Blu-ray Review
OT: Tunnelen
Zwei Wege rein, keiner raus
Spannender Katastrophenfilm aus Norwegen.
Inhalt
Stein gehört zu den wichtigsten Männern im norwegischen Winter. Denn Stein sorgt in seinem Räumfahrzeug dafür, dass die Straßen frei und die Tunnel befahrbar bleiben. Auch heute muss er wieder ran – ganz kurz vor Weihnachten. Während seine Tochter daheim auf ihn wartet und sich mal wieder darüber beschwert, dass er so lange arbeiten muss. Denn seit er seine Frau und Elise die Mutter verloren haben, müssen sie sich in kleinerer Runde arrangieren. Auch wenn Stein mit Ingrid eine neue Frau an seiner Seite hat und er deshalb gerne erstmalig seit dem Tod von Elises Mutter vor drei Jahren vor hat, Weihnachten in der neuen Dreierrunde zu begehen. Elise hat damit freilich ihre Probleme. Will sie doch nicht, dass man von ihr erwartet, eine „neue Mutter“ zu akzeptieren. Sie macht ihrem Vater Vorwürfe, dass er scheinbar nicht mehr an die Verstorbene denkt. Das führt zum Streit, Elise haut ab und steigt in den Expressbus nach Oslo. Als der im Storfjell-Tunnel plötzlich anhalten muss, ist schnell klar, dass etwas weiter vorne im Tunnel ein Unfall stattgefunden hat. Nicht weiter schlimm, nur eine Zeitverzögerung. Doch was Elise nicht weiß: In der Einsatzzentrale von Stein ging bereits der Notruf ein. Denn verunfallt ist nichts Geringeres als ein Tanklaster. Und der hat gerade keine Leerfahrt hinter sich. Just als der Fahrer sich den Schaden anschaut, explodiert die Kiste …
Norwegen beginnt sich mehr und mehr als Spezialist für den Katastrophenfilm zu entwickeln. Nach dem 2015er The Wave und dem 2018er The Quake, in dem die Umwelt zu(rück)schlug, geht’s nun einem Tunnel an den Kragen. Das ist natürlich einerseits etwas profaner, andererseits aber deutlich mehr in der Realität verankert als die beiden vorgenannten. Von den verantwortlichen Autoren oder dem Regisseur her gibt’s keine direkte Verbindung zu den anderen beiden Filmen. Während Wave und Quake zwar von zwei unterschiedlichen Regisseuren inszeniert, aber vom gleichen Duo geschrieben wurden, entstammt The Tunnel einer anderen Feder. Dennoch könnte man aus den drei Filmen gewissermaßen eine nordische Katastrophenfilm-Trilogie machen: Norwegian-Disaster-Trilogy. Inhaltlich nimmt der Film Bezug auf die Tatsache, dass viele der norwegischen Tunnel nur mäßig gesichert sind. Oft sind bspw. keine Notausgänge vorhanden. Und so nimmt es nicht Wunder, dass in den letzten zehn Jahren acht große Tunnelbrände in Norwegen stattfanden (bei denen glücklicherweise niemand zu Tode kam). Auch deshalb, weil das Land über eine gut koordinierte Helferkette und selbstlose Feuerwehr-Angestellte verfügt, die oft den Unterschied ausmachten. Beiden Parteien zollt der Film Tribut, der nun von Square One Entertainment exklusiv im Stream angeboten wird, während eine physische Disk nicht in Planung ist.
Melancholisch beginnt The Tunnel, während wir zusehen, wie die junge Elise am Grab ihrer Mutter verweilt, um ihr ein wenig vom Tag zu erzählen. Wir schauen zu, wie der norwegische Winter zuschlägt und die Räumfahrzeuge alle Mühe haben, den Weg freizumachen. Eine Tafel hat uns vorab darüber aufgeklärt, dass es im schmalen Land der Fjorde über 1100 Tunnel gibt. Tunnel, die auch im Winter befahrbar sein müssen, damit LKWs und Busse vorwärts kommen. Während der Film zunächst seine beiden wichtigsten Figuren vorstellt und ihnen genug Tiefe mitgibt, dass sie für den Zuschauer erfahrbar und nahbar werden, ahnt man durch die sich aufbauende Stimmung, dass hier bald etwas passieren wird. Und so ist es. 25 Minuten sind vergangen, als im Tunnel ein Unfall passiert und dieser eine Kette von Ereignissen auslöst. Für den Thrillerfan gibt’s also endlich mal wieder einen richtig zünftigen Tunnel-Katastrophenfilm. Dieses Mal sogar mit der realistisch-nüchternen Note, die eine skandinavische Produktion gegenüber den typischen US-Vertretern nun mal aufweist. Denn wenn man sich den guten alten Daylight mit Sylvester Stallone anschaut, so sind Verhaltensweisen von Offiziellen und jenen, die im Tunnel festsitzen alles andere als logisch oder nachvollziehbar. The Tunnel hingegen setzt auf Authentizität. Die Reaktionen in der Einsatzleitung wirken nachvollziehbar, kontrolliert und durchdacht. Und das zu einem Zeitpunkt, da die echte Katastrophe noch gar nicht passiert ist. Denn so richtig geht es erst nach 40 Minuten los. Bis dahin werden die Weichen dafür gestellt, dass es möglichst ausweglos wird, falls doch noch etwas „Schlimmeres“ passiert. Und es passiert Schlimmeres. Die Situation im Tunnel eskaliert und außerhalb der jeweiligen Eingänge wird die Lage immer unübersichtlicher. Der Film zieht seine Spannungsschraube mehr und mehr an und vermittelt durchaus eindringlich, in welcher Situation die Eingeschlossenen sind.
