The Midnight Sky [Netflix]

Blu-ray Review

Netflix, 23.12.2020

OT: The Midnight Sky

 


Still

Auch George Clooney wandert für den Moment exklusiv zu Streaming-Gigant Netflix.

Inhalt

Augustine versucht, Kontakt zur Æther aufzunehmen   NETFLIX ©2020

Das Jahr 2019: Augustine Lofthouse hat sich auf die Fahne geschrieben, der Menschheit Dienste zu erweisen. Als Wissenschaftler sucht er nach bewohnbaren Planeten, damit die Menschen irgendwann zur Not ausweichen können. So besessen ist er von seiner Arbeit, dass er menschliche Beziehungen nur schwer eingehen oder gar halten kann. Dass bewohnbare Planeten bald wichtiger sein könnten als Lofthouse geahnt hätte, wird umso deutlicher, da 30 Jahre später ein verheerendes Ereignis den größten Teil der Erde zerstört und die Bevölkerung fast völlig auslöscht. Augustine selbst weiß, dass er terminalen Krebs hat, gibt aber gerade deshalb seine Position in einer arktischen Forschungsstation nicht auf. Sein Ziel ist es nun, die im All befindlichen bemannten Missionen zu warnen, nicht zur Erde zurück zu kehren. Lediglich eine kann er ausmachen – und zwar jene der Æther. Deren Crew weiß nichts von den Geschehnissen Zuhause. Während Lofthouse verzweifelt versucht, den Kontakt herzustellen, entdeckt er in seiner Station ein junges stummes Mädchen, um das er sich kümmern muss, nachdem er die Evakuierungsmaßnahmen ignoriert hat und kein anderer mehr da ist. Da die Antenne der Basis zu schwach ist, beschließt er, mit der Kleinen durch die eisigen Temperaturen hindurch eine andere Station zu erreichen, um von dort Kontakt zur Æther aufzunehmen. Doch der Weg dorthin ist genauso voller Hindernisse wie die Situation im All bei der Æther …

Sully wundert sich, dass der Kontakt zur Erde abgebrochen ist   NETFLIX ©2020

The Midnight Sky gehört zu den größeren Netflix-Filmen, die noch 2020 gestartet sein werden. Mitte Juni 2019 hörte man erstmalig von der Produktion, deren Dreharbeiten im Oktober begannen. Bereits im Februar 2020 beendete man diese und finalisierte den Film durchaus mit der heißen Nadel.
George Clooney, der hier auch Regie führte, knöpfte sich eine noch relativ unbekannte und junge Novelle vor, die Lily Brooks Dalton 2016 geschrieben hatte. Die Autorin war erst ein Jahr zuvor bekannt geworden, als sie mit Motorcycles I’ve Loved eine Art autobiographischen Roman verfasst hatte, der schnell beliebt wurde.
Clooney hingegen konnte durch die Arbeit mit Alfonso Cuarón an Gravity Erfahrung für die Inszenierung von Filmen machen, die teilweise im Weltraum spielen. Erfahrungen, die er in den Film einfließen ließ. Beispielsweise war es ihm wichtig, die nicht vorhandene Gravitation im All nicht zu sehr zu strapazieren. Zwar gibt es im Weltraum kein oben und unten, doch man müsse aufpassen, diese Darstellung nicht zu übertreiben, um den Zuschauer nicht seekrank zu machen (Quelle).
Dass The Midnight Sky hin und wieder wie eine Mischung aus Gravity und The Revenant erinnert, könnte daran liegen, dass Revenant-Autor Mark L. Smith auch hier die Drehbuchadaption der Vorlage übernahm. Allerdings änderte man gewisse Dinge ab. So wurden aus den Charakteren Mitchell und Sanchez (eigentlich zwei jüngere Astronauten, bzw. Kosmonauten, da Mitchell im Buch ein junger Russe ist) zwei ältere Herren, die gerne mal lockere Töne anschlagen oder aus vollem Halse „Sweet Caroline“ schmettern, um dem apokalyptischen Film einen gewissen humoristischen Touch zu verpassen. Da außerdem Felicity Jones nach ihrer Verpflichtung schwanger wurde, integrierte man dies kurzerhand ins Drehbuch. Vielleicht sogar der geglückteste Kunstgriff, denn auf diese Weise spielt ein Kind nicht nur auf der Erde, sondern auch auf der anderen Seite im Weltall eine Rolle und wird in die Überlegungen ständig einbezogen.

