The Old Guard – Für immer [Netflix]

Blu-ray Review

Netflix, 10.07.2020

OT: The Old Guard


Schattenkämpfer

Netflix liefert mal wieder ab – dieses Mal eine Graphic-Novel-Verfilmung mit hochkarätigem Cast.

Inhalt

Andy und Booker kämpfen seit über fünfhundert Jahren Seite an Seite

Kriegerin Andy ist tot. Also eigentlich. Sie sollte es zumindest sein. Denn während irgendeiner Schlacht in der Antike verlor sie ihr Leben. Einmal gestorben musste sie jedoch feststellen, dass wie weiterlebt. Und wie ihr ergeht es mit Joe, Nicky und Sebastian drei weiteren Kriegern aus unterschiedlichen Epochen. Als so genante „alte Wache“ hat sich Andy mit diesem Trupp unsterblicher Söldner zusammen getan um Böses von der Menschheit abzuwenden. Ihr jüngstes Mitglied könnte die US-Soldatin Nile werden, die während des Kriegs in Afghanistan umkam. Seit mehr als 200 Jahren wäre sie die erste Neue im Club der Wächter. Parallel zum potenziellen Neuling tritt ein gewisser Copley auf den Plan. Der Ex-CIA-Agent erzählt von einem besonders grauenhaften Fall von Menschenrechtsverletzung und Entführung. Andys Gruppe soll die gekidnappten Kinder im Süd-Sudan ausfindig machen und befreien. Doch der Auftrag ist eine Falle. Eine Falle, die das Quartett als unsterblich enttarnt. Fortan ist ein skrupelloser Pharma-Industrieller sowie auch Copley hinter Andy und den anderen her. Die beiden wollen unbedingt den genetischen Code der unsterblichen Kämpfer entschlüsseln, um daraus kommerziellen Nutzen zu schlagen. Und das muss unter allen Umständen verhindert werden. Mittlerweile durch Nile zum Quintett erstarkt, treten die Fünf zum Gegenangriff an …

Was will Copley wirklich?

Ein paar Monate ist es her, dass Netflix zuletzt einen richtig großen, exklusiv für die Streaming-Plattform gedrehten Film veröffentlichte. Mit Tyler Rake: Extraction schuf man dabei kurzerhand einen Actionfilm, der das Zeug zu einer Fortsetzung hat. Gleiches soll im Erfolgsfalle nun auch The Old Guard blühen. Dessen Geschichte zielt ohne Zweifel auf Fortsetzung(en) ab, was auch daran liegt, dass er auf einer (bisher) fünfteiligen Graphic Novel Miniserie basiert. Bereits mit der Ersten der fünf Geschichten, die Comic-Autor Greg Rucka mit dem argentinischen Illustrator Leandro Fernández gemeinsam entwarf, klopften Filmstudios an die Tür. Skydance Media war es dann, die sich die Filmrechte sicherten und Rucka selbst mit einem Drehbuch beauftragten. Im März 2019 bot sich Netflix an, die weltweiten Veröffentlichtungsrechte zu übernehmen und den Film (mit) zu finanzieren. Angelegt ist das Ganze nun als mögliche Trilogie, wenn es denn entsprechende Klickzahlen geben wird.
Im Prinzip sollte das aber keine Frage sein. Denn selbst wenn man die Storytiefe und Charakterzeichnung zunächst mal außen vor lässt, bietet The Old Guard von Beginn an einen sehr hohen Unterhaltungswert. Vornehmlich die Kampfszenen sind es, die von Regisseurin Gina Prince-Bythewood (Beyond the Lights) mit visueller Wucht und gleichzeitiger Eleganz inszeniert wurden. Schon eine axtschwingende Charlize Theron macht eine Menge Spaß, wird aber noch übertroffen, wenn ihre Altersweisheit von einem gewissen Sarkasmus durchzogen wird.

