The Man Who Killed Don Quixote

Blu-ray Review

the man who killed don quixote blu-ray review cover
Concorde Home Video, 07.02.2019

OT: The Man Who Killed Don Quixote

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Kampf gegen Windmühlenflügel

Nach fast 30 Jahren endlich fertig: Terry Gilliams Version von Don Quixote.

Inhalt

Toby Grisoni hatte vor einiger Zeit einen künstlerisch ambitionierten Film über Don Quichote gedreht – als Student der Filmakademie. Nun, zehn Jahre später ist er ein ziemlich verwöhnter Werbe-Regisseur und kehrt für einen Spot nach Spanien zurück. Dort soll er einen Werbefilm umsetzen, der zufälligerweise auch Don Quixote und Sancho Pansa als Titelfiguren nutzt. Als ihm ein lokaler Verkäufer eine alte DVD vor die Nase hält, kauft er sie ihm ab. Denn das ist nichts Geringeres als sein Studentenfilm von damals. Beseelt von den Bildern, die er beim Abspielen der DVD sieht, begibt er sich auf Spurensuche in der Gegend und trifft auf seinen damaligen Hauptdarsteller. Der ist mittlerweile allerdings noch wirrer im Kopf, hält sich selbst tatsächlich für Don Quixote de la Mancha und Toby für seinen Begleiter Sancho Pansa. Als solcher befreit er Toby aus den Fängen der Polizei, die ihm das Abbrennen eines kleinen Dorfes zur Last legt – der Beginn eines turbulenten Abenteuers für den Regisseur …

Dass Terry Gilliam über 25 Jahre brauchte, um sein Herzensprojekt zu realisieren, daraus macht The Man Who Killed Don Quixote keinen Hehl. Denn mit genau diesem Hinweis beginnt sein Film. Schon Ende der 80er hatte er vor, das Ganze auf die Beine zu stellen, schaffte es aber erst zehn Jahre später, das Budget von gut 30 Mio. Dollar aufzutreiben. Mit Jean Rochefort, Johnny Depp und Vanessa Paradis in den Hautrollen begannen die Dreharbeiten … und versanken in Unwettern, nicht zum Dreh erscheinenden Darstellern und der schlussendlichen Erkrankung des Hauptdarstellers. Zwischen 2003 und 2016 versuchte der kreative Animations-Künstler der legendären Monty Pythons dann immer wieder aufs Neue, den Film auf den Weg zu bringen, wobei die Besetzung der Titelfigur (Robert Duvall, Michael Palin, John Hurt) ebenso viele Wechsel vollzog wie die wackelige Finanzierung. Doch selbst als man ihn dann 2017 mit Adam Driver in der Rolle des Regisseurs Toby besetzte und damit die Finanzierung sicherte (war Driver doch aufgrund seines Mitwirkens in der neuen Star-Wars-Trilogie ein „Erfolgsgarant“), blieben die Probleme nicht aus. Vor allem mit Produzent Branco überwarf sich Gilliam, nachdem Branco volle kreative Kontrolle verlangte. Nach seiner Premiere als Abschlussfilm in Cannes 2018 gab es dann erneut Streitigkeiten mit dem zwischenzeitlich abgesprungenen Produzenten, was eine weltweite Kinovermarktung vereitelte. So startete der Film nur in wenigen Territorien und soll in den USA erst Mitte März die Lichtspielhäuser entern. Wenn Gilliams Film eines also erreichen wird, dann den Titel der unglücklichsten Produktion aller Zeiten.

Nun ist es also fertig, das Mammutwerk Gilliams. Und es beginnt furios. Mit einer grandios durchdachten Plansequenz schaut er mit Lust hinter die Kulissen des Showbiz und gibt nicht nur preis, wie gewisse Filmtricks entstehen, sondern offenbart gleich sämtliche Neurosen, die Regisseure, Produzenten, Agenten und Schauspieler so an den Tag legen. Während andere potenzielle Darsteller des Don Quichote während der letzten 25 Jahren zum Teil traurigerweise starben, ist es nun Jonathan Pryce, der die Figur spielt – witzigerweise. Denn Pryce kennt man schon aus Gilliams Brazil. Und Pryce ist großartig. Die Tatsache, dass er einen unfreiwilligen Schauspieler mimt, den Toby Grisoni mitten beim Dreh seiner Abschlussarbeit in dessen Schusterei auftrieb, gibt ihm Spielraum für eine schräge Performance. Wenn Grisoni ihn anmotzt, weil er mit dem Degen viel zu zaghaft auf die Pappkameraden einschlägt, ist das ebenso ungewohnt wie witzig. Adam Driver hingegen hätte als Besetzung kaum besser sein können. Gut 20 Jahre lang war Johnny Depp für die Rolle geplant. Doch wenn man dessen Neigung, immer wieder die gleiche Figur zu geben kennt, weiß man, dass er aus dem verzweifelnden Regisseur nur erneut irgendeine Abart von Jack Sparrow verbrochen hätte. Driver hingegen ist unverbraucht und spielt den jungen Nachwuchs-Regisseur, der seine Abschlussarbeit mit Leidenschaft auf den Weg bringt, genauso überzeugend wie den arrogant gewordenen Regiestar einer Großproduktion. Sein Filmname geht im Übrigen zurück auf den Co-Drehbuchautor (fast) gleichen Namens.

