The Night Eats the World

Blu-ray Review

The Night eats the World Blu-ray Revie Cover
EuroVideo, 06.06.2018

OT: La nuit a dévoré le monde

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Tot ist die Norm

Intensives und äußerst wirkungsvolles Zombie-Drama aus Frankreich.

Inhalt

The Night eats the World Blu-ray Revie Szene 4
Sam hasst Partys

Als Sam zu einer (für ihn viel zu groß angelegten) Party seiner Ex geht, kann er nicht ahnen, dass dies sein letzter Abend unter Menschen sein würde. Weil er seine Ruhe haben will und ein paar alte Tapes aus den irrtümlich bei der Verflossenen gelassenen Kisten holen möchte, verzieht er sich in das Büro am Ende des Flurs. Dort schläft er ein und wacht erst am nächsten Tag auf. Von den tumultartigen Zuständen, die sich während der Nacht abspielen, bekommt er nichts mit. Erst als er die Wohnung wieder betritt, sieht er das ganze Chaos. Blut überall an den Wänden, zerfetzte Klamotten und offenbar kein Überlebender. Als Sam die Tür zum Treppenhaus öffnet, fällt ihn seine offenbar untote und ziemlich entstellte Ex an, weshalb er sich schnellstmöglich wieder in der Wohnung verbarrikadiert. Der Blick auf die Straße verrät, dass es wohl in ganz Paris schon so aussieht und er vielleicht einer der wenigen Überlebenden sein könnte. Also beschließt Sam, dass das zunächst auch so bleiben soll und richtet sich auf ein Leben in der abgeschirmten Wohnung ein. Doch nach der Zombie-Apokalypse kommt die Einsamkeit – und die schlägt ebenso heftig zu …

The Night eats the World Blu-ray Revie Szene 2
Das allerdings hat er keinem der Gäste gewünscht

Im französischen Zombie-Horror-Drama The Night eats the World ist Robinson Crusoe nicht auf einer Insel, sondern in einer (stattlichen) Altbau-Wohnung gelandet. Dort muss sich Sam ein Leben einrichten, das ihn zwar vor den Untoten beschützt, aber in die totale Isolation treibt. Als Metapher auf Sams Leben, das offenbar aufgehört zu haben scheint, nachdem sich seine Ex von ihm getrennt hat, funktioniert das Langfilmdebüt von Dominique Rocher vor allem aufgrund seiner Andersartigkeit. Deutlich weniger Dawn of the Dead, dafür deutlich mehr Maggie oder The Girl with all the Gifts folgt man dem Protagonisten auf Schritt und Tritt, während der sich langsam in dem Wohnkomplex einrichtet und ihn in Gefahren- und Safe-Zonen einteilt. Dabei denkt man langsam genauso wie Sam selbst darüber nach, wie man sich wohl selbst verhalten würde, wäre man offenbar völlig alleine. Wie lange braucht es, bis man die gefundene Schrotflinte auch an sein eigenes Kinn ansetzt, weil man die Einsamkeit und beständige Bedrohung nicht mehr ertragen kann?
Dabei spart sich The Night eats the World fast vollständig jede Art von Dialog und reduziert selbst in den Momenten, in denen Menschen noch am Leben sind, die Gespräche aufs Nötigste. Dass die Untoten in Rochers Film noch dazu eher ruhig unterwegs sind und nicht grunzen, röcheln oder stöhnen, macht sie eigentlich noch furchterregender. Und es macht sie menschlicher. Man hat beständig das Gefühl, das diese Zombies eben noch gelebt haben. Noch Mütter, Väter und Kinder waren – sie am gesellschaftlichen Leben teilgenommen haben.

The Night eats the World Blu-ray Revie Szene 3
Wer ist da unter ihm? Und was passiert dort?