Nile ist verwirrt und kann die neue Situation noch nicht deuten

Theron ist es natürlich, die The Old Guard (trotz prominenter Nebendarsteller wie dem Belgier Schoenaerts und Chiwetel Ejiofor als Fiesling) dominiert. Mit einer Mischung aus Imperator Furiosa (Mad Max: Fury Road) und Aeon Flux kämpft und gleitet sie durch den Film als gäbe es kein Morgen. Die Tatsache, dass sie die mit weitem Abstand Älteste (also quasi die Oma) der Truppe ist, führt immer wieder zu augenzwinkerndem Humor. Allerdings hat ihre Andy die Kämpferei und das ganze Superkräfte-Ding langsam satt. Wer der Menschheit seit ein paar Jahrtausenden den Arsch rettet, der mag ein gutes Herz haben, sieht aber auch langsam ein, dass die Welt vielleicht gar nicht gerettet werden will.
Bisweilen ist der Film von Gina Prince-Bythewood ein wenig geschwätzig und dabei nicht immer pointiert, allerdings schafft es die Regisseurin, diese Momente mit sehr kurzweiligen Fights und Actionsszenen zu unterbrechen. Und hier spielt sie die Vorteile des Quartetts voll aus. Denn wer seit Jahrhunderten miteinander kämpft, der weiß zu 100%, wie sich die jeweils anderen verhalten und wo sie sich befinden. Elegant und fließend wirken die Bewegungen der Vier, wenn sie sich an jenen Söldner rächen, denen sie den kurzen Tod zu Beginn des Films zu verdanken haben. Selbst wenn Prince-Bythewood ein wenig hektisch schneiden ließ, um noch mehr Rasanz zu erzeugen, bleiben die Fights ein echtes Highlight. Und sie fallen erstaunlich heftig aus. Comichaft ist das hier nicht, sondern durchaus blutiger Ernst. Wenn Andy ihre Amazonenaxt schwingt, bleiben Kehlen selten unverschont und es spritzt das Blut auch mal ein paar Meter weit. Für weitere Abwechslung zwischen den (hauptsächlich) erklärenden Dialogen sorgen Rückblicke in die Zeiten, in denen die vier Krieger ihre Schlachten geschlagen haben. Selbst wenn die Kostüme dort schon mal wie aus dem Second-Hand-Laden wirken, fördert das ein wenig die Figurentiefe. Außerdem bringt es ans Licht, wie viel Leid eine Andy über die Jahrhunderte schon erfahren hat – was für eine Strafe die Unsterblichkeit sein kann. Gleichzeitig hält es (bspw. während er Szenen im Mittelalter) der Menschheit und ihrer brutalen Vergangenheit gekonnt den Spiegel vor. Umso überraschender, dass in einer Schlüsselszene nach 90 Minuten noch einmal ein unerwartet positiver Tenor angeschlagen wird.
Am Ende fehlen dennoch ein paar mehr Ideen, wie man aus der interessanten Grundprämisse noch mehr Abwechslung hätte rausquetschen können. Für zwei Stunden gute Unterhaltung sorgt The Old Guard dennoch.

Bild- und Tonqualität

Andy ist zwar unsterblich, aber so eine Waffe ist dennoch hilfreich

Netflix bietet The Old Guard in 4K-Auflösung mit dynamischer Kontraststeigerung Dolby Vision an. Da der Streaming-Anbieter für seine 4K-Filme in aller Regel zur Voraussetzung macht, dass in entsprechend hoher Auflösung gefilmt wird UND auch das Digital Intermediate in 4K angefertigt wird, ist von einem durchgängigen 4K-Master auszugehen. Man muss allerdings nicht zweimal hinschauen, um (selbst ohne bisher auffindbare Informationen) genau DAS erkennen zu können. Denn wenn man sich alleine die Vogelperspektive nach 6’01 oder die Totale von Londeon nach 90’45 anschaut, wird klar, wie hoch aufgelöst hier gefilmt und gemastert wurde.
Als erste Eigenschaft fällt allerdings auf, wie hell das 4K-Bild ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Dolby-Vision-Titeln bei Netflix wirken die Einstellungen bisweilen fast ein bisschen trüb (73’14). Allerdings gewöhnt man sich schnell an den helleren Look, da man im Prinzip auch nie damit zu kämpfen hat, dass Details im Dunklen versumpfen. Die Farbgebung ist ein wenig reduziert, beschränkt sich auf erdige und warme Bilder. Braun-, Ocker- und Grüntöne herrschen vor, was atmosphärisch ganz gut zum Film passt. Leider ist der Stream nicht ganz frei von Fehlern. Bei 8’37 gibt’s farbiges Pixelrauschen im Himmel und während kurzer, stößiger Bewegungen kommen auch sichtbare Unruhen auf Gesichtern hinzu (43’50). Nach etwas über 50 Minuten geht’s auch mit der Farbauflösung etwas in die Knie und neben farbigem Rauschen sind leichte Banding-Artefakte zu sehen (52’51). Die generelle Bildruhe geht derweil in Ordnung, ist aber nicht ganz frei von einer leichten, nachträglich hinzugefügten Körnung, die manchmal auch etwas deutlicher wird (37’00).

