The Program – Um jeden Preis

Blu-ray Review

OT: The Program

The Program - Um jeden Preis Blu-ray Review Cover
Studiocanal, seit 18.02.2016

 


Von 39 auf 1

Packendes Biopic über die Affäre Armstrong.

Inhalt

„Ich fahre einfach gerne auf meinem Rad“ – der junge Lance Armstrong gibt dem Journalisten David Walsh gerade sein erstes Interview, wir schreiben das Jahr 1993. Siegessicher bis überheblich wirkt der Radsportler, der in den Rennen aber früh erfährt, dass die Seriengewinner nur aufgrund des Dopings dort sind, wo sie sind. Armstrong will nicht dauerhaft den Dreck der anderen ins Gesicht kriegen, sondern ganz vorne mitfahren. Also nimmt er Kontakt zum Sportmediziner Michele Ferrari auf, der ihm aber zunächst mal eröffnet, er sei zu kräftig. Also nimmt er sein Schicksal erst einmal selbst in die Hand und besorgt sich Epo aus einer Apotheke in der Schweiz. Mit dem einsetzenden Erfolg kommt ein bisschen Ruhm, doch Hodenkrebs und Metastasen im Kopf bremsen den Rennfahrer erst einmal aus. Hätte Armstrong nicht seinen unbändigen Willen, dann hätte er wohl aufgegeben. Doch er trainiert und nimmt gleichzeitig wieder Kontakt zu Ferrari auf. Der nimmt ihn dann doch in sein Epo-Programm auf, was zu ungeahnter Form führt. Lance übernimmt die Führung im Amateur-Team US Postal, stellt dessen Fahrer systematisch nach verschiedenen Ansprüchen auf und erzeugt damit ein Team, das praktisch unschlagbar ist – immer unter dem Motto: Alle für Einen. Doch als Armstrong praktisch Unglaubliches leistet, kommen seinem früheren Unterstützer unter den Journalisten, David Walsh, mehr als berechtigte Zweifel über die Leistung. Zu Recht, wie sich zeigen soll …

Die Geschichte um Lance Armstrong ist sicher der spekakulärste Doping-Fall seitdem es ein kritisches Bewusstsein über illegale leistungssteigernde Substanzen gibt. Nicht nur die Sportwelt war geschockt, als herauskam, WIE massiv der siebenfache Tour-de-France-Sieger seinen Körper unter Drogen stellte, um entsprechende Erfolge möglich zu machen. Gerade auch die Öffentlichkeit, die in Armstrong immer den charmanten Saubermann sah. Nun hat Stephen Frears die Buchvorlage LA confidential – Die Geheimnisse des Lance Armstrong vom Journalist der Londoner Sunday Times, David Walsh, verfilmt und sein The Program – Um jeden Preis lässt nur wenig gute Haare am ehemaligen Sportidol. Herausragend ist aber nicht einmal, dass Stephen Frears die Ereignisse chronologisch und minutiös aufzeichnet oder seinen Titelhelden nicht zum Gespött macht, sondern dass er ihn als tragischen Helden schildert ohne je zu verharmlosen, was seine Taten für Folgen hatten. Diesen Spagat zu gewährleisten ist alles andere als eiin leichtes Spiel. The Program – Um jeden Preis zeigt einerseits den unbändigen Ehrgeiz des Lance Armstrong, der seinen Körper trotz zweifachem Hodenkrebs-Befall und krassen Auswirkungen der Chemotherapie immer wieder an seine Grenzen brachte. Andererseits wird dem Zuschauer während des Films ganz anders, wenn man sieht, wie viele von seinen Doping-Einnahmen wussten, wie offen teilweise drüber gesprochen wurde, ohne dass es an die breite Öffentlichkeit gelangte und wie leichtfertig man benutzte Spritzen wegwarf oder nötdürftig Einstichstellen im Körper überschminkte. Absolut herausragend in der Rolle der Radlegende ist Ben Foster, der nicht nur seinen Körper durch eine Tour de Force schickte und optisch seiner Figur wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein scheint, sondern auch schauspielerisch überzeugt – gerade in den ernsteren Szenen.

