut zur Geltung. Dazu versumpfen Details zu keiner Zeit in den dunkleren Szenen. Stets bleiben Einzelheiten auch im Schattenbereich gut erkennbar – beispielsweise die Bilder und Bücher im Hintergrund bei 48’40. Die Farbgebung spielt sich hauptsächlich im Bereich erdiger Töne ab, was hervorragend zum Film passt und die Wald-Atmosphäre lebhaft rüberbringt. Gesichter sind gesund gebräunt und wirken dadurch ebenfalls sehr warm und angenehm.  Der Ton von The Knocking liegt für beide Sprachen (Deutsch und Finnisch/Estnisch) in verlustfrei komprimiertem DTS-HD-Master vor. Was von Beginn an auffällig ist, ist seine Aktivität auf der Tiefbass-Seite. Das Grummeln des Gewitters, das im Hintergrund der Eröffnungssequenz zu hören ist, geht tief hinab in den Basskeller und wird von den Subs eindrucksvoll ins Heimkino geschoben – bis hin zum sich steigernden Bass in der Überblende auf die angepinnten Buchseiten sowie den Score, der dann ebenfalls dynamisch ertönt. Erstaunlich, wie viel Druck hier bei einem so kleinen Film geboten wird. Auch in der Folge ist es immer der unterschwellig bedrohliche Score, der hier für Unbehagen sorgt. Bohrende Sounds mit flirrenden Streichern, die sich über das düstere Waldszenario legen – das alles lässt der Ton der Blu-ray wirklich effektvoll und räumlich sowie erstaunlich dynamisch ans Ohr. Die Stimmen kommen gut verständlich ans Gehör und bleiben das bis zum Ende des Films. Und dieses Ende ist immer mal wieder ein Muster für originelles Sounddesign. Die knarzenden Geräusche und kehligen Stimmen, die im Wald zu hören sind, sorgen für schaurige Atmosphäre und werden im Surroundumfeld der Speaker sehr räumlich dargestellt. Auch die grummeligen Tiefbassmomente während der letzten zehn Minuten sind klasse und der Frontalcrash mit dem Baum wird ziemlich dynamisch ins Heimkino transportiert.

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Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Knocking findet sich der Originaltrailer neben einem Interview mit den beiden Freunden und Regisseuren Max Seeck und Joonas Pajunen, die allerdings nur etwa zweieinhalb Minuten lang erzählen dürfen, was der Film für sie ist. Ertragreicher ist das 24-seitige Booklet des Mediabooks, in dem die zwei Filmemacher auch noch einmal interviewt werden und ein Text von Philip Waldner mehr Einblick in den finnischen Horrorfilm gibt.

Fazit

The Knocking verknüpft erstaunlich fließend Drama mit Horrorelementen und überzeugt durch sein reduziertes, aber atmosphärisch eingefangenes Setting sowie die drei überzeugenden Darsteller und das kongeniale Sounddesign. Auch wenn die Story am Ende doch nicht so ungewöhnlich ist, wie die Macher es gerne hätten, gibt’s doch so viel eigenes zu entdecken, dass der Film aus der Masse heraussticht. Das Bild ist nicht immer überzeugend, hat gute wie weniger gute Momente. Beim Ton muss man echtes Lob aussprechen. Hier geht’s dynamisch, effekt- und druckvoll zu.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%

Anbieter: Pierrot Le Fou / AL!VE
Land/Jahr: Finnland/Estland 2022
Regie: Joonas Pajunen, Max Seeck
Darsteller: Pekka Strang, Inka Kallén, Saana Koivisto, Mikko Leppilampi, Olga Temonen, Niko Saarela, Linnea Skog
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, fi/sw
Untertitel: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 89
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Pierrot Le Fou)
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Trailer zu The Knocking

THE KNOCKING | Trailer deutsch | Jetzt im Kino!


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2 Kommentare
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blooob

Apropos finnisches Kino, hab gestern Sisu gesehen. Hat mir sehr viel Spass gemacht. 😉

Hans-Ingo Trompeter

Den gibt es bei iTunes in 4K und Dolby Vision, leider keine UHD hierzulande. Ich hab ihn gekauft, muss ihn nur noch gucken.