Joe und Nicky: Seit Jahrhunderten ein Paar

The Old Guard liegt wie praktisch jeder Netflix-exklusive produzierte Film mit einer Dolby-Digital-Plus-Spur für den deutschen Ton vor, während die englische Fassung mit Dolby Atmos kodiert ist. Die Auflösung ist zu Beginn eigentlich ganz gut. Wenn die Patronenhülsen fallen, klingt das fein und auch den Aufschlag des Magazins hat man gut hinbekommen. Die Synchronstimmen allerdings klingen etwas muffig und dumpf. Außerdem sind sie im Deutschen zu leise eingepegelt. Das kann der Originalton harmonischer. Schön indes die dumpfen Rotorenblätter und das sonore Fluggeräusch des Helikopters nach etwas über acht Minuten. Er füllt den Raum ordentlich aus, lässt effektvoll Staub regnen und entfernt sich ebenso realistisch wieder. Setzt sich die Action in Gang, fetzt es dann richtig räumlich durchs Heimkino, womit wir wieder bei der eingangs erwähnten Szene währen. Allerdings dürfte der Tiefton noch etwas stärker ins Geschehen eingreifen. Während der Kampfszene im Flugzeug nach gut 40 Minuten setzt der Bass mal etwas spürbarer ein und begleitet den Score mit pumpenden Beats. Dennoch dürfte es hier noch etwas weiter hinunter reichen.

Eingespielter könnte man kaum sein

Beziehen wir die Höhen-Ebene der englischen Atmos-Version mit ein, so melden sich die Speaker erstmals bei 1’20, wenn Andy vor einem hellen Licht die Bühne betritt. 8’37 Hubschrauber korrekt von innen. Während der ersten Actionsequenz nach 12 Minuten gibt’s dann vielfach authentisch widerhallende Stimmen durch die niedrigen Decken verursacht. Auch eine ratternde MP gibt’s mal kurz und in den Afghanistan-Szenen hört man ebenfalls immer wieder Hubschrauber.
43’35 fliegt dann eine große Passagiermaschine direkt über das Geschehen und die Köpfe der Zuschauer hinweg. Auch in der Folge wird das in Flughafen-Nähe liegende Quartier des Quintetts immer wieder von Maschinen überflogen. Streng genommen dauert es danach aber bis zur 95. Minute, bis es von oben wieder mal aktiv wird. Das ist dann der Fall, wenn im Labor die Action losgeht und eine Art tickende Uhr begleitet von einigen anderen Soundeffekten platziert werden. Während der andauernden Fights gibt es dann immer mal wieder ein paar Signale von oben – simulierte MP-Geräusche beispielsweise.
Alles in allem ist das nicht sonderlich viel und auch nicht sonderlich innovativ. Es begleitet aber adäquat und sorgt für etwas mehr Immersion.

Fazit

„Highlander meets Expendables“ – so tituliert der deutsche Splitter-Verlag die Graphic Novel von The Old Guard. Und ein bisschen stimmt das sogar. Trotz einiger Längen während der Dialoganteile gibt’s handfeste Action und eine nach wie vor coole Charlize Theron. Alleine das ist schon mehr als die meisten Filme von sich behaupten können und macht Lust auf Atomic Blonde 2.
Bild und (deutscher) Ton können allerdings noch besser sein. Während das Bild Potenzial in puncto Artefaktfreiheit verschenkt, ist der deutsche Ton in den Dialogen etwas muffig.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%

Tonqualität (dt. Fassung): 75%

Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 85%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 30%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 70%

Film: 70%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2020
Regie: Gina Prince-Bythewood
Darsteller: Charlize Theron, KiKi Layne, Chiwetel Ejiofor, Harry Melling, Van Veronica Ngo, Matthias Schoenaerts, Natacha Karam, Marwan Kenzari
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 118
Real 4K: Ja
Datenrate: 15.25 Mbps
Altersfreigabe: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)

Trailer zu The Old Guard

The Old Guard | Official Trailer | Netflix

 

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Pierre

„Muffig“ ist noch recht wohlwollend formuliert. Die deutsche Dialogspur ist eine Zumutung. Da klingt ja fast jeder selbstgefummelte Mic Dub besser.