Troll [Netflix]

Netflix Review

Netflix, 01.12.2022

OT: Troll

 


Auferstanden aus Utgard

Netflix lässt einen nordischen Godzilla auf Oslo los.

Inhalt

Nora ist überrascht, als das Militär vor ihr steht

Der Ausbau der Dovrebahn-Linie ist Umweltschützern ein Dorn in Auge. Sie protestieren zahlreich und lautstark, als eine weitere Sprengung ansteht, um durch ein Bergmassiv zu gelangen. Und vielleicht hätte man diese Explosion in der Tat besser vermieden. Denn als der Bautrupp sich das Ergebnis anschaut, bricht der Tunnel nach und nach in sich zusammen und begräbt einige Arbeiter unter sich. Fast ist es, als hätte das Felsmassiv ein Eigenleben zu führen begonnen, so zielgerichtet bewegen sich die großen Gesteinsbrocken. Als man kurz darauf gigantische Abdrücke im nahen Umfeld entdeckt, zieht man die Paläontologin Nora Tiedemann hinzu. Auch die scheint allerdings zunächst ratlos, als sie in einem Fußabdruck von einem Meter Tiefe und zehn Metern Länge steht. Einen Verdacht hat sie zwar, wagt ihn jedoch nicht zu äußern. Erst der Besuch bei ihrem etwas eigenbrötlerischen Vater verschafft ihr etwas mehr Klarheit. Könnte es sein, dass ein Fabelwesen der nordischen Mythologie zum Leben erweckt wurde – ein Troll …?

Schuhgröße 7563

Was für die Japaner Godzilla ist, ist den Skandinaviern der Troll. Das Wesen, das laut der Mythologie in Utgard haust, während die Menschen in Midgard leben. Seit Jahrhunderten wurde der Glaube an Trolle zwar noch noch im Volktum offenbar, dort aber immerhin noch bis ins 19. Jahrhundert. Heute spielt man lustvoll mit dem Troll und nutzt ihn als eine Art Maskottchen oder Souvenir-Mitbringsel. Regisseur Roar Uthaug (The Wave, Tomb Raider) nutzt das Troll-Motiv nun für einen Fantasyfilm nach bester Tradition berühmter Vorbilder. Es zitiert sich fleißig durch die Tier-Horror-Historie, wenn der Kaffee in der Tasse zu wackeln beginnt und man vermutet, der T-Rex aus Jurassic Park tauche gleich auf. Obschon Troll zunächst eher beginnt wie ein folkloristisch angehauchter Cloverfield, der teilweise fast deckungsgleich Bilder aus Emmerichs Godzilla übernimmt. Auch das Hinzuziehen der Paläontologin weckt Erinnerungen an den 1998er SciFi-Hit, dessen „Size Does Matter“ Marketingstrategie auch für den Troll in der Netflix-Produktion funktionieren würde.

Schneise der Zerstörung

Der Verlauf von Troll mag weder sonderlich innovativ noch überraschend sein, aber die Regeln des Genres haben die Macher verstanden. Die Regie ist versiert, die Kameraführung sorgt teils für sehr coole Einstellungen, um die Größe des Wesens zu veranschaulichen und der Score passt ziemlich gut zum Geschehen. Da kann man auch verschmerzen, dass Regierungs- und Militärentscheidungen zum Teil (mal wieder) kaum nachvollziehbar sind und sich die Soldaten kaum intelligenter verhalten. Abgesehen von diesen erwartbaren Ärgerlichkeiten ist den Machern die Animation des Stein-Wesens allerdings hervorragend gelungen. Das sieht zu keiner Zeit billig oder künstlich aus – selbst in den hell ausgeleuchteten Szenen wirkt der Troll absolut realistisch. Und bedrohlich. Denn obwohl Troll zwischendurch durchaus mit Humor auflockert (wofür vor allem Regierungs-Hütehund Andreas Isaksen zuständig ist) und sich innerhalb der Charakterzeichnungen nicht allzu ernst nimmt, geht Regisseur Uthaug bei der Zeichnung seines Titelhelden keine Kompromisse ein. Dieser Riese aus Stein ist niemand, mit dem man spaßen oder auf den man mit lächerlichen Kalibern schießen sollte. Kein Wunder, dass er sich dann auch mal in bester King-Kong-Manier Helikopter aus der Luft pflückt. Die Actionszenen mit dem Giganten überzeugen und stehen jenen amerikanischer Genrefilme in nichts nach.

Was macht der Herr Papa da bloß?

