The Whole Truth – Lügenspiel

Blu-ray Review

OT: The Whole Truth

EuroVideo, 06.04.2017

 


Das lange Schweigen

Kleiner aber feiner Gerichtsthriller mit guter Besetzung.

Inhalt

Familienanwalt Richard Ramsay kennt die Familie Lassiter seit langer Zeit. Deshalb kann er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der gerade 16-jährige Mike Lassiter seinen Vater Boone ermordet haben soll. Doch die Beweise sind erdrückend, immerhin fand die Polizei den toten Mann noch in dem Moment, in dem Mike blutbeschmiert über ihm beugte. Da die besondere Schwere des Falls dazu führt, dass er nach dem Erwachsenen-Strafrecht verhandelt wird, droht Mike die Maximalstrafe: Lebenslänglich. Richards Problem dabei: Mike schweigt. Er erzählt rein gar nichts und kann seinem Anwalt deshalb nicht ansatzweise helfen. Und nachdem die Polizistin, die als erstes am Tatort war, ihre ursprüngliche Aussage abändert, nach der Mike angeblich gesagt habe „… hätte das schon längst tun müssen“, steht nun ein „ich hätte das schon längst tun müssen“ im Protokoll. Unterstützung erhofft sich Ramsay von der jungen Jura-Absolventin Janelle, Tochter eines herausragenden Anwalts. Und tatsächlich: Je länger der Prozess dauert, desto mehr stellt sich heraus, dass Boone ein grobes und rücksichtsloses Scheusal war …

The Whole Truth – Lügenspiel hält sich nicht lange mit Vorgeplänkel auf, sondern beginnt direkt im Gerichtssaal. Die Geschichte erschließt sich dem Zuschauer nach und nach in Rückblicken und vermittelt ihm so, dass er genauso im Dunkeln tappt wie Verteidiger Ramsay. Da man rein gar nichts über die Hintergründe weiß und der Angeklagte schweigt, muss man sich entsprechend Zeit nehmen, damit sich Film und Geschichte entwickeln können. Das ist in der Zeit von rasanten Actionfilmen sicherlich nicht allzu einfach, wird allerdings belohnt. Denn gute Gerichts-/Justizthriller sind zuletzt sehr selten geworden. Da Regisseurin Courtney Hund (Frozen River – Auf dünnem Eis) aber die investigativen Aktionen betont und dabei ein recht hohes Tempo vorlegt, bleibt man gespannt sitzen und kombiniert selbst mit. Außerdem entwickelt man bald eine emotionale Beteiligung, die wütend macht. Jedes weitere Detail, das die Aussagen der Freunde und Nachbarn kundtun und das zur Dämonisierung von Boone beiträgt, führt auch beim Zuschauer zur Wut. Man weiß zwar nicht, ob der Junge seinen Vater getötet hat, könnte es aber bald nachempfinden. The Whole Truth lebt dabei auch von den prominenten Darstellern, die ihre Arbeit glaubwürdig und engagiert verrichten. Keanu Reeves ist etwas ungewohnt als Anwalt, da er zuletzt eher als unbesiegbarer Killer unterwegs war. Doch sein souveränes und abgeklärtes Verhalten als Advokat überzeugt und zieht den Zuschauer auf seine Seite. Renée Zellweger als Boones Frau Loretta ist zwar kaum wiederzuerkennen, doch ihr abgemagertes Äußeres und das faltig-gestresst wirkende Gesicht passen hier gut zur Rolle einer Frau, die von ihrem Mann seelisch gequält und körperlich bedrängt wurde. Am schwersten hat es Gabriel Basso, da er 50 Minuten lang Schweigen muss, bevor es endlich aus ihm herausbricht. Er ist also reduziert auf Mimik. Das macht er mitunter gar nicht mal schlecht. Man sieht Ekel, Wut, Aggression und Geringschätzung in seinem Gesicht. Wenn dann nach knapp einer Stunde klar wird, mit welcher Strategie Mike in den Prozess gegangen ist, wird das Geschehen plötzlich dynamischer. Und selbst wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht die große Überraschung auf den Weg gebracht wird, so wirft es doch die spannende Frage auf, welche Wahrheit ein Anwalt nutzt, um seinen Fall zu gewinnen – welche Entscheidung er trifft: Wohl des Mandanten oder Wunsch nach der Wahrheit. Wenn das Finale dann doch noch mit einem Knalleffekt aufwartet, wird klar, dass Wahrheit hier den Kürzeren gezogen hat.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von The Whole Truth fällt aufgrund seiner sehr warmen Farbgebung auf. Es dominieren über weite Strecken Braun- und Sepiatöne, die eine angenehme Stimmung erzeugen. Die Bildruhe fällt ebenfalls positiv auf – allerdings nur im ersten Moment. Denn schaut man genauer hin, wirkt das Geschehen wie durch eine Glasscheibe betrachtet, hinter der es auf Gesichtern zu unruhigem Verhalten kommt. Leichte Bewegungen wischen nach, das Ganze wirkt wachsartig. Der Kontrastumfang ist dazu ein wenig reduziert. Schon alleine aufgrund der vornehmlich braunen Farben stellt sich keine große Dynamik ein. Zudem kommt im Gerichtssaal oft das seitlich einfallende Licht hinzu, das für einen eher milchigen Eindruck sorgt. Die Schärfe ist nur durchschnittlich und könnte durchweg noch etwas mehr Plastizität bewirken.
In Sachen Akustik dominiert selbstverständlich der Center das Geschehen, der die Dialoge und Stimmen äußerst prägnant wiedergibt. Die Atmosphäre im Gerichtssaal liefert exakt den richtigen Hall und vermittelt so eine extreme Glaubwürdigkeit. Wenn Mike seine Aussage macht, kann man eine Stecknadel im Raum fallen hören – oder auch das leichte Knarzen des Bodens. The Whole Truth lässt dazu bei Außenszenen die Hitze der Gegend spürbar werden, wenn Zikaden zirpen und ein leichter Wind über die Rearspeaker weht.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Whole Truth finden sich zwei Interviews. Ein 15-minütiges mit James Belushi und ein 12-minütiges mit Gabriel Basso. Beide sind nicht untertitelt.

Fazit

The Whole Truth ist zwar behäbig inszeniert, liefert aber eine angemessen überraschende Auflösung und fesselt während der Suche nach der Wahrheit. Die versammelten Darsteller tragen das Ihre zum Gelingen bei – gute Ergänzung im Drama/Thriller-Genre
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 20%
Film: 65%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Courtney Hund
Darsteller: Keanu Reeves, Renée Zellweger Gugu Mbatha-Raw, Gabriel Basso, Jim Belushi, Sean Bridgers
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 90
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu The Whole Truth

The Whole Truth HE Trailer (deutsch | german)

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