The Quake – Das große Beben

Blu-ray Review

Universum Film, 22.11.2019

OT: Skjelvet

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Vom Regen in die Traufe

Ein weiteres Mal muss eine norwegische Familie eine Naturkatastrophe durchstehen.

Inhalt

Es ist vier Jahre her, dass eine durch ein tsunamiartige Flutwelle im Geirangerfjord 248 Menschen das Leben kostete. In all dem Unglück kristallisierte sich Kristian Eikjord als Held heraus. Der Familienvater schaffte es nicht nur, seine Kinder und Ehefrau in dem Chaos zusammen zu halten. Nein, seine frühe Warnung sorgte zumindest dafür, dass nicht noch weit mehr Menschen starben. Doch die Zeit heilt keine Wunden – schon gar nicht die psychischen von Kristian. Denn er macht sich noch heute Vorwürfe, dass er nicht energischer auf eine Evakuierung gepocht hatte. Über diesen Frust konnte er auch das Zusammenleben mit seiner Frau Idun nicht halten, weshalb sie mit den Kindern nach Oslo zog. Als Julia ihn besucht, findet sie ein Zimmer, in dem Kristian Zeitungsartikel und Fakten der damaligen Flutwelle an die Wand geheftet hat. Als Julia ihn damit konfrontiert, geht er auf Abstand und schickt sie wieder heim. Kurz darauf erfährt Kristian vom Tod eines Kollegen im Oslofjord-Tunnel. Als er in die Stadt reist, um die Umstände des Todes zu ergründen, stößt er auf dessen Arbeiten im Umgang mit seismologischen Tätigkeiten rund um Oslo. Weitere Nachforschungen verschaffen ihm das ungute Gefühl, dass ein Erdbeben auf die Hauptstadt zukommen könnte. Und zwar eins, das mehr als doppelt so stark ist wie jenes von 1904 …

Norwegischen Filmemachern gehört der November 2019. Neben Espen Sandbers Amundsen meldet sich nun John Andreas Andersen mit The Quake zu Wort. Und auf dessen Idee muss man erst einmal kommen: Denn hier schickt der Regisseur ein und dieselbe Familie erneut in ein episches Untergangsszenario, nachdem diese drei Jahre zuvor die Todeswelle aus The Wave überlebt hatte.
Jetzt muss man sagen, dass The Wave seinerzeit ein absolut fesselnder und packender Überlebensthriller mit erstaunlich wirksamen Effekten und einer sehr guten Charakterzeichnung gewesen ist. Der Film demonstrierte eindrucksvoll, dass gute Katastrophenfilme mitnichten nur in den USA gemacht werden.
Das Ganze aber fortzusetzen und nun ein Erdbeben zu inszenieren (auch wenn es in der Osloer Gegend etwas unwahrscheinlicher anmutet, wo doch zuletzt 1904 ein eher schwächeres Beben stattfand), klingt erst einmal nach hanebüchenem Unsinn.
Doch man täuscht sich, wenn man hier einfach nur unrealistischen Action-Quark nach Dwayne-Johnson-Muster vermutet. Denn schon The Wave nutzte das Katastrophenszenario lediglich, um einen bissigen Kommentar auf die Umweltzerstörung zu geben und im Vordergrund noch ein Familiendrama zu erzählen. Eines, das von starken Schauspielleistungen geprägt war und durchaus unbequeme Entscheidungen präsentierte.

Nun wechselt man also von der Naturgegend der Fjorde in die große Stadt und damit ändern sich auch Atmosphäre und Setting grundlegend. Zudem muss der Zuschauer (wie Kristian auch) damit umgehen, dass die Familie, die durch die Ereignisse am Geirangerfjord wieder zusammen gefunden hatte, nun offenbar unvereinbar getrennt wirkt. Erneut entfaltet sich also vor dem Hintergrund einer Naturkatastrophe auch ein menschliches Drama. Kristian wirkt noch viel deprimierter und ist von seinen Schuldgefühlen zerfressen. Als er merkt, dass erneut eine Katastrophe droht, setzt er nicht nur alles daran, seine Familie zu retten, sondern möchte am liebsten die ganze Stadt persönlich vor den kommenden Ereignissen warnen, um endlich seine persönliche Absolution zu erhalten.
The Quake vermischt ebenso gekonnt wie The Wave die persönlichen Dramen mit den actionreichen und immens spannenden Katastrophen-Szenen. Nach klassischem Muster baut Andersen das Szenario auf und lässt sich mit Analysen und Recherche-Arbeit Kristians genug Zeit, damit der Zuschauer die Bedrohung greifen kann. Gut 70 Minuten dauert es, bis die Naturgewalten dann zuschlagen und von den VFX-Künstlern ganze Arbeit verlangen. Die zeigt sich gegenüber dem Vorgänger nochmals verbessert und muss den Vergleich mit US-Produktionen nicht scheuen. Wenn Häuser in sich zusammen fallen und die Erde aufbricht, ist das weit entfernt von billigem Sci-Fi-Trash aus dem Hause Asylum. Und es ist wirkungsvoll inszeniert. Gerade beim Bewältigen der Probleme nach dem Beben ist die Spannung kontinuierlich hoch – vor allem, wenn Julia und Marit im zusammenbrechenden Hotel-Obergeschoss nach letzten Strohhalmen greifen müssen. Schade ist nur, dass die Figur der Idun nicht so zur Geltung kommt wie im Vorgänger. Ane Dahl Torp hatte dort noch für die eindrücklichsten Momente gesorgt.

Bild- und Tonqualität

The Quake punktet mit einem recht sauberen und stabilen Bild, das eine Körnung nur in den sehr dunklen Szenen offenbart. Ansonsten sind gerade Close-ups wirklich gut aufgelöst und scharf. Die Kontrastgebung ist etwas verhaltener, da die Farben eher in einem herbstlich gedeckten Ton bleiben. Grau-, Braun- und Blautöne dominieren das Setting und insgesamt wirkt es etwas aufgehellt. Schwarzwerte hätten deshalb noch etwas knackiger sein dürfen.
Akustisch beginnt The Quake erst einmal verhalten und konzentriert sich auf den melancholisch-traurigen Score sowie die Dialoge (die leider im Falle von Julia etwas ungelenk synchronisiert sind). Doch hier und da gibt’s schon mal ein bisschen Einstimmung auf die spätere Action, wenn der Subwoofer beim Zuschlagen der Fährenöffnung eingreift oder einen vorbeifahrenden Lieferwagen im Tunnel mit echter Dynamik begleitet. Auch das erste Grollen des Bebens nach 15’40 stimmt auf entsprechende Momente ein. Klasse ist das dumpfe, unterirdisch wirkende Gluksen während Kristians Recherche im Tunnel (ab 42’00). Hier fühlt man sich mittendrin, in der klaustrophobischen Enge des Geschehens. Nach etwas über eine Stunde geht’s dann los. Zunächst dominieren die Sirenen und Alarmglocken. Ein entferntes Grollen verkündet das Unheil und dann reißt nach 72 Minuten der Boden auf. Scheiben zerspringen und landen krachend auf den Protagonisten. Der Score steigert sich zu einem dynamischen Inferno und immer wieder bröckelt es von Gebäuden. Zwar fehlt hier die letzte Vehemenz nach hollywood’schem Muster, doch dynamisch ist das durchaus.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial hält zwei kurze Featurettes parat. Eins stellt die genutzten VFX in ihrem Aufbau dar und zeigt, wie man die Schäden des Erdbebens realisierte. Das Zweite kümmert sich ums Produktionsdesign und gibt einen Zeitrafferblick auf die Erbauung des Gebäudes, das vom Erdbeben getroffen wird und durch entsprechende Shaker im Boden bewegt werden konnte.

Fazit

The Quake zeigt erneut, dass sich skandinavisches Kino auch im Katastrophen-Bereich keineswegs vor Hollywood verstecken muss. Man sollte allerdings nicht den Fehler machen und eine Art europäisches San Andreas erwarten. Hier geht’s nicht nur ums Kaputtmachen, sondern vor allem um die Tiefe der Charaktere – mithin also genau um das, was bei den meisten US-Produktionen schmerzlich vermisst. Schade ist nur, dass Ane Dahl Torp als Idun kaum zeigen darf, was für eine starke Figur die zweifache Mutter ist. Gegenüber The Wave ist ihre Rolle leider ziemlich reduziert.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 20%
Film: 70%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Norwegen 2018
Regie: John Andreas Andersen
Darsteller: Kristoffer Joner, Ane Dahl Torp, Edith Haagenrud-Sande, Kathrine Thorborg Johansen, Jonas Hoff Oftebro, Stig Amdam
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, nw
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 108
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universum Film)

Trailer zu The Quake

The Quake - Das große Beben - Trailer (deutsch/german)

 

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David Zirwes

Wie kann ein „San Andreas“ durchweg gute Bewertungen (nicht Rezensionen!) bekommen, „The Quake“ aber nicht?

„The Quake“ macht ALLES besser, als ein „San Andreas“. Die Figuren sind glaubhafter; den Charakteren wird mehr Raum gegeben, sich zu entwickeln; die Action-Szenen wirken weitaus realistischer als in Hollywood; der Soundtrack ist emotionaler; kein Über-The-Rock; keine kitschige Schulze; kein Patriotismus;…

Ich glaube, die meisten wolle nur noch berieselt werden.

Mich hat der Film weitaus mehr begeistert und mitgenommen als der komplette auf Action und maßlose Übertreibung gebürstete Kram aus Hollywood in den letzten Jahren. Was in „The Day after Tomorrow“ noch irgendwie unterhaltsam war, hat in „2012“ seine absolute Glaubwürdigkeit verloren.

„The Wave“ hab‘ ich noch nicht gesehen. Werde ich aber nachholen. Ist bestellt.

Danke für die Rezension.

Kisi

Optisch fand ich “ The Wave “ sehr gut für einen Ausländichen Film. Diesen schaue ich mir auch an.

ondy

War mir zu langweilig. Gute effekte am ende vom film aber bis mal etwas spannung aufkommt hat man schon die lusst am film verloren.