The Sacrament

Blu-ray Review

The Sacrament Blu-ray Review
Highlight Communications, seit 06.11.2014

OT: The Sacrament

 


Vaterfigur

Ti West schildert in seinem ersten Nicht-Horror-Film eine Variante des Jonestown-Massensuizids.

Inhalt

Patrick ist Modefotograf für Vice, ein Multimedia-Unternehmen, das gerne provokante Informationen vermittelt und damit weltweit für Furore sorgt. Als er erfährt, dass seine Schwester Caroline sich nach einer Drogen-Entzugskur in eine Glaubensgemeinschaft verkrümelt hat, die auf irgendeiner Insel unter sich ist. Gemeisam mit dem Korrespondenten Sam und einem Kameramann nimmt Patrick die Einladung an, dort einen Besuch zu absolvieren. An den Toren der „Gemeinschaft Eden“ begegnet man dem Filmteam zwar noch mit Argwohn und Maschinengewehren, doch nach einer kurzen Klärung ist auch die Kamera willkommen. Die Bewohner erscheinen freundlich, aufgeschlossen und ausgeglichen. In der Kommune wird autark gelebt, jeder packt an und spendet natürlich auch sein ganzes Geld. Es gibt keine Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß, soziale Ungerechtigkeiten sind ausgemerzt und über allem steht der Organisator und Kopf der Gemeinschaft, der von allen nur „Vater“ genannt und wie ein solcher geliebt wird – es scheint das Paradies auf Erden zu sein. Caroline gelingt es, ein Interview zu arrangieren, das vor der kompletten Gemeinde stattfindet. Charles Anderson Reed, wie „Vater“ bürgerlich heißt, offenbart sich dabei als redegewandter, sozial eingestellter Vertreter eines gelebten Pazifismus – nun ja, abgesehen von den bewaffneten Wächtern, die den leicht paranoiden Reed vor der bösen bösen Außwenwelt beschützen sollen. Während Sam langsam zu glauben scheint, dass in „Eden“ alles zauberhaft ist, drückt ihm ein kleines Mädchen einen Zettel mit der Aufschrift: „Bitte helft uns!“ in die Hand. Von dem Moment an gerät in der Gmeinschaft Eden alles außer Kontrolle …

Von Guyana auf irgendeine Fantasie-Insel – Ti West bedient sich der ebenso berüchtigten wie bedrückenden Geschichte des Jonestown-Massen-Suizids, bei dem die Glaubensgemeinschaft von „Father“ Jim Jones im November 1978 in dem Staat an der südamerikanischen Atlantikküste gemeinschaftlichen Selbstmord beging, dem über 900 Menschen zum Opfer fielen. The Sacrament nutzt dabei das Prinzip des Found-Footage. Das mag zwar mittlerweile arg abgegriffen erscheinen, funktioniert aber hier ganz hervorragend. Ein Großteil der sukzessiv aufgebauten Spannung wird vor allem durch die Fake-Doku-Sichtweise generiert. Kennt man den Hintergrund, auf dem die Geschichte basiert, schnürt es einem von Beginn an mehr und mehr den Magen zu. Anfänglich sind es nur kleine Details, die den Weg für die späte Katastrophe ebnen; kleine Unebenheiten, die eine Stimmung des Friedens und des gegenseitigen Verständnisses zu stören scheinen. Im sinne dieser Details baut Ti West (Cabin Fever 2, The Innkeepers) seinen Film und die Geschichte gemächlich auf, konzentriert sich auf die Hauptfiguren und setzt einen ersten Höhepunkt nach knapp 40 Minuten, als er erstmals den Vater auftreten lässt. Das Interview, dessen Führung das Gemeindeoberhaupt praktisch mühelos an sich reißt, wird vor allem aufgrund der sensationellen Performance durch Gene Jones zu einem Gänsehaut-Erlebnis.

Man spürt bereits, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird und mit jeder von da an fortschreitenden Minute, zieht The Sacrament den Zuschauer mehr und mehr in den Bann. Während des knapp halbstündigen Finales gelingt es Ti West mit Bildern und den beschwörenden Formeln des „Vaters“, eine Wirkung zu erzeugen, die noch lange nach dem Abspann anhält und die einige Szenen bereithält, welche auf den Magen schlagen. Dabei braucht der bisher als talentierter Horrorfilmer bekannt gewordene Regisseur nicht mal sonderlich stark in den Blut-Topf zu greifen, sondern nutzt die schockierende Sogwirkung einer verbohrten Ideologie, die in den Abgrund führt. Natürlich ist The Sacrament auch deshalb so stark, weil er auf wahren Begebenheiten beruht. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn in einzelnen Details ist das Anliegen des Sektenführers Reed, bzw. dessen echten Vorbilds Jones, ja ehrenhaft. Das Ideal einer Gemeinschaft, in der alle gleichberechtigt erscheinen und in der man sich autark verwaltet, muss ja nicht zwingend schlecht sein. Wenn das Ganze aber von einem totalitären und machtbesessenen Paranoiden inszeniert wird, dessen gesamte Organisationsstruktur auf Scheinheiligkeit basiert, werden Ideale zu Zwängen. Dieser Zwiespalt wird in Wests Film vor allem durch Reed-Darsteller Gene Jones dargestellt, dessen Performance erinnerungswürdig ist.

Bild- und Tonqualität

Die Tatsache, dass das Bild von The Sacrament hell und etwas kontrastschwach daherkommt, unterstützt den Found-Footage-Stil. Auch die Schärfe bleibt, Nahaufnahmen ausgenommen, eher durchschnittlich. Häufig überstrahlt die Sonne die Szenerie und Farben sind nicht immer natürlich.
Der Ton in The Sacrament nutzt beim Helikopter-Anflug zu Beginn die Surrounds, nimmt sich dann aber wieder zurück und konzentriert sich auf die Stimmwiedergabe über den Center. Das bleibt prinzipiell dauerhaft so, bis zum Ende auch mal die Waffen sprechen. Während sich die deutsche und englische Tonspur soundtechnisch nicht unterscheiden, ist der Orignalfassung in Sachen Authentizität (gerade bei den Reden des „Vaters“) auf jeden Fall der Vorzug zu geben.

Bonusmaterial

Hier macht sich leider Enttäuschung breit. Wo man sich ein Feature über die Ümstände des Jonestown-Massensuizids gewünscht hätte, hält das Bonusmaterial von The Sacrament lediglich die Trailer zum Film bereit.

Fazit

The Sacrament ist ein beängstigend guter Film, der durch den Found-Footage-Fake-Doku-Stil noch intensiver wird und dessen Hauptdarsteller dermaßen überzeugend ist, dass es einem kalt den Rücken runter läuft.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 65%

Bonusmaterial: 10%
Film: 85%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Ti West
Darsteller: Joe Swanberg, AJ Bowen, Amy Seimetz, Kentucker Audley, Gene Jones
Tonformate: dts HD-High-Resolution 5.1: de, en // Dolby Digital 2.0: de
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 99
Codec: AVC
FSK: 16

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