The Woman in the Window [Netflix]

Netflix Review

Netflix, 14. Mai 2021

OT: The Woman in the Window

 


Mord in der 101

Spannung nach bester Hitchcock-Manier auf Netflix.

Inhalt

Anna beobachtet ihre Nachbarschaft aus der sicheren Wohnung heraus

Anna Fox ist eine hervorragende Kinderpsychologin. Jedenfalls war sie das. Bis ein traumatisches Ereignis vor einigen Monaten sie an ihre Wohnung in New York fesselte. Seit diesem Erlebnis leidet sie an Agoraphobie und kann das Haus nicht verlassen. Und weil das so ist, versucht sie, sich das Leben innerhalb ihrer vier Wände so angenehm wie möglich zu machen. Sie lenkt sich mit Filmen (Klassikern, die sie bereits mitsprechen kann) und Online-Chats ab oder bekommt Besuch von ihrem Therapeuten. Oft schaut sie aber auch einfach aus dem Fenster und beobachtet, was auf der Straße und bei den Nachbarn geschieht. Unter anderem hat sie mitbekommen, dass in die gegenüberliegende Wohnung ein neues Paar, die Russells eingezogen sind. Mit Jane Russell, der Frau der Neuankömmlinge, beginnt sie sich anzufreunden. Jane besucht Anna und die beiden quatschen über Gott und die Welt. Als Anna eines Abends ein Bad nimmt, hört sie von Gegenüber laute Geräusche. Aufgeschreckt eilt sie zum Fenster und sieht gerade noch, wie Jane von ihrem Mann erstochen wird. Die alarmierte Polizei zieht ihre Augenzeugen-Aussage allerdings in Zweifel, da die von ihrem Arzt verschriebenen Medikamente Halluzinationen auslösen könnten und die angeblich „echte“ Mrs Russell von ihrem Mann als quicklebendig präsentiert wird. Anna ist sich allerdings dessen sicher, was sie gesehen hat. Und so geht sie der Sache selbst nach. Dabei hilft ihr, dass sie mittlerweile Profi im Internet-Spionieren ist …

Jane Russell scheint eine nette Frau zu sein

Joe Wright debütierte 2005 mit der Jane-Austen-Verfilmung Stolz & Vorurteil und ließ zwei Jahre später mit Abbitte eine weitere Romanverfilmung folgen, die weltweit vielbeachtet und ausgezeichnet wurde. In der Folge wechselte der Regisseur aber auch mal ins Thrillerfach (Wer ist Hanna?) und überzeugte zuletzt mit dem Churchill-Biopic Die dunkelste Stunde. Und jetzt macht er auf Hitchcock. Dabei stand The Woman in the Window bisher unter keinem guten Stern. Bereits im August 2018 begannen die Dreharbeiten unter dem Label von Fox 2000 Pictures, auf dass die Kinoauswertung im Oktober 2019 stattfinden sollte. Doch dann war schon die Übernahme der Fox durch Disney geschehen und nach Testvorführungen entschloss sich der Mauskonzern, Teile des Films neu schreiben zu lassen und die Kinopremiere auf den 15. Mai 2020 zu legen. Das wiederum wurde aufgrund der Covid-19-Pandemie im März wieder gecancelt und nach etwas hin und her übernahm nun Netflix die Ausstrahlung.
Inhaltlich ist The Woman in the Window eine ganz offensichtliche Mischung aus Hitchcocks Das Fenster zum Hof und dem 2016er Girl on the Train. Wobei das Thema der Agoraphobie auch an den 1995 Thriller Copykill mit Sigourney Weaver erinnert.