Erfreulicherweise hat man beim Casting über weite Strecken ein glückliches Händchen bewiesen. Denn mit Ine Marie Wilman hat man eine starke und energisch agierende Hauptdarstellerin gefunden, die nicht nur als „leading role“ überzeugt, sondern auch in den emotionalen Szenen mit ihrem Filmvater. Der wird von Gard B. Eidsvold gespielt und ist während seiner Szenen der heimliche Star des Films. Glücklicherweise gibt man ihn, bzw. sein exzentrisches Verhalten nicht der Lächerlichkeit preis. Kim Falck als Regierungsvertreter Isaksen bleibt zwar auf die Rolle des sprücheklopfenden Sidekicks reduziert, wird seinerseits aber ebenfalls nicht als lächerlicher Idiot gezeichnet. Und Mads Sjøgård Pettersen als „Käpt’n Kris“ ist ebenfalls ein Sympathieträger. Und auch wenn deren Figurenzeichnung insgesamt an der Oberfläche bleibt, fiebert man durchaus mit den einzelnen Menschen mit. Dass Troll in der heutigen Zeit nicht ohne Gesellschaftskritik auskommt, dürfte klar sein. Allerdings sind die Andeutungen, die gegenüber der Zerstörung der Natur – hier stellvertretend durch den Bau eines neuen Abschnitts der Dovre-Bahn – gemacht werden, nicht allzu vordergründig, eher im Gegenteil. Zum Unterhaltungswert tragen übrigens auch die zahlreichen Popkulturzitate bei. Die Macher scheinen beispielsweise große Star-Trek-Fans zu sein, wenn man sich den Spock-Gruß zwischen Andreas oder Nora und der Kollegin am Computer anschaut und mitbekommt, dass der Australian Shepherd auf den Namen „Zulu“ hört. Dass ein Wilhelm Scream ebenso wenig fehlen darf, ist Ehrensache und findige Filmfans werden noch zahlreiche weitere Easter Eggs finden.

Bild- und Tonqualität

Tobias weiß, was da aus dem Fels gekrochen ist

Troll liegt mit nativer 4K-Auflösung vor und in den ersten zwei Tagen auch mit Dolby Vision Grading. Seit Montag, 04.12.2022 gibt es das Ganze leider nur noch in SDR ohne HDR-Dynamik. Das fertige Produkt ist zudem ein wenig wechselhaft. So ist das Bild insgesamt etwas grünlich geworden, was Gesichter (gerade in der Einsatzzentrale) ein wenig kränklich aussehen lässt. Kontraste sind zudem ab und an etwas harsch geraten, helle Bereiche überstrahlen schon mal etwas, während dunkle zum leichten Absaufen neigen – insgesamt ein etwas künstlich-artifizieller Look, der mehr Natürlichkeit ausstrahlen dürfte. Hier und da gibt’s außerdem Blockartefakte (Wolken bei 10’40). In dunklen Szenen wird das Bild körniger, allerdings nicht filmisch körnig, sondern eher artifiziell körnig und sehr vordergründig – jedenfalls nicht hübsch und absolut nichts für solche Zuschauer, die Rauschen verteufeln. Schwarzwerte dürften zudem etwas knackiger sein, sie verfärben sich in der Einsatzzentrale gerne auch mal etwas bläulich. Immerhin: Die Schärfe in Close-ups ist ziemlich gut und offenbart auch feinere Gesichtsdetails oder Einzelheiten in Tweed-Jackets und die Animation des Titelhelden fügt sich optisch gut ins Geschehen ein.

Das Militär greift ein

Troll liegt fürs norwegische Original und den deutschen Ton in Dolby Atmos vor, was man durchaus mal beklatschen darf. Es sind leider immer noch viel zu viele Produktionen, denen keine deutsche Atmos-Fassung vergönnt ist. Der Kern wird in Dolby Digital Plus geliefert, was Standard ist. Klingen tut’s tatsächlich wirklich gut. und das sogar in puncto Dynamik. Wenn nach sechs Minuten das schwere Baugerät auffährt, donnert es ordentlich im Heimkino und die Subwoofer bekommen reichlich Arbeit. Klasse ist zudem durchweg die Räumlichkeit, die nicht nur den Filmscore über alle Speaker schickt, sondern auch sämtliche Arbeiten im Stollen. Fallen Gesteinsbrocken herunter und rumort es in dem frisch freigelegten Bereich nach etwas über sieben Minuten bekommt man fast eine Gänsehaut, so schaurig klingt das. Die eingeblendeten Überschriften werden ebenso mit effektvollen Sounds unterlegt, während die Dialoge stets gut verständlich bleiben. Auch im späteren Verlauf werden die Rears immer wieder aktiv mit einbezogen. Wenn nach 70 Minuten die Lichter eingeschaltet werden, klirrt es aus allen Speakern. Kurz darauf vernimmt man flüsternde Stimmen von überall.

Ein großes Kerlchen

Hören wir uns die Höhen-Ebene isoliert an, beginnt’s mit dem Score