Denn dass sich The Program nicht auf die bloße Schilderung des Dopingfalls kümmert, sondern auch eindrucksvoll aufzeichnet, wie fast schon diktatorisch er sein Team leitete, macht Frears‘ Film neben all der biografischen und dokumentarischen Aspekte auch extrem unterhaltsam. Unterhaltsam sind auch die Renn-Sequenzen, die aus einer Mischung von Zeitdokumenten und neu gefilmten Szenen bestehen. Erstaunlich, wie authentisch The Program – Um jeden Preis diese Momente inszeniert. Wenn sich der Film ab der Hälfte dann zum echten Thriller und Zweikampf zwischen Lance und Reporter Walsh entwickelt und sich zeigt, wie viel Macht der seinerzeit weltbeliebteste Radrennfahrer auch über den Weltradsportverband UCI hatte, beginnt man als Zuschauer zunehmend das Vertrauen in sämtliche Institutionen zu verlieren. Armstrong musste nur kurz mit seinem Ruhm drohen und damit, dass ohne ihn die Tour wieder in der Versenkung verschwinden würde und schon zog man den Schwanz ein. Alle, die ihm hartnäckiger auf die Pelle rückten, überzog er kurzerhand mit Verleumdungsklagen. The Program schildert eindrücklich, wie sehr sich Armstrong im Verlaufe der Anschuldigungen in ein Geflecht aus Lügen und illegalen Handlungen verstrickte und es am Ende gar selbst zu glauben schien. Was (aufgrund der Buchvorlage) ein wenig zu kurz kommt, ist die Arbeit der französischen Presse, die Armstrong von Beginn an kritisch gegenüberstand. Gerade der L’Équipe kommt dabei eine bedeutende Rolle zu.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von The Program – Um jeden Preis bietet einen recht hohen Kontrastumfang und aufgrund der dezent entsättigten Farben einen etwas kühlen, unnahbaren Look. Die schnellen Bewegungen während der Radrennszenen verwischen bisweilen etwas, stille und ruhige Szenen glänzen indes mit einer hervorragenden Detailtiefe (81’05). Eine nur ganz leichte Körnung lässt sich auf uniformen Hintergründen zwar ausmachen, wirkt aber recht filmisch. Bildfehler, Drop-outs oder ähnliches weist die Blu-ray nicht auf. Die Archivaufnahmen fallen qualitatit natürlich (bewusst) ab.
Akustisch fallen vor allem die Soundeffekte während der vorbeiflitzenden Fahrräder auf. Auch die atmosphärischen Szenen während der kleinen Etappenaufnahmen (Kuhglocken) gelingen räumlich. Ansonsten bietet The Program – Um jeden Preis nur selten Anlass für großartige Effektgewitter oder gar dynamische Attacken. Selbst die Filmmusik und ein mal über die Köpfe fliegender Hubschrauber bleiben eher unspektakulär.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Program – Um jeden Preis gibt’s zunächst ein achtminütiges Featurette, über „Den Journalist David Walsh“. Walsh erzählt, wie er Armstrong erstmals kennenlernte und beschreibt, dass der Rennfahrer im Prinzip Opfer des Systems wurde, indem er einfach nicht akzeptieren wollte, dass andere, die mit dem Doping angefangen haben, immer vornewegfahren würden. In „Die Verwandlung“ wird geschildert, durch welche Fahrradausbildungsschule Ben Foster ging, um möglichst genau wie Armstrong auf dem Rad zu wirken (was am Ende herausragend gelang). Das Behind the Scenes läuft nur drei Minuten und ist nicht so wirklich informativ. Das Making-of tut es dem leider gleich und schneidet während der gerade mal vier Minuten einige Szenen des Films zu einem deutschen Kommentar zusammen. In den abschließend enthaltenen sieben Interviews kommen sowohl die Darsteller als auch Regisseur Frears und Walsh selbst zu Wort. Allerdings fallen die Kommentarschnipsel relativ gering aus.

Fazit

The Program – Um jeden Preis zeigt einen beeindruckenden Ben Foster, der Lance Armstrong wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Frears zeigt aber auch, wie vergiftet die Radrenn-Szene zu dieser war und wie schnell man in einen Strudel aus Lügen und Illegalität rutschen konnte – ein Film, der gleichzeitig wichtig und unterhaltsam ist.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 30%
Film: 70%

Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Ben Foster, Chris O’Dowd, Guillaume Canet, Jesse Plemons, Denis Ménochet, Lee Pace, Edward Hogg, Dustin Hoffman, Elaine Cassidy, Laura Donnelly
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 103
Codec: AVC
FSK: 6

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