The Walk – Eine triumphale wahre Geschichte 3D

Blu-ray Review

The Walk - eine triumphale wahre Geschichte 3D Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, seit 25.02.2016

OT: The Walk

 


Es ist unmöglich, aber ich tue es!

Robert Zemeckis setzt in The Walk gleich zwei Legenden ein Denkmal.

Inhalt

Der kleine Philippe Petit ist seit einem Zirkusbesuch im Alter von acht Jahren vom Hochseil fasziniert. Eines Abends Jahre später schleicht er sich nach der Vorstellung in die Manege eines Zirkus und beginnt zu balancieren. Als ihn „Papa Rudy“, selbst Seiltänzer und Jongleur beim Zirkus, erwischt, bietet der ihm an, ihn zu trainieren. Der lebenslustige Tscheche Rudy wird ein väterlicher Mentor für Philippe und als dieser Jahre später bei einem Zahnarzt auf seine Behandlung wartet, liest er einen Artikel über den Bau an den Zwillingstürmen des World Trade Centers. Es würden die höchsten Türme der Welt werden, weshalb Petit sofort beschließt, diese emporzusteigen und zwischen ihnen zu balancieren. Doch zuvor hat der liebe Gott die Arbeit gestellt, denn seine Eltern setzen ihn vor die Tür und Philippe muss sich als Straßenkünstler Geld verdienen. Dabei verliebt er sich in die Musikerin Annie, die seine erste Kollaborateurin wird. Nach und nach werden die Fähigkeiten Petits besser und um für sein großes Ziel zu trainieren, beginnt er, waghalsigere Aktionen durchzuführen. So spannt er mit seinen Freund, dem Fotografen Albert, ein Seil zwischen den Kirchtürmen der Notre Dame und überquert die Strecke in luftiger Höhe. Drei Jahre später und nach einem Intermezzo auf der Sydney Harbour Bridge, steht er endlich vor dem WTC. Aber wird sein Plan auch wirklich gelingen?

Es geschah am 06./07. August 1974: Nach gut sechsjähriger Vorbereitung erklimmen der Drahtseiltänzer Philippe Petit und seine Helfer die beiden Türme des noch nicht ganz fertiggestellten World Trade Center und spannen nach und nach über immer stärker werdende Seile das finale ein Zoll starke Stahltau zwischen den Zwillingstürmen. Ganze achtmal lief Petit daraufhin in einer Höhe von 417 Metern über den Straßen New Yorks hin und her und ließ die Passanten am Boden innehalten. Diese im wahrsten Sinne des Wortes halsbrecherische und höchst spektakuläre Aktion hat Robert Zemeckis nun in The Walk zu einer zweistündigen Verbeugung vor diesem Akt komprimiert. Basierend auf Petits 2002 veröffentlichten Buch „To Reach the Clouds: My High Wire Walk Between the Twin Towers“ nutzt der Regisseur und Technikpionier (Zurück in die Zukunft, Der Polarexpress) die 3D-Bilder, um ein visuell einzigartiges Werk zu erschaffen. Dabei zieht er aber nicht nur den Hut vor der Kraftanstrengung Petits und seiner Helfer, sondern lässt gut 14 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September das World Trade Center auferstehen, um ihm wehmütig zu gedenken. In huldigenden Aufnahmen aus der Froschperspektive feiert er das Monument der Baukunst und setzt noch einen drauf, wenn er die Kamera senkrecht nach unten schauen lässt, als Petit ganz oben steht. Sieht man im Finale von The Walk, welche Kraftanstrengungen physischer und psychischer Natur in der Nacht vor dem Akt nötig waren (und das in einer Zeit, die ohne Handys oder digitialer Sofort-Verfügbarkeit von Fotos auskommen musste), scheint es umso unglaublicher, dass Petit am nächsten Tag noch in der Lage war, konzentriert über das Seil zu laufen.