The Man Who Killed Don Quixote lebt vom Zusammenspiel seiner beiden Hauptdarsteller. Denn man merkt der Produktion inszenatorisch an, dass sie durch viele Stadien und Drehbuchentwicklungen gegangen ist. Wirklich stringent und flüssig ist Gilliams jüngster Film nicht geworden. Wohl aber exzentrisch wie eh und je. Wer mit Filmen wie Brazil oder Das Kabinett des Doktor Parnassus nichts anfangen kann, wird hier ebenfalls seine Schwierigkeiten haben. Erst Recht, wenn nach etwas über 50 Minuten die ganze Exzentrik Gilliams zum Tragen kommt; wenn er zunehmend bizarre, surreale Elemente einfügt und die lokale Polizei „im Vorbeigehen“ mit der spanischen Inquisition gleichsetzt. Realität und Fantasie beginnen zu verschmelzen und The Man Who Killed Don Quixote wird zunehmend politisch. Gilliam thematisiert Islamismus, Frauenfeindlichkeit und rechnet gleichzeitig mit dem Kommerz ab.
Und so zeigt sich am Ende, dass der „echte“ Don Quixote gar nicht mal so anachronistisch ist, wie es scheint. Und dass ein idealistischer Kämpfer gegen Windmühlenflügel auch dem 21. Jahrhundert ganz gut stehen würde.

Bild- und Tonqualität

The Man Who Killed Don Quixote liefert kräftige und farbige Bilder. Auch die Kontraste gefallen meist. Allerdings sind die Einstellungen sehr unterschiedlich. Manchmal ist die Schärfe gut, manchmal sind Gesichter weich wie zu VHS-Zeiten und ab und an sorgen starke Weitwinkel-Objektive für unscharf verzerrte Randbereiche. Die Bildruhe geht in Ordnung, ein leichtes Korn lässt das Geschehen filmisch erscheinen, ohne allzu auffällig zu werden. Typisch für Gilliam sind die steilen Kontrastflanken, die Gesichter oftmals etwas überdramatisch-theaterhaft aussehen lassen.
Akustisch bleibt The Man Who Killed Don Quixote erstaunlich frontlastig. Zwar gibt’s schon mal Geräusche vom staubigen Wind aus den Surrounds, aber insgesamt wirkt es ab und an etwas phasenverschoben und nicht homogen. Die Stimmen sind gleichzeitig etwas dünn geraten und wirklich Volumen hat der Tieffrequenz-Kanal auch nicht.

Bonusmaterial

Das fünfteilige Making-of-Featurette, das sich im Bonusmaterial von The Man Who Killed Don Quixote findet, läuft insgesamt zwölf Minuten und gibt Hintergrundinfos zu den Drehorten, Kostümen, der Ausstattung sowie zu Regisseur Gilliam selbst.

Fazit

Manchmal etwas albern, insgesamt ein wenig zu lang und nicht immer flüssig inszeniert – dennoch ist Terry Gilliams The Man Who Killed Don Quixote ein sehenswerter Film, der in der Metaebene mehr Bezug zur Aktualität hat, als man annehmen könnte. Außerdem wünscht man sich, dass dem Regisseur und seinem gesamten Team über den Heimkino-Release doch noch ein finanzieller Ausgleich beschert wird – denn mehr Pech kann man bei einer Produktion einfach nicht haben.
Wer über die überaus spannende Historie der jahrzehntelangen Produktion etwas mehr erfahren möchte, dem sei diese Zusammenfassung empfohlen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 30%
Film: 65%

Anbieter: Concorde Home Entertainment
Land/Jahr: Spanien/Belgien/Frankreich/Portugal/Großbritannien 2018
Regie: Terry Gilliam
Darsteller: Jonathan Pryce, Adam Driver, Olga Kurylenko, Stellan Skarsgård, Joana Ribeiro, Óscar Jaenada,
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 133
Codec: AVC
FSK: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Concorde Home Entertainment)

Trailer zu The Man Who Killed Don Quixote

THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE - Trailer (deutsch/german)

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