Was ebenfalls aus der Masse herausragt: Die verwendeten (und durchaus vorhandenen) Gore-Einlagen werden ebenfalls eher genutzt, um den dramatischen, hoffnungslosen Aspekt zu intensivieren. Hier verfehlen sie ihre Wirkung allerdings kein bisschen. Wenn der unter Sam wohnende Nachbar zuerst seine Frau und dann sich selbst mit der Schrotflinte richtet, ist die praktische Maske des zerfetzten Schädels durchaus eine FSK-18-Einstufung wert. Auch die Untoten, die mit abgerissenen Gliedmaßen über die Straßen laufen, hat man schon günstiger maskiert und gemake-up’t gesehen. Es gibt also durchaus auch was für Gore-Hounds zu sehen, wenngleich denen vielleicht ein bisschen der Action-Anteil fehlen dürfte.
Man braucht also durchaus ein bisschen Sitzfleisch und Geduld, um sich auf die langsame Erzählweise einzustellen. Doch genau das ist es ja, was The Night eats the World ausmacht. Und das ist auch, was Film und Regisseur authentisch schildern. Die Beschäftigungs-Therapien, die sich Sam zwischen seinen Erkundungen im Wohnblock auferlegt, um nicht dem Isolations-Wahn zu verfallen, sind nachvollziehbar. Vermutlich würde man das Gleiche machen.
Dass die selbst auferlegte Isolation irgendwann so weit geht, dass sich Sam die Untoten zurückwünscht (und holt) zeigt, in welchen Wahnvorstellungen man sich irgendwann befindet, wenn man völlig alleine und ohne sozialen Kontakt ist. Hauptdarsteller Anders Danielsen Lie (Personal Shopper) verhält sich dabei zu jeder Zeit glaubwürdig und ist vor allem erfrischend unheldenhaft. Wenn er sich nach der Hälfte des Films auf die Straßen wagt, um das einzige lebendige Wesen, das er seit Wochen gesehen hat, für sich zu retten, merkt man ihm an, dass er die Hosen gestrichen voll hat. Intensiv auch die Szene, in der er vermutet, sich selbst infiziert zu haben. Da kann sich so manch anderer Möchtegern-Zombie-Horror eine dicke Scheibe Atmosphäre abschneiden – ganz abgesehen von den Überraschungen, die der Film zum Ende hin noch in der Hinterhand hat.

The Night eats the World Blu-ray Revie Szene 1
Ist Sam doch nicht alleine?

Bild- und Tonqualität

The Night eats the World Blu-ray Revie Szene 5
Wir er langsam wahnsinnig?

Ein bisschen körnig ist es geworden, das Bild von The Night Eats the World, was man vor allem auf den uniformen Hintergründen in der Wohnung gut sehen kann. Allerdings nimmt das nie Überhand und wirkt stets filmisch analog. Die Schärfe bleibt durchweg gut, ohne Referenzwerte zu erreichen. Dennoch ist das Geschehen immer gut erkennbar und in Close-ups sogar recht detailliert. Der Kontrastumfang wurde bewusst etwas reduziert, das Bild durchweg etwas aufgehellt. Das steigert aber noch die Untergangs-Stimmung – zumal es keinen Anlass gibt, hier möglichst düster rüber zu kommen. Farben sind nicht allzu satt, bleiben aber immer natürlich und realistisch.
Beim Sound drücken die Songs der Party schon recht stattlich über den Subwoofer, bleiben dort aber bewusst etwas muffig, um zu verdeutlichen, dass Sam das Geschehen ohnehin nur nebenbei mitbekommt. Deutlich schwillt der Sound dann an, wenn sich der Titel-Schriftzug aufbaut. Das Gleicht tut er auch immer mal wieder, wenn die Szenerie dramatisch(er) wird. Ansonsten herrscht hier vor allem Stille – und das ist gut so. Denn The Night Eats the World lebt davon, dass man nachvollziehen kann, in welcher Situation sich Sam befindet. Und das stehen Geräusche für Gefahr und Stille für Sicherheit, aber auch Einsamkeit. Die Soundeffekte, die dann (teils überraschend) eingesetzt werden, wecken dann umso mehr auf und verfehlen ihre Wirkung nicht.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Night Eats the World ist lediglich der Trailer zum Film zu finden.

Fazit

The Night Eats the World ist nicht nur dramaturgisch näher an oben genannten Filmen, sondern auch qualitativ – und damit gehört Rochers Debüt zu den bemerkenswertesten Genre-Werken der letzten Jahre. Ein Tipp für alle, die gerne auch mal am Rand des Horror-Genres unterwegs sind.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 5%
Film: 80%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: Frankreich 2018
Regie: Dominique Rocher
Darsteller: Anders Danielsen Lie, Golshifteh Farahani, Sigrid Bouaziz, Denis Lavant, David Kammenos
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 94
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots: © 2018 EuroVideo)

Trailer zu The Night Eats the World

The Night Eats the World (La nuit a dévoré le monde) theatrical trailer

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