Inszentorisch bleibt The Walk dabei stets luftig und locker erzählt und erlaubt sich direkt zu Beginn den netten Kniff, Petit (gespielt von Joseph Gordon-Levitt) als Erzähler zu etablieren, der kommentiert, dass dieser Drahtseilakt natürlich höchst illegal wäre – selbstredend illegalerweise auf der obersten Plattform der Freiheitsstatue stehend. Den Coup selbst, also das Vorbereiten auf den Drahtseilakt, lässt Zemeckis visuell wie ein klassisches Heist-Movie aussehen und untermalt ihn noch dazu mit fluffiger Jazz-Musik – schlösse man die Augen, wähnte man sich glatt in einem Bankraub-Film. Noch dazu in einem, der nach ungefähr 65 Minuten höchstspannend wird, als die Jungs auf den Türmen die Nacht verbringen. Dem Regisseur gelingt es zudem, das französische Kolorit in seinen Film zu integrieren. Nicht nur, weil er seine Protagonisten (auch im Original) oft französisch sprechen lässt, sondern weil er ihnen die frankotypischen Verhaltensweisen anheim legt und damit für viel Authentizität (und Witz) sorgt. Den überzogenen französisch-deutsch-Dialekt hätte es in der Synchro hingegen nicht gebraucht. Joseph Gordon-Levitt indes ist die absolute Idealbesetzung – sowohl figurtechnisch als auch in Bezug auf das gewitzte Verhalten Philippes. Denn der französische Künstler musste gar Unglaubliches leisten, um sein Husarenstück umzusetzen. Man stelle sich das Ganze heute, in einer Zeit vor, in der die Angst vor Terrorismus so ziemlich alle Möglichkeiten verhindert hat, solcherlei Aktionen durchzuführen – jedenfalls in den USA. Schon die Einreise Philippes nach Amerika, die The Walk mit augenzwinkerndem Humor beschreibt, wäre mit all seinem Equipment heute nicht mehr einfach so möglich. Deshalb ist Zemeckis Film auch ein wenig nostalgisch geworden und lobpreist eine Zeit, in der „harmlose“ anarchistische Aktionen für Aufsehen sorgen konnten. Für das US-Publikum war The Walk hingegen offenbar etwas zu europäisch geraten (welcher US-Kinogänger liest schon gerne Untertitel), denn trotz Wiederbelebung des WTC spielte er dort nur knapp 10 Mio. Dollar ein. Ein wenig Spott darf deshalb an dieser Stelle erlaubt sein, denn offenbar wussten die Amerikaner in diesem Fall einfach nicht, was gut ist. Anders lässt sich das geringe Einspiel kaum erklären, denn Zemeckis und seine Darsteller machen einfach alles richtig. Das Erstaunliche dabei ist, dass trotz der absolut beeindruckenden visuellen Spielereien und der herausragenden Technik die Figuren nicht zu kurz kommen und der Film durchweg kurzweilig und unterhaltsam bleibt. Wenn es dann knapp zwanzig Minuten lang zur Hochspannung kommt, weil die Vorbereitungen auf den Dächern nicht komplett rund laufen, hält man gebannt den Atem an und wird diese Anspannung auch nicht mehr los, wenn Petit im Hochnebel über das Seil zu stolzieren beginnt – für derartige Aufnahmen und Momente wurde Kino erfunden und in 3D wirkt dies hier noch mal deutlich intensiver (siehe Abschnitt 3D-Effekt).

Bild- und Tonqualität

Kontraststark und natürlich präsentiert sich das Bild von The Walk. Die häufigen schwarzen Outfits (gerade jene von Philippe) werden absolut knackig wiedergegeben und dennoch bleibt genug Raum für helle und kräftige Lichtmomente. Farben sind trotz der zeitlichen Verortung Anfang/Mitte der 70er kräftig und die Schärfe ist durchweg gut. Randunschärfen sind kein Thema und die Bildruhe ist beständig hoch. Lediglich in den ganz dunklen Szenen in der Nacht vor dem Ereignis gesellt sich etwas Korn hinzu, das aber nie störend wirkt.
Akustisch ist The Walk außergewöhnlich räumlich geraten und präsentiert sowohl die Pariser Straßenatmosphäre als auch das geschäftige Treiben New Yorks sehr offen und weitläufig. Wenn es in der Nacht vor dem Coup kräftig regnet und gewittert, zuckt man während des Donners, der direktional aus den Lautsprechern rundherum kommt, regelrecht zusammen. Der jazzbetonte Filmscore legt sich äußerst luftig über alle Speaker und die Stimmen der Darsteller kommen extrem gut verständlich und sehr gut abgestimmt aus dem Center. Die sich bewegende Luft im Herzschlagfinale sorgt auch akustisch für Schnappatmung und der einfliegende Helikopter kreist höchst effektvoll aus den verschiedensten Richtungen über den Köpfen des Zuschauers.