Es hilft nichts, die schützende Station muss verlassen und eine andere aufgesucht   NETFLIX ©2020

Schade allerdings, dass man aus der reinen Charakterentwicklung zu wenig rausholt. Zwar stellt sich Clooney in den Dienst seiner Geschichte und agiert als Augustine souverän und authentisch, aber allzu viel erfährt man (abseits seiner Krebserkrankung und der Unfähigkeit zu menschlichen Bindungen) über seine Person nicht. Es ist Clooneys Professionalität und seinem Charisma zu verdanken, dass man ihm dennoch bereitwillig folgt, wenn er seine Mission auf der Erde unbedingt erfüllen und die letzte erreichbare Weltraummission von der Gefahr der Rückkehr überzeugen will, damit die Menschheit zumindest „irgendwo da draußen“ überleben kann, wenn schon nicht auf der Erde selbst.
Das größere Problem – abseits von der geringen Charaktertiefe des Augustine – ist die Tatsache, dass man sich als Zuschauer relativ wenig um das Schicksal der Astronauten schert. Zu dem Grüppchen dort oben im All bekommt man nie recht Bezug, entwickelt nie so richtig eine Verbindung. Zu kühl bleiben die Figuren, zu analytisch und wenig emotional – ganz davon abgesehen, dass die abgefilmten Routinen bis etwa zur 40. Minute auch gähnend langweilig sind.
Dabei stört leider auch, dass Midnight Sky immer dann die Szenerie wechselt, wenn man gerade beginnt, sich in eine von beiden einzufinden. Und da es inklusive der Rückblicke gleich drei Erzählebenen gibt, tritt der Film immer wieder bewusst und zu hart auf die Bremse. Die Szenen im arktischen Sturm wirken dabei spannender und mindestens ebenso atemberaubend gefilmt wie jene im All. Aber auch dort wird man immer wieder herausgerissen, wenn es wieder zur Crew in der Æther wechselt. Gerade die Szenen zwischen Clooney und der jungen Debütantin Caoilinn Springall in der Rolle der stummen Iris funktionieren sehr gut. Von den ersten, fast rührenden Versuchen des Mädchens, eine Beziehung zu dem alten Einsiedler aufzunehmen, bis hin zu den dramatischen Momenten im Schneesturm. In diesen wird deutlich, dass Augustine einen zweiten wichtigen Grund hat, gegen seine Erkrankungserscheinungen und das Schicksal anzukämpfen. Er muss nicht nur die Erde retten, sondern auch dieses kleine unschuldige Mädchen. Das (leidlich) überraschende Finale wird zeigen, wie wichtig das ist.

Mitchell ist der beste Kapitän, möchte aber gerne nach Hause  NETFLIX ©2020

Abseits von den spürbaren Mankos kann sich The Midnight Sky aber auf eines verlassen: Seine Optik.
Es wäre zwar schön gewesen, wenn das Visuelle mit dem inhaltlichen mehr korrespondieren würde, aber wer damit leben kann, dass das Äußere spektakulärer ist als das Innere, der bekommt einen erlesen fotografierten Film. Der deutsche Kameramann Martin Ruhe, mit dem George Clooney erstmals bei The American zusammen gearbeitet hatte, fotografiert die Szenen im All wirklich spektakulär. Schon die Einführung in die Raumstation ist ein kleiner Genuss, wenn die Kamera Sully durch die unterschiedlichen Ebenen und zwischenzeitliche Schwerelosigkeit folgt. Typisch fürs Genre wird auch hier gerne mal eine sehr geometrische Formensprache benutzt.
Geht es dann an die große, an Gravity erinnernde Sequenz der Außenreparatur am Shuttle, gerät das zum optischen Leckerbissen. Wie hier geschildert und gezeigt wird, wie die Crew sich an der Außenhülle entlang zu den Schadstellen bewegt, während im Hintergrund das schwarze All für Kontrast sorgt, macht schon einen riesigen Spaß – zumal die bedrohlichen Szenen bei der Rückkehr Mayas tatsächlich so etwas wie Emotionalität beim Zuschauer erwirken und nicht nur optisch, sondern auch in Dramatik im Verlaufe des Films in dieser Form nicht mehr erreicht werden. Mit Abstand die beste Szene des ganzen Films.
Aber auch die weniger spektakulären, sondern eher nüchternen Aufnahmen innerhalb der Forschungsbasis zu Beginn überzeugen. Man spürt, wie einsam es dort vermutlich ist, sobald Augustine dort alleine und für sich bleibt: PC-Monitore, die vor sich hin surren und irgendwelche Daten anzeigen, leere Stühle und sauber gewischte Tische in der Cafeteria, auf denen wohl niemals mehr ein Becher mit Kaffee stehen wird – das sieht schon stylisch aus. Geholfen haben da auch die authentischen Settings. So begab man sich für die Szenen innerhalb der arktischen Station auf die Kanareninsel La Palma und filmte im Inneren der Sternwarten am Roque des los Muchachos, der höchsten Erhebung des Eilands.
Zumindestens gewöhnungsbedürftig ist allerdings die von Alexandre Desplat (Oscar für Shape of Water) komponierte Filmmusik, die er coronabedingt per Internet von Paris aus in die Abbey Road Studios dirigierte. Hin und wieder kitscht sie die Bilder unnötig zu, lässt Querflöten spielen als handle es sich um die nächste Heidi-Verfilmung, während sie an anderer Stelle fürs Thema sehr eigentümlich und manchmal seltsam unharmonisch orchestriert wirkt. Auch die perkussiven Töne während Mayas Rückkehr vom Allausflug wirken unpassend und wenn es kurz darauf wirklich dramatisch wird, passt der Score ebenfalls nicht zum Ton des Films. Desplats Musik wird den Zuschauer vermutlich in Fans und Feinde spalten.

