The Square

Blu-ray Review

The Square Blu-ray Review Cover
Alamode Film / AL!VE AG, 23.03.2018

OT: The Square

 


Kätzchen und kleine Kinder

In Ruben Östlunds oscarnominierter Gesellschaftssatire darf Kunst alles.

Inhalt

The Square Blu-ray Review Szene 1
Christian gibt Interviews für kunstinteressierte Medien

Christian ist Kurator für ein Museum der modernen Kunst in Stockholm. Ein Trickbetrug mitten auf einem belebten Platz bringt ihn um sein Handy. Was ihn zunächst schockiert, fordert den eitlen Kerl in ihm bald heraus. Es gelingt ihm, das Smartphone zu tracken und in eine bestimmte Gegend zurück zu verfolgen. Mit einem Drohbrief, den er überall in der Gegend verteilt, schafft er es, das Telefon wieder zu beschaffen. Doch das löst ebenso eine Kettenreaktion negativer Ereignisse aus, wie seine kurze Affäre mit der Journalistin Anne und die kontroverse Werbekampagne für ein neues Kunstwerk namens „The Square“. Bald schon reagiert das Chaos um Christian herum …

The Square Blu-ray Review Szene 5
Die Idee, das Handy zurück zu bekommen

The Square wurde bei den gerade vergangenen Oscars© mit einer Nominierung für für den besten Auslandsfilm geehrt und ist Träger der Goldenen Palme von Cannes – hochdekoriert kommt sie also daher, die Gesellschafts- und Kunstsatire von Ruben Östlund, der vor drei Jahren in Höhere Gewalt ein Familiendrama vor dem Hintergrund einer Berglawine zum Ereignis machte. Schön dieser war mit 120 Minuten Länge durchaus ein Film, der Sitzfleisch erforderte, dafür aber mit entlarvenden Wahrheiten belohnte. Für The Square gilt das in einem noch stärkeren Ausmaß. Satte zweieinhalb Stunden Laufzeit muss man auch erst einmal zusammenschneiden, wenn es um das Thema Kunst geht. Doch weil Östlund ein Könner und ein Kenner der Szene ist, schafft er genau das. Und das vor allem schon durch fast beiläufige Szenen und Bilder. Wenn zu einer stimmakrobatischen Improvisation von Bobby McFerrin Arbeiter vor dem Kunstmuseum eine Reiterstatue demolieren, dann ist das ebenso ein beißender Kommentar wie die darauf folgende Situation, in der eine junge Frau vorbeilaufende Passanten fragt, ob sie ein Menschenleben retten wollen. Nichts Besonderes, wenn die Kamera nicht ihren Ausgangspunkt an einem auf der Straße liegenden Obdachlosen genommen hätte.
Auch die Szenen aus dem Museum atmen Kritik an der Arroganz von sogenannten Kunstkennern, wenn zwei Besucher einen eher uninteressierten Blick auf eine bestimmte Anzahl an Aschehaufen werfen, die in einem ansonsten leeren Raum aufgetürmt wurden und von einer Angestellten „bewacht“ werden. Geradezu sensationell ist die Szene, in der eine Pressekonferenz mit einem amerikanischen Künstler von einem Mann mit Tourette-Syndrom gesprengt wird. Da versucht die Interview-Partnerin konzentriert ihre abgehobenen Kunstkritiker-Fragen zu formulieren, während es aus dem Hintergrund „Fuck off“ oder „Zeig uns deine Titten!“ hineingerufen wird. Mehr und mehr entgleisen der Dame die Gesichtszüge, ohne dass sie sich wehren kann – immerhin will niemand einem Menschen mit dieser Krankheit vor die Tür setzen.