3D-Effekt

Obwohl The Walk nicht originär in 3D gedreht, sondern nachträglich ins Dreidimensionale konvertiert wurde, gehört er schon rein thematisch zu den besten 3D-Realfilmen der letzten Jahre. Nicht nur die vordergründigen Pop-Out-Effekte wie die Balancestange oder das Hochwerfen und Auffangen des runden Bonbons, das zu Petits Zahnarztbesuch führen wird, sondern das gesamte Design richtet sich auf die Dreidimensionalität aus. So visualisiert Zemeckis Philippes Vorhaben schon früh mit einer Art Head-Up-Display-Optik (7’16) und lässt die Bilder greifbar werden. Auch die Drahseilakte selbst, immer wieder anschaulich von unten gefilmt, stehen so schwebend im Raum wie der Künstler selbst. Allerdings übertreibt The Walk es dann bisweilen ein wenig und lässt das Seil hin und wieder vordergründig aus dem Bild herausragen, was zu Randverletzungen führt. Problematisch ist der Film lediglich für Besitzer von Full-HD-Displays, die mit Polarisationstechnik arbeiten. Aufgrund der halbierten Auflösung ist das oft horizontal im Bild befindliche dünne Drahseil nicht immer voll sichtbar, rutscht gelegentlich „zwischen die Zeilen“ und verschwindet teilweise. Besitzer eines TV oder Beamers mit Shutter-Technik haben hier Vorteile. Die sehen dann auch nicht die Moiree-Effekte beim ersten Anblick des WTC, das Zemeckis von schräg unten filmt und dessen filigrane Strukturen in der Vertikalen die Auflösung vor große Herausforderungen stellen. Die Szenen im Finale mit feinsten vertikalen, horizontalen und diagonalen Linien, die teilweise gleichzeitig im Bild sind, prädestinieren den Film geradezu für Test von 3D-Hardware. Das alles ist aber, wie gesagt, kein Problem der 3D-Qualität der Disk, sondern eines der Hardware. Und ohnehin sind diese Punkte vergessen, wenn Petit erstmalig auf dem WTC steht und nach unten schaut (35’06). Für solche Momente und Filme wurde 3D gemacht und wer Höhenangst hat, sollte in dieser Szene besser fest auf dem Sofa sitzen. Kurz vor dem Finale liefert der Film dann den beeindruckendsten Pop-Out-Effekt der letzten Jahre (79’58) und die Szenen auf dem Seil zwischen den Türmen des WTC sorgen für Schweiß auf der Stirn. An sich bin ich kein großer Freund davon, Filme in dreidimensionaler Optik zu schauen und fand aus subjektiver Sicht bisher nur wenige 3D-Filme wirklich gut. So hätte ich es nie gedacht, einmal zu sagen, dass ein Film unbedingt in 3D geschaut werden sollte – bei The Walk ist es so. Im Übrigen ist er einer der wenigen 3D-Realfilme, die im Cinemascope-Format von 2,35:1 produziert wurden.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Walk finden sich neben entfallenen Szenen insgesamt drei Featurettes. In „Die Säulen der Unterstützung“ kümmert sich um die Nebendarsteller. Den großartigen Sir Ben Kingsley, der Philippes väterlichen Mentor mit verschmitztem Humor gibt sowie James Badge Dale und Charlotte Le Bon, die als Annie für die romantischen Moment sorgt. „Erste Schritte – Lernen über das Drahtseil zu laufen“ sehen wir Gordon-Levitt dabei zu, wie er unter Anleitung des echten Petit lernte, auf einem Seil zu laufen. „Der sagenhafte Lauf“ schließlich ist noch mal in drei Teile aufgesplittet und klärt über die Vorbereitungen für den finalen Drahtseilakt auf. Außerdem wird erzählt, welche Rolle die Zwillingstürme im Film übernehmen.

Fazit

Für einen Menschen mit Höhenangst (wie den Autoren dieser Zeilen) ist der Genuss von The Walk ein zwiespältiges Ereignis. Denn gerade in 3D ist der Film im Finale derart intensiv und nachfühlbar aufregend, dass man mit schweißnassen Händen vor dem TV oder dem Beamer sitzt. Doch für meine Höhenangst kann Robert Zemeckis ja nichts und deshalb bleibt hier nur zu sagen: The Walk ist ein poetischer, grandios bebilderter Film über ein Ereignis, das sich gleich auf mehrere Weisen so nicht mehr wiederholen lässt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%
3D-Effekt: 90%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Sir Ben Kingsley, Ben Schwartz, Charlotte Le Bon, James Badge Dale, Steve Valentine, Sergio Di Zio
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 123
Codec: AVC/MVC
Real 3D: Nein (konvertiert)
FSK: 6

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