Bild- und Tonqualität

Die Æther ist ein majestätisches Gebilde   NETFLIX ©2020

Wie bei Netflix-Filmen mittlerweile üblich, gibt der Streaming-Anbieter vor, dass in 4K zu produzierten ist – und das durchgängig bis zum Digital Intermediate. Zum Einsatz kam hier eine Kombination aus der High-End-Kamera ARRI Alexa 65 und der kleineren Mini LF. Die anliegenden (mindestens 4.5K) wurden dann in der Tat über ein 4K DI gemastert.
Für einen Stream gibt das in Summe bei Midnight Sky ein sehr anständiges, oftmals rattenscharfes Bild. Die Auflösung auf Clooneys Gesicht bei 54’20 ist jedenfalls herausragend gut und der Kontrastumfang so gut gelungen, dass selbst bewusst eingesetzte, harte Kontrastflanken noch etwas Durchzeichnung liefern (23’14). Farben sind natürlich, gleichzeitig kräftig, ohne jedoch bonbonbunt zu werden. Highlights wie die drei leuchtenden Punkte links von Augustines Tür (23’50) oder auch die Sterne im All (78’54) werden von der Dolby-Vision-Kontrastdynamik sehr prägnant und schön hell dargestellt.
Es gibt allerdings auch schwierige Szenen und sichtbare Probleme auf hell angestrahlten Oberflächen, wie man anhand des Pixelrauschens und leichten Bandings auf der hell erleuchteten Wand bei 53’50 erkennen kann.

Werden die zwei die andere Station erreichen?

Ebenfalls bei Netflix üblich sind die Tonformate: Dolby Atmos mit DD+-Kern fürs Englische und Dolby Digital Plus fürs Deutsche. Die deutsche DD+-Fassung schlägt sich allerdings ganz wacker. Während die Stimmen jederzeit recht gut verständlich sind, packt auch der Tiefbass ordentlich zu, wenn nach 67 Minuten der Meteoritenhagel auf die Æther einschlägt. Allerdings passiert das, so viel Kritik muss geübt werden, ziemlich undynamisch und auf einem eher konstanten Lautstärkelevel. Bei 67’48 gibt’s einen Basssweep, der zwar wahrnembar ist, über die englische Fassung aber spürbarer durch den Raum wandert. Jetzt ist der O-Ton in Atmos immer noch keine Ausgeburt in Frequenzdynamik und konzentriert sich zu sehr auf brummelnden Tieftöne, während der Mittel-Hochtonbereich eher unterbelichtet bleibt. Gerade während der Schneesturmszenen hätte es etwas mehr Aktivität im oberen Frequenzband brauchen können, um gegen den teils vehementen Bass anzukommen
Die Räumlichkeit ist allerdings sehr schön, was man vor allem im beengten und mit Wasser gefluteten Container nach 55 Minuten hören kann. Überall knarzt und platscht es, während sich Augustine immer wieder um den Zuschauer herum auf allen Lautsprechern bewegt. Sehr authentisch ist zudem die Vertonung im All geraten. Dort hat Midnight Sky den Weg eher dumpfer und unterschwellig-dröhnender Sounds gewählt und macht nicht auf unrealistischen Actionkracher
Schade, dass der Sound insgesamt ein wenig zu tiefenbetont gibt. Ansonsten wäre das ein sehr guter Tonsektor geworden.