The Square Blu-ray Review Szene 6
Christian macht aus seiner jüngsten Erfahrung ein Kunstwerk

Es wird aber nicht nur gegen Kunst und Kunstkenner geätzt. Auch der ganz normale Mann von der Straße, mithin also wir, die Zuschauer, bekommen ihr Fett weg. The Square legt den Finger tief in die Wunde von gesellschaftlicher Oberflächlichkeit. Er hält uns den Spiegel vor, wie wir im Alltagstrott nichts anderes mehr im Sinn haben, als mit angelegten Scheuklappen die immer wieder gleichen Abläufe abzuspulen. Wir werden als Abhängige der sozialen Netzwerke porträtiert, deren Aufmerksamkeitsspanne für optische Eindrücke bei zwei Sekunden liegt – Ein Statement, vor diesem Hintergrund den Film dann auf 150 Minuten auszuweiten.
Auch kontroverse Werbemaßnahmen werden verhandelt – ebenso wie die drastischen Reaktionen auf dieselben. Die Presse kommt ebenfalls nicht gut weg, wenn sie Christian am Ende genauso Feigheit vorwirft, wie billige Effekthascherei.
Was The Square damit subtil verhandelt, ist der schmale Pfad, auf dem die Gesellschaft im 21. Jahrhundert wandelt. Die moderate Mitte wird wegeskaliert und durch Extreme an allen Rändern lauthals übertönt.
Östlund setzt seine Geschichte dabei geschickt zusammen und weiß, wie man Satire auf eine Weise inszeniert, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. So wirken die Bilder von kranken und gebrechlichen Obdachlosen vor dem Hintergrund der Diskussion über ein Kunstwerks wie „The Square“ bedrückend. Hat man zuvor noch über eine der klugen satirischen Gag geschmunzelt, ist es mit dem Lachen schlagartig vorbei und The Square zeigt die Welt, wie sie da draußen nun mal ist – abseits der teils aseptischen Kunst in Museen, die eine Atmosphäre wie eine Privatklinik verströmen.

The Square Blu-ray Review Szene 3
Christian erklärt seinen beiden Töchtern „The Square“

Die angesprochene Laufzeit ist dabei trotz der Tatsache, dass nicht einmal sonderlich viel passiert, gar kein Problem. Denn manche Momente (wie oben angesprochene Szene mit dem Tourette-Zwischenfall) benötigen einfach diese lange Zeit, um ihre Wirkung entfalten zu können. Tja, und dann gibt es ja auch noch den absurden Humor, den man auch einfach mal machen kann – hat man ja auch nicht alle Tage, dass einem Museumskurator beim One-Night-Stand ein ausgewachsener Schimpanse zuschaut. Weil der aber mit Malstift und Blatt Papier auf dem Sofa sitzt, ist auch das wieder ein (wenngleich etwas plakativer) Kommentar auf das Kunstgeschehen. Gleichwohl wie die Diskussion zwischen Christian und Anne über die Bedeutung ihrer gemeinsamen Nacht. Diese führen sie im Museum vor einer Installation, die in regelmäßigen Abständen einen Höllenlärm macht. Während die zwei Kontrahenten versuchen, leise zu sprechen, um niemanden aufmerksam zu machen, wird ihr banal wirkender Schlagabtausch von Kunst unterbrochen.
Außerdem wartet ja noch die Szene, die schon in Cannes für Aufsehen sorgte und die Terry Notary (Darsteller des King Kong in Kong: Skull Island) die Möglichkeit gibt, seine Motion-Capturing-Fähigkeiten einmal ohne aufanimiertes Fell- oder Orkkostüm zu demonstrieren. Wenn er einen Affen nachahmend die versammelte Sponsoren-Gesellschaft zu beschnuppern beginnt, sie an die eigenen animalischen Urinstinkte erinnert und dabei für mehr und mehr Aufruhr sorgt, dann ist das Performance-Kunst, die sich gleichzeitig selbst und die Gesellschaft kritisiert. Eine zehnminütige Sequenz, die auch den hartgesottenen Zuschauer zum Wegschauen bringen wird, weil man ihre Konsequenz kaum ertragen kann.
Das einzige Problem, das The Square hat (und dabei geht es ihm wie ähnlichen Filmen), ist sein Zielpublikum. Je subtiler, je intellektueller und je kunsthafter die Kritik ausformuliert wird, desto eher ist Östlunds Meisterwerk nur etwas für den Zuschauer, der ihn verstehen will. Deshalb wäre es umso lohnenswerter, sich auch als Mainstream-Konsument mal diese 150 Minuten Zeit zu nehmen und auf den Film einzulassen.