Alistair Russell hingegen wirkt aggressiv und herrschsüchtig

Eine unbestreitbare Macht von The Woman in the Window ist natürlich zunächst dessen Besetzung. Mit Amy Adams in der Hauptrolle, Julianne Moore als vermeintliches Mordopfer und Gary Oldman in der Rolle des Antagonisten treffen hier drei Schauspieler-Schwergewichte aufeinander und werden noch vom mittlerweile bei Netflix heimischen Anthony Mackie ergänzt. Amy Adams stellt die Anna Fox mit dem Mut zur ungeschminkten Wahrheit einer Frau dar, die seit Monaten nicht das Haus verlassen hat, in dieser Zeit zu viel Alkohol konsumierte und Schminke nur noch vom Hörensagen kennt. Die Kamera fängt ihr aschfahles Gesicht und die leicht zerzausten roten Haare in einer Form ein, dass man keinen Moment daran zweifelt, dass diese Frau an ihre Wohnung gefesselt ist. Die Zerbrechlichkeit einer Frau, die sich einerseits ihrer Beobachtungen sicher zu sein meint, gleichzeitig aber kaum Selbstbewusstsein (mehr) hat, um diese Überzeugung entsprechend zu vertreten, wird von Adams beängstigend gut dargestellt. Julianne Moore kontert in der Rolle der Mrs. Russell als umso selbstbewusster wirkende Frau, deren Stärke aber offensichtlich gespielt ist. Wenn die beiden gemeinsam auf der Bildfläche sind, sind das packende Einblicke in ein sehr dynamisches Kennenlernen. Und Gary Oldman darf mal wieder das tun, was er hervorragend beherrscht: Eskalieren.

Anna ist sich ihrer Meinung immer noch sicher

Aufgrund der Tatsache, dass der Film aus der Sicht von Anna geschildert wird und man ihr auch zuhört, wie sie mit ihrem (imaginären) Mann und der Tochter spricht, bekommt man gleichzeitig einen ziemlich tiefen Einblick in ihr Seelenleben, was auch noch durch die Vermischung von Visionen, die sie unter dem Einfluss ihrer Medikation, dem Alkohol und dem TV-Programm hat, das im Schnitt und mittels gekonnter Kameraarbeit sehr eindrucksvoll umgesetzt wird. Man muss hier allerdings ein wenig offen sein für die etwas ungewohnte Art des Filmens und der Struktur, denn so richtig geradlinig ist Wrights Film nicht. Dafür mitunter sehr aufregend und auch optisch klasse. Wenn Anna mit ihrem roten Schirm über die Straße zur Hilfe zu eilen versucht, sieht man sie von oben aufgenommen. Man sieht, wie ihr Schirm praktisch wie ein Schutzschild fungiert.
The Woman in the Window ist aber nicht nur ein bisweilen spannender und gut besetzter Thriller, sondern liefert im Subtext auch eine deutliche Botschaft, die ein starkes Frauenbild transportiert. Denn dort, wo die offiziellen (Polizei)Behörden (und damit ein eher männlich besetztes Berufsfeld) scheitern, sorgt eine sichtbar gehandicapte Frau für Aufklärung.
Was dem Film am Ende die Suppe etwas versalzt, ist seine Vorhersehbarkeit. Sowohl der Grund für Annas Trauma als auch das Mysterium um die Tote von Gegenüber lässt sich ohne große Rätselei frühzeitig erahnen. Immerhin gibt’s

Bild- und Tonqualität

Ethan Russell wirkt verstört

The Woman in the Window wurde komplett digital aufgezeichnet. Zum Einsatz kam eine ARRI Alexa SXT, die mit 3.4K im Open-Gate aufzeichnet. Diese 3.4K-Material wurde dann im Postprozess über ein 4K-DI gemastert, was den Film zu einem „Fast“ echten 4K-Film werden lässt. Netflix zeigt Wrights Thriller zudem mit erweitertem Kontrastformat Dolby Vision, was für ein lebhaftes Bild sorgen sollte. Zunächst einmal ist es extrem ruhig. Selbst die teils sehr dunklen Winkel in Annas Wohnung werden ohne jede Körnung oder Unruhe wiedergegeben. Oberflächen bleiben komplett homogen und die unifarbenen Blusen von Anna sind bestechend plastisch. Das mit 15.25 Mbps laufende Bild überzeugt durch die Bank und ist gleichsam scharf in Close-ups und knackig im Schwarz. Weder saufen hier Details ab, noch überstrahlt das Bild auf hellen Szenen. Die Struktur der Ziegelsteine des gegenüberliegenden Hauses der Russells werden ohne jedes Flimmern wiedergegeben. Insgesamt eine sehr überzeugende Vorstellung.

