The Smell of us

Blu-ray Review

The Smell of us Blu-ray Review Cover
Capelight Pictures, 23.02.2018

OT: The Smell of us

 


Kids in Paris

Larry Clarks jüngstes Werk nimmt die Geschichte von „Kids“ wieder auf.

Inhalt

Mit ihren Skateboards springen sie über den am Boden seinen Rausch ausschlafenden Obdachlosen. Sie treten ihn mit Füßen und verhöhnen ihn. Die Jugendlichen in Paris sind respektlos, frech und kennen nichts außer ihrem Hedonismus. Sex wird direkt in der Öffentlichkeit praktiziert, während die Kumpels gelangweilt daneben sitzen. Und weil die Kohle für den nächsten Schuss oder die Flasche Whiskey langsam ausgeht, denkt man über alternative Geld-Beschaffungsmaßnahmen nach. Die findet man im Internet. Immerhin sind junge Callboys gefragt. Doch je öfter man Kunden bedient, desto abgestumpfter wird man. Außerdem riskiert man seine Gesundheit und die der Freundinnen gleich mit. Zudem hinterlassen die Erniedrigungen, die die Jungs über sich ergehen lassen, ihre Spuren auf den jungen Seelen …

Larry Clark – Fotograf von Weltformat und Skandal-Regisseur. Was vor über 20 Jahren mit Kids begann und mit Bully und Ken Park seine Fortsetzung fand, wechselt nun im Schauplatz. So nimmt sich Clark im bereits 2014 entstandenen und während der 71. Ausgabe der Filmfestspiele in Venedig uraufgeführten The Smell of Us der französischen Jugend an und zeigt, dass er immer noch ein Faible dafür hat, die Geschichten von jungen Menschen zu erzählen. Vornehmlich solcher, die sich über Sex und Drogen definieren. Wie üblich scheut sich der Filmemacher nicht vor eindeutigen und schmuddeligen Aufnahmen. Mehr als in seinen bisherigen Filmen wirkt das Geschehen in The Smell of Us aber fragmentarisch und episodenhaft. Die Kamera springt von Ereignis zu Ereignis, folgt den Protagonisten bei ebenso belanglosen wie dramatischen Dingen und bemüht sich um eine artifizielle Stilisierung. So vermeidet Clark bspw. während der ersten Sex-Szene allzu explizite Einstellungen, indem er vorgibt, mit Handy-Kameras zu filmen, die (Überraschung) nur verpixelte Bilder zeigen. Das ist zwar unlogisch, funktioniert aber im Sinne der Geschichte. Man kann über den Regisseur und Ex-Junkie denken was man möchte und auch irgendwie anrüchig finden, dass er immer wieder junge Körper so offensiv in Szene setzt – mit seinem Erstling Kids allerdings hatte er den Finger tief in einer Wunde, die noch nicht einmal entstanden war. Und als die Realität auch die damaligen Schauspieler einholte (einer der Darsteller erhängte sich, ein anderer starb an einer Überdosis), war klar, dass Clarks Porträts keineswegs entrückt waren oder sind.

Sicher: Das, was vor 20 Jahren aktuell war, ist im Zeitalter von Smartphone & Co. nicht mehr zwingend brisant. Aber vielleicht ist es gerade deshalb Zeit, noch mal drauf aufmerksam zu machen. HIV, damals ein Hauptthema in Kids, sollte auch heute noch beachtet werden. Alkoholismus und Drogenkonsum unter Jugendlichen – alles Dinge, die nicht wegzudiskutieren sind, über die aber sonst niemand wirlich sprechen will. Larry Clark tut es – auch wenn’s weh tut und wahrlich nicht schön anzusehen ist. Auch in The Smell of Us sind die Sexszenen kaum lieblich inszeniert – leidenschaftlich vielleicht noch, aber durchaus von einer borderlin’schen Aggressivität geprägt. Dazu kommt die allgegenwärtige Nutzung von Handys, sozialen Netzwerken und dem Internet (an dieser Stelle ist Clark dann doch in der Moderne angekommen), die zu weiterer Verrohung führt. Der Film ist routiniert genug inszeniert, dass man schnell versteht, worum es geht. Kalkulierte Aufreger wie der minutenlange Fußfetisch eines Kunden hätte es da überhaupt nicht gebraucht. In solchen Szenen wird man das Gefühl nicht ganz los, dass Clark auf etwas billige Weise provozieren möchte, um aufzurütteln. Da wirkt es schon eindringlicher, wenn Math wie versteinert vor der Konsole sitzt und auf das Anmachen seiner Freundin praktisch nicht reagiert – was auch das gelegentliche Kontrollieren seines Gemächts nicht ändert. Gestorben ist er innerlich mittlerweile ohnehin.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von The Smell of Us wird durch die meist eingesetzte Handkamera geprägt, die zwar immer nahe am Geschehen ist, aber vornehmlich grobkörnige, wenig scharfe und kontrastschwache Eindrücke liefert. Das vermittelt authentisch, was die Story ausdrückt und wirkt deshalb passend. Schön ist’s aber nicht.
Akustisch bleibt The Smell of Us trotz zahlreichem Musik-Einsatz verhältnismäßig frontlastig. Die Dialoge kommen in der deutschen Synchronfassung deutlicher und verständlicher rüber, sind im Original aber authentischer, wenn sie im Straßenlärm unterzugehen drohen.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von The Smell of Us liefert außer den Originaltrailern und einigen Prgrammtipps des Anbieters nichts weiter.

Fazit

The Smell of Us schockt heute nicht mehr so wie Kids vor 22 Jahren. Das bedeutet aber nicht, dass Larry Clarks vor drei Jahren entstandener Film weniger wichtig ist. Trotz fragmentarischer Erzählweise, trotz etwas rückwärts gewandter Bilder und wenig sorgfältiger Charakterisierung seiner Figuren ist The Smell of Us in Teilen wahrhaftiger als viele es wahrhaben wollen. Und den mutigen Darstellern gehört heute wie damals Respekt gezollt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%

Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: Frankreich 2014
Regie: Larry Clark
Darsteller: Lukas Ionesco, Diane Rouxel, Théo Cholbi, Hugo Behar-Thinieres, Ryan Ben Yaiche, Adrien Binh Doan, Larry Clark, Terin Maxime
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, fr
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu The Smell of us

Trailer THE SMELL OF US (Deutsch)

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