Bild- und Tonqualität

The Square Blu-ray Review Szene 2
Anne und Christian sind nicht einer Meinung, was die gemeinsame Nacht angeht

Das Bild von The Square liegt im Format 1,85:1 vor und punktet mit hohem Kontrastumfang ebenso wie mit lebhaften Farben, wo Farben genutzt werden. Helle Szenen sind zudem sehr ruhig und rauscharm, wirken äußerst plastisch. In dunklen Teilbereichen nimmt das Korn zu, ohne allerdings störende Ausmaße zu erreichen. Allerdings leidet die Durchzeichnung hier ein wenig. Die Schärfe ist vor allem im Zentrum sehr gut und lässt an den Rändern nicht ernsthaft nach – insgesamt ein sehr gutes Bild.
Die Beats des anfänglichen Disko-Sounds pumpen mit sattem Bass ins Heimkino – ungewöhnlich fett für eine dialoglastige Gesellschaftssatire. Vielversprechend fängt The Square also im Sinne der Akustik an. Da der Film ab und an zwischen deutscher Synchro und englischem Originalton wechselt, gibt es einen tonalen Unterschied. Zum einen wirkt die deutsche Sprache von Hauptdarsteller Claes Bang etwas ungelenk (der Däne synchronisierte sich selbst), zum anderen klingt das Sounddesign nicht so offen wie im Original – wohlgemerkt bezogen auf die Dialoge. Doch das ist letztlich nur ein kleiner Kritikpunkt, denn jede Musiksequenz kontert das Geschehen mit weitläufiger Räumlichkeit und Dynamik (Elektrobeats im Auto 31’40). Allerdings mit dem Manko, dass die Musik im Vergleich zu den Dialogen dann doch (vermutlich absichtlich) arg laut ist. Dafür sind die Umgebungsgeräusche sehr authentisch eingebettet. Herrlich losgelöst werden die Stimmvariationen von McFerrin wiedergegeben und scheinen wirklich schwerelos im Raum zu schweben.

Bonusmaterial

The Square Blu-ray Review Szene 4
Die Gönner des Museums werden mit ihren Urinstinkten konfrontiert

Im Bonusmaterial von The Square finden sich zwei Interviews (eins mit dem Regisseur, eins mit Claes Bang, dem Darsteller des Christian) sowie ein Making-of, das eher ein unkommentierter Blick hinter die Kamera ist und sich vornehmlich auf das Affentheater beim Bankett konzentriert. Außerdem gibt’s noch fünf Minuten lang Ausschnitte vom Castingprozess.

Fazit

The Square ist eine genial erdachte, sensationell durchexerzierte Gesellschaftssatire, die so ziemlich alle aktuellen Themen be- und verhandelt, ohne auch nur eine Spur Langeweile aufkommen zu lassen – solange man sich darauf einlassen kann, dass man auch höchstselbst mit unbequemen Fragen konfrontiert wird.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 45%
Film: 90%

Anbieter: Alamode Film / AL!VE AG
Land/Jahr: Schweden/Deutschland/Frankreich/Dänemark 2017
Regie: Ruben Östlund
Darsteller: Claes Bang, Elisabeth Moss, Dominic West, Terry Notary, Christopher Læssø, Sofie Hamilton, Annica Liljeblad
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de/en, sw/en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 151
Codec: AVC
FSK: 12

(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots: © 2017 Alamode Film / AL!VE AG)

Trailer zu The Square

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Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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