Die Ereignisse stimmen selbst den Optimisten nachdenklich   NETFLIX ©2020

Beziehen wir beim ohnehin schon besseren englischen Ton auch noch die Atmos-Ebene mit ein, so tut sich hier oft, aber nicht andauernd etwas. Als erstes fliegt nach 2’54 ein Hubschrauber, der final sogar so vehement über die Köpfe knattert, dass man fast in Deckung gehen möchte. Etwas unschlüssig ist sich in diesen Szenen allerdings der leicht rauschig hinzugemischte Score, der eher schwankend von oben zu hören ist. Bei 11’15 hören wir dann die Rakete gen Himmel donnern und bei 16’30 hört man die Antenne in den Äther Funksignale schicken. Kommen Lautsprecherdurchsagen wie nach 21’20, so werden die natürlich auch auf die Heights gelegt und sobald die Kamera mit Augustine draußen im Wind steht, weht dieser von überall um den Zuschauer herum. Das ist einer der häufigsten 3D-Sounds während des ganzen Films – und einer, der wirklich Spaß macht. Während des Trümmerhagels auf die Æther nach 67 Minuten hätte es im Inneren der Station allerdings mehr 3D-Sounds geben dürfen. Ein paar satte Signale gibt’s dann wieder nach 80 Minuten, wenn die Trümmer Richtung Kamera und auf Maya zufliegen.

Fazit

The Midnight Sky ist ein etwas zweifelhaftes Erlebnis. Zum einen gibt es wunderbar fotografierte Szenen in der eisigen Kälte der arktischen Umgebung und im All bei der Æther. Auch Clooney spielt überzeugend und die Darsteller von Sanchez und Mitchell machen Laune (dass ich das mal über Kyle Chandler sagen würde). Obendrauf gibt’s mit der dramatischen Sequenz nach 80 Minuten eine absolut intensiv gefilmte Szene, die für einen kurzen Moment sprachlos zurücklässt. Abseits davon lässt das SciFi-Drama allerdings seltsam kalt. Kaum eine der Figuren berührt und während der zwei Stunden Laufzeit kommt auch zu oft gefilmte Langeweile ins Spiel. Für Clooney-Fans natürlich trotzdem ein Muss, SciFi-Freunde könnten enttäuscht werden.
Audiovisuell schlägt sich das Bild bis auf ein paar kleinere Mankos sehr gut. Der deutsche Ton ist leider weniger dynamisch als sein englisches Pendant. Letzterer bietet satteste Bässe, ist aber (wie die deutsche Fassung) im Mittelhochtonbereich etwas unterbelichtet.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%

Tonqualität (dt. Fassung): 70%

Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 80%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 60%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 80%

Film: 65%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2020
Regie: George Clooney
Darsteller: George Clooney, Caoilinn Springall, Felicity Jones, David Oyelowo, Kyle Chandler, Tim Russ
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,11:1
Laufzeit: 118
Real 4K: Ja
Datenrate: 15.25 Mbps
Altersfreigabe: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)

Trailer zu The Midnight Sky

The Midnight Sky | Finaler Trailer | George Clooney | Netflix

 

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4 Kommentare
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Superboingo

Leider hält die Geschichte nicht das, was die Bilder und der Ton locker schaffen: Faszination. Zu abgegriffen ist der finale Twist, so dass sich doch eine ziemliche Enttäuschung auf der erzählenden Ebene einstellt.

Sven

Moin,

auch ich habe ihn gestern Abend gesehen. Von der Story ist er wirklich etwas flach gehalten, aber ok. So wie Timo geschrieben hat.
Aber die Bilder auf einer grossen Leinwand in 4k sind schon der Hammer. Das gleicht dann doch einiges aus. Den Ton fand ich auch für DD+ sehr gut, sehr räumlich und ab und zu doch schon ein satter Sound. Ich habe allerdings auch einen Körperschallwandler unterm Sofa, da kommt dann schon gutes Feeling auf.
Mit hat er gefallen.

Oliver

Hallo Timo,
Gestern spät Abends den Film gesehen. Mich hat er nicht gefesselt sondern in Erwartung da müsste doch jetzt was passieren nachher gelangweilt. Mach ich aus oder kommt da jetzt noch was.

Bild auf OLED sensationell gut, Ton nicht beurteilbar da nur TV. Bilder teilweise richtig richtig gut das ich auf jeden Fall den mal auf Leinwand schaue wegen der tollen Bildqualität .

Aber Respekt Timo so ein langes detailliertes gutes Review dazu zu schreiben. Hat der Film gar nicht verdient.