Anna schaut der Wahrheit ins Gesicht

Beim Ton bietet Netflix den Zuhörern ebenfalls ein rundes Gesamtpaket. Zwar gibt’s fürs Deutsche nur das übliche Dolby Digital Plus, doch der englische O-Ton kommt in Dolby Atmos zum Betrachter. Wenden wir uns zunächst der Synchro zu, kann sie mit sehr klaren Dialogen überzeugen und lässt die häufig genutzten Soundeffekte (bspw. beim Rotieren von Wein in einem Glas) sehr räumlich erklingen. Regen, der auf die Fensterbänke fällt, wird authentisch wiedergegeben und der Score bietet hier und da sogar etwas Tiefbass.
Die englische Atmos-Fassung klingt auf der regulären Ebene zunächst sehr ebenbürtig. Die Dialoge sind allerdings noch etwas authentischer. Surroundaktivität bleibt hier zwar identisch, wird aber um 3D-Sounds ergänzt. Das beginnt schon im Intro, wenn Anna mit einem Schreck aufwacht und ihr Atem von oben zu hören ist. In der Folge sind es oft die visionsartigen oder etwas betrunkenen Momente Annas, die von oben unterstützt werden. Ebenso brandet der Score schon mal von dort auf, wenn er besonders dramatisch-dynamisch wird. Da aber eigentlich nicht sonderlich viele Möglichkeiten vorhanden sind, die Höhenspeaker zu nutzen, wird hier auch nicht pausenlos Dauerfeuer gegeben. Aber der Anruf von nebenan nach knapp 49 Minuten wird dann doch direkt über die Heights ins Heimkino transportiert. Immer mal wieder gibt’s so ein paar kleinere Effekte, die etwas Würze in den ansonsten sehr dialoglastigen Film bringen.

Fazit

The Woman in the Window ist ein kurzweiliger und gut gespielter Spannungsfilm mit altbekanntem Thema. Leider gerät er am Ende zu wenig überraschend, um wirklich auf voller Länge zu überzeugen. Bild und Ton des Streams sind sehr gut.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 90%

Tonqualität (dt. Fassung): 80%

Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 80%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 40%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 70%

Film: 70%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2021
Regie: Joe Wright
Darsteller: Amy Adams, Gary Oldman, Anthony Mackie, Julianne Moore, Jennifer Jason Leigh
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 101
Real 4K: Fast (4K DI vom 3.4K-Master)
HDR: HDR10, Dolby Vision
Datenrate: 15.25 Mbps
Altersfreigabe: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)

Trailer zu Woman in the Window

The Woman in the Window | Offizieller Trailer | Netflix


So testet Blu-ray-rezensionen.net

Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Streams, BDs und UHD-BDs bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:

Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen. Streaming-Filme werden zudem über mehrere unterschiedliche Apps Kontrolle geschaut, um etwaige deutliche Differenzen auszumachen.

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5 Kommentare
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k-ulf

70 Prozent für eine solche Gurke sind wirklich noch gnädig.
Dann noch lieber zum 39. Mal Das Fenster zum Hof schauen.

Hans-Ingo Trompeter

Zustimmung. Netflix sollte aufpassen, sich nicht immer weiter zur Abspielstation für Filmgurken zu entwickeln, bei denen man im Kino sein Geld zurück verlangt hätte. Dieser Film ist ein inszenatorisches Chaos, mit Figuren permanent am Rande zum Overacting, streckenweise elend langweilig und mit einem Ende versehen, welches den Zuschauer nur noch grauen lässt. Dann in der Tat lieber Hitchcock, der konnte sowas um Welten besser. Diese Rezension hier sagt alles:

https://www.filmszene.de/filme/woman-window

Sorry, Timo….

Ronny

Ich muss dem leider uneingeschränkt zustimmen.

Ronny

Ich wollte eigentlich direkt unterm „Trompeter“ antworten. So kommt meine vorhergehende Antwort falsch rüber. Ich wollte natürlich dem zustimmen, dass dieser Film einfach nur grauenhaft ist. Ich mag die Schauspieler, aber das war „Perlen vor die Säue werfen“. Dann doch lieber James Stewart am Fenster zum Hof…