Und je länger der Film andauert, desto stärker werden klaustrophobische und beklemmende Momente. Wenn Stein mit seinem jungen Kollegen in die schwarze Staubwolke eindringt und darin vorwärts Richtung Feuerquelle schreitet, sieht nicht nur der Zuschauer die Hand vor Augen nicht mehr. Wie man sich an Ort und Stelle als Feuerwehrmann fühlen muss, kann man kaum abschätzen. Auch dann ist der Grad an Realismus weiterhin hoch. Die Belüftungsanlage des Tunnels, die ausgerichtet wird und dann an die Begebenheiten angepasst wird, das Vorgehen Steins – das wirkt durchweg so, als hätte es Hand und Fuß. Dass sich die Autofahrer im Tunnel irrational verhalten und mit Vollgas durch den Nebel heizen ist sicher der Dramatik geschuldet. Dass aber bspw. innerhalb des Busses und zwischen den eingeschlossenen Reisenden die Panik ausbricht und jeder meint, die richtige Entscheidung treffen zu können, wirkt keineswegs übertrieben. Die Dreharbeiten fanden im Übrigen im Ospeli-Tunnel im Westen Norwegens statt, der mit seinen 2.5 km den fiktiven Storfjell-Tunnel mit seinen im Film angegebenen neun Kilometern doubelte.
Apropos Doubeln: Hauptdarsteller Thorbjørn Harr, den manche vielleicht aus der Serie Vikings kennen, gibt den Stein souverän und wie ein Fels in der Brandung. Ihm zur Seite steht die junge Ylva Fuglerud als seine Tochter Elise. Und die schlägt sich wirklich beachtlich. Hier sieht man eventuell einen jungen norwegischen Stern aufgehen. Übrigens ist es erfrischend angenehm, dass die Geschichte nicht für überhebliche und vollkommen überzogene Dramatik genutzt wird. Das könnte Fans des US-Kinos zwar schon mal etwas unspektakulär vorkommen, ändert aber nichts daran, dass es durchweg unterhaltsam und spannend zugeht.
Bild- und Tonqualität
Zur Beurteilung der Bildqualität hatte ich Zugriff auf den original Datenstrom. Inwiefern der jeweilige Streaming-Anbieter hier noch stärker komprimiert und ein möglicherweise schlechteres Bild liefert, kann ich mangels Vergleich nicht beurteilen.
Das Bild des mir zur Verfügung gestellten Streams kann mit sehr neutraler Farbgebung punkten, die den Schnee wirklich schneeweiß reproduziert. Wenn Farben ins Spiel kommen – beispielsweise die orangefarbenen Warnwesten des Schneeräumkommandos, dann wird auch das natürlich wiedergegeben. Gleichzeitig kommen sie kräftig und satt rüber, was für einen dynamischen Eindruck sorgt. Die Schärfe ist ebenfalls sehr gut und wenn man sich die zahlreichen Wollpullover anschaut, kann man die einzelnen Fäden erkennen. Die insgesamt sehr hohe Lauf- und Bildruhe des digital gedrehten Films wird nur ganz selten mal durch leichte Banding-Probleme in den schwierigen Helligkeitsverläufen während der Feuer- und Nebelwände im Tunnel beeinträchtigt.
Auf den Streamingportalen wird The Tunnel in 5.1 angeboten werden (Dolby Digital). Der mir zur Verfügung stehende Stream wurde nur in Stereo ausgegeben. Allerdings mit sehr gutem Stereo. Die Bühne, die der Film aufbaut, ist schon in der 2.0-Fassung angemessen groß, während die Stimmen klar und deutlich wiedergegeben werden. Ein wenig Zischeln kann man auf den S-Lauten vernehmen, allerdings stört das nur ganz dezent den Genuss.
Fazit
The Tunnel bietet kurzweilige und spannende Unterhaltung mit betont realistischer Note. Dass er lediglich im Stream erscheinen wird, ist eine Schande. Denn audiovisuell wird durchaus einiges geboten, das von einer Blu-ray qualitativ sicherlich profitieren würde.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Film: 75%
Anbieter: Square One Entertainment
Streaming-Portale: iTunes, Amazon, Sky, Google, Maxdome, Videoload, Videociety, Chilli, On Demand, Vodafone
Land/Jahr: Norwegen 2019
Regie: Pål Øie
Darsteller: Thorbjørn Harr, Ylva Fuglerud, Lisa Carlehed, Mikkel Bratt Silset, Peter Førde, Per Egil Aske
Tonformate: Dolby Digital 5.1: de, nw
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 105
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter © 2020 Square One Entertainment)
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So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Habe ihn mir auch schon gesichert. Die Bewertung schürt meine Vorfreude um so mehr. Auch die anderen mit der Welle und dem Erdbeben haben mir persönlich sehr gut gefallen.
Um den schleiche ich auch schon eine Weile herum. Kleiner Hinweis (wobei ich nicht weiß, ob das relevant ist) … der Film ist durchaus auf BluRay zu haben, nur halt nicht direkt und hierzulande, und dann auch nicht zwingend mit zumindest englischen UT.