The Revenant – Der Rückkehrer

Blu-ray Review

The Revenant - Der Rückkehrer Blu-ray Review Cover
20th Century Fox, seit 19.05.2016

OT: The Revenant

 


Überlebenskampf

Warum Leonardo DiCaprio in The Revenant seine stärkste Schauspielleistung bisher abgegeben hat …

Inhalt

Nachdem Fährtensucher Hugh Glass mit seiner Truppe jagender Trapper von amerikanischen Ureinwohnern überfallen wurde, gelingt es nur wenigen der Pelzsammler, ihre Ware oder gar ihr Leben zu retten. Glass und der ruppige John Fitzgerald schaffen es auf ein Boot und können sich zunächst in Sicherheit bringen. Doch der Fluss ist der denkbar schlechteste Fluchtweg, weshalb man auf Glass‘ Anraten und sehr zum Unwillen von Fitzgerald das Schiffchen zurücklässt und den Weg durch das Land wählt. Kaum mit dem langen Marsch begonnen, wird ausgerechnet Glass von einem Grizzly angefallen und schwerst verletzt. Da die Gruppe den beschwerlichen Weg durch den einsetzen Schnee und über Stock und Stein mit Hugh auf einer Trage nicht bewältigt, lässt man den Halbtoten mit dessen Pawnee-Sohn Hawk, Fitzgerald und dem jungen Jim Bridger zurück – zumindest solange, bis Glass von selbst dem Allämchtigen gegenübertritt. Doch als das nicht schnell genug passiert, beschließt Fitzgerald nachzuhelfen. Natürlich nicht, ohne zuvor den verhassten Pawnee vor Glass‘ Augen zu töten. Lebendig begraben, ist es nur der eiserne Überlebenswille Hughs, der ihn sich ausbuddeln und vorwärts kriechen lässt. Nach und nach kommt er zu Kräften und trotzt den Gefahren, die auf ihn lauern – immer ein Ziel vor Augen: Rache an Fitzgerald zu üben …

Im Vorfeld der 88th Annual Academy Awards wurde fast ausschließlich von Leonardo DiCaprio gesprochen, der nun, mit seiner fünften! Nominierung als bester Schauspieler doch endlich mal zum Zuge kommen sollte und den Oscar gewinnen müsste. Darüber wurde fast ein wenig vergessen, dass der Film, dem er die neuerliche Aufstellung verdankte, ganze 12 Nominierungen einheimsen konnte. Unter anderem auch für Alejandro González Iñárritu als bestem Regisseur. Sollte dies geschehen, wäre die Sensation umso größer, hatte der gebürtige Mexikaner doch im Jahr zuvor schon die Trophäe für Birdman, oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit erhalten. Und tatsächlich: The Revenant – Der Rückkehrer gewann bis auf die Kategorie „Bester Film“ alle wichtigen Bereiche, in denen er nominiert worden war. DiCaprio bekam den Oscar ebenso wie sein Regisseur.
Warum Iñárritu vollkommen verdient zum zweiten Mal nacheinander ausgezeichnet wurde, weiß man als Zuschauer bereits nach knapp neun Minuten: Wie er während des Angriffs der Native Americans auf das Trapper-Camp fließend von einer Tat zur nächsten schwenkt und die Kamera dabei ohne Schnitt immer am jeweiligen Akteur bleibt – das ist großes Kino. Und erklärt ganz nebenbei, warum nicht nur der Regisseur zum zweiten Mal nacheinander die begehrte Goldtrophäe gewonnen hat, sondern auch sein Kameramann Emmanuel Lubezki. Dessen Kameraführung ist schlichtweg sensationell und diese höchst eindringliche Sequenz erinnert nicht von Ungefähr an die Eröffnung von Soldat James Ryan. In ihrer fiebrigen Inszenierung und schonungslosen Gewaltdarstellung ähneln sich die Szenen sehr.
In den diese Szenen kontrastierenden poetischen Momenten der Rückblicke/Visionnen orientieren sich Lubezki und Iñárritu hingegen sichtbar an Terrence Malick, ohne dass diese Sequenzen zum Selbstzweck verkommen, wie’s bei Malick selbst zuletzt der Fall gewesen ist.

Rein inhaltlich mag The Revenant (der auf wahren Begebenheiten beruht und dessen Story-Grundlage im 1971er Ein Mann in der Wildnis mit Richard Harris schon einmal aufgegriffen wurde) noch verhältnismäßig simpel sein, doch der mexikanische Regisseur holt das Maximum an Emotionalität aus seiner Rachestory heraus und ihm gelingt dabei sogar noch ein weiteres Kunststück: Was die klassischen Western Hollywoods verschwiegen oder romantisierten und in Retro-Western der Jahrtausendwende nicht immer glücklich reflektiert wurde, ist essentieller Bestandteil in Iñárritus Film: Die Integration des Unrechts, das den einheimischen Stämmen der Ureinwohner Amerikas angetan wurde. Nicht nur gibt er dem vermeintlich aggressiven Stamm der Ree, die zu Beginn die Trapper überfallen, ein (tragisches) Gesicht, lässt er weite Teile, in denen eben diese Darsteller zu Wort kommen, in deren urtümlicher Sprache stattfinden. Die Tatsache, dass Glass einen Pawnee-Sohn hat, für den er überhaupt erst seinen Vergeltungsfeldzug startet, verstärkt das Plädoyer für den differenzierten Umgang mit den einheimischen Völkern Amerikas noch mehr. Wie sehr es auch DiCaprio ein Anliegen ist, seine Stimme für die Nachkommen dieser Völker zu erheben, zeigt seine flammende Rede nach dem Gewinn des Golden Globes, in der er sagte, dass es „… Zeit sei, ihre Stimme zu hören …“. Apropos Golden Globe, bzw. Oscar – wie gut ist Leo denn nun wirklich? Ohne den Hauch einer Übertreibung: Hätte er beide Statuen nicht gewonnen, wäre das der blanke Hohn gewesen. Alleine seine gut fünfminütige Auseinandersetzung mit dem Bär hätte ausgereicht, um Globe und Goldjunge mit nach Hause zu nehmen. Ohnehin ist diese Szene das Intensivste, was man in Sachen Tierangriff jemals im Kino zu sehen bekam – und das liegt nicht nur am außerordentlich gut animierten Grizzly (im Gegensatz zu den später auftauchenden, arg staksig laufenden Büffeln). Vor allem ist es die schonungslose Darstellung des Kampfes, die von atemberaubender Kraft ist. Die Aktionen des Bären wirken absolut realistisch und DiCaprios verzweifelte Versuche, sein Leben zu behalten (egal, wie sehr er sich dafür quälen oder im Dreck wälzen muss) sind von atemberaubender Kraft. Schon bis hierhin ist The Revenant von einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Und trotz seiner Gesamtlaufzeit von 156 Minuten bleibt das bis zur letzten Einstellung so. Selbst wenn man von der Geschichte im Umfeld des Kinostarts schon ewas gehört hat, ahnt man nicht, dass es gut 60 Minuten dauert, bis Hugh Glass, von allen zurückgelassen, wieder Leben in die Adern bekommt und sich auf den schweren Weg mit Ziel Fitzgerald macht. Es ist aber weder bis dorthin noch von da aus in irgendeiner Form langweilig oder zähflüssig – ganz im Gegenteil.
Dass DiCaprio mit seiner beeindruckender Leistung nicht einmal alleine ist, sondern von ebenfalls hervorragenden Nebendarstellern flankiert wird, ist ein weiteres Verdienst von The Revenant. Als Glass‘ Sohn Hawk besetzte man mit Forrest Goodluck einen direkten Nachfahren amerikanischer Ureinwohner in dessen erster Langfilmrolle. Damit bewies man ein glückliches Händchen, denn der Junge spielt hervorragend. Tom Hardy als Fitzgerald fügt seiner Vita einen ausgemachten Fiesling hinzu, dessen selbstsüchtiges und skrupelloses Handeln erst die Grundlage für Glass‘ Rache darstellt. Auch Hardy überzeugt und demonstriert (nach The Drop und Legend) erneut, dass man ihn aktuell als Allzweckwaffe einsetzen kann.

Bild- und Tonqualität

Beim Bild von The Revenant setzt Iñárritu auf möglichst realistische Ausleuchtung und verzichtet weitgehend auf künstliche Lichtquellen. Das macht den Film zwar grundlegend etwas dunkel, aber eben nicht zu düster. Selbst wenn als Beleuchtung „nur“ ein Lagerfeuer dient, lassen sich Details in Gesichtern außerordentlich gut erkennen (33’50). Die Kontrastgebung funktioniert gut, wenngleich in hellen Szenen (Kapitel 7) dem Schwarz ein wenig an Punch fehlt. Eine wunderschöne Detailtiefe liefern Landschaftsaufnahmen wie die des zugefrorenen Sees zu Beginn von Kapitel 8 (44’02) – eine Aufnahme, die geschaffen scheint für die UHD-Fassung des Films, die zeitgleich erscheint. Eine nur ganz geringe Neigung zu Filmkorn nimmt selbst während der Nachtaufnahmen nicht zu und bleibt stets unauffällig. Die Laufruhe ist ansonsten vorbildlich.

Wie bei Anbieter Fox in letzter Zeit grundsätzlich üblich, bekommt auch The Revenant – Der Rückkehrer keinen verlustfreien deutschen Ton spendiert. Gegenüber der 7.1-dts-HD-Master-Abmischung des Originals muss der hiesige Filmfan mit regulärem dts in 5.1 auskommen. Ärgerlich ist das allemal, wenn man bedenkt, dass es seit neun Jahren hochauflösende Tonformate auf Blu-ray gibt und man parallel bereits eine UHD-Fassung des Films bekommt. Offenbar wird der Tonqualität hierzulande bei den großen Verleihen/Anbietern keine gesteigerte Bedeutung beigemessen – schade. Glücklicherweise liefert 20th Century Fox beständig sehr gute dts-Tonspuren, weshalb schon der plätschernde Fluss zu Beginn über beide Sprachvarianten äußerst lebhaft und räumlich durchs Heimkino fließt. Im Hintergrund hört man einen Specht und fühlt sich beinahe mitten im Wald. Was müsste das für eine großartige Dolby-Atmos-Spur sein. Wenn dann nach viereinhalb Minuten der erste Schuss die Stille zerreißt, hallt es noch sekundenlang wider, was für eine außerordentliche Authentizität sorgt. Der erstmals vehement einsetzende Filmscore wird von druckvollen Trommeln eingeläutet, die wuchtig im Heimkino landen. Auch die darauf folgenden Kämpfe mit den amerikanischen Ureinwohnern und das Pferdegetrampel sorgen für Gänsehaut – schon alleine aufgrund der umherzischenden Pfeile, die mit direktional gerichteten Effekten in die Körper eindringen. Manchmal allerdings sind es vor allem die leisen Szenen, die nur mit wenigen Geräuschen belegt wurden und im krassem Kontrast zu dynamischen Attacken stehen. So schüttet sich der Wasserfall bei 52’35 noch mit Hektolitern pro Sekunde druckvoll ins Heimkino und wird kurz darauf von einer Stille abgelöst, die nur durch ein leises Bewegen der Äste oder ein Knacksen hier und ein Rieseln dort unterbrochen wird. Es sind gerade diese stillen Momente, die den Sound von The Revenant außergewöhnlich werden lassen. Wenngleich der mit fiebrigen Percussion-Instrumenten unterlegte Showdown dann völlig aus den Socken haut – man darf gerne eine Gänsehaut bekommen, wenn der Schuss aus dem Gewehr die Rinde vom Baum fetzt.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von The Revenant – Der Rückkehrer ist sehr übersichtlich geraten. Neben einer Bildergalerie gibt es einzig das Feature „A World Unseen“. Der 40-minütige Film, der von Eliot Rausch inszeniert und montiert wurde, fügt Making-of-Sequenzen zu Kommentaren von Regisseur Iñárritu hinzu. Der wiederum sitzt vor einer Leinwand, die unerwartete Momente vom Dreh wiedergibt, die auch Iñárritu selbst noch nicht gesehen hat. „A World Unseen“ beschreibt die strapziösen Dreharbeiten ebenso wie den Bezug zur historischen Akkuranz, was die Schilderung der Native American People und deren Kultur im Film angeht. Der zweifach oscarprämierte Regisseur erzählt sehr eindrücklich von seinen Gefühlen und der Situation, in der er sich vor den Dreharbeiten befand. Ebenso wie der Film selbst, ist diese Dokumentation, fernab eines sonst üblichen Making-of, sehr spirituell und andächtig geraten – unbedingte Empfehlung.

Fazit

The Revenant – Der Rückkehrer ist episches Kino von emotionaler Wucht und einer schauspielerischen Kraft, die dem Zuschauer in dieser Form lange nicht mehr geboten wurde. DiCaprio spielt um sein Leben und frisst dabei Dreck, Schnee, Eingeweide oder rohe Fische. Lubezkis Kameraarbeit ist phänomenal und die Geschichte reißt emotional mit – viel mehr kann Kino kaum erreichen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 90%
Tonqualität (Originalversion): 90%
Bonusmaterial: 70%
Film: 90%

Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Alejandro González Iñárritu
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Will Poulter, Domhnall Gleeson, Forrest Goodluck, Paul Anderson, Kristoffer Joner, Lukas Haas
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 156
Codec: AVC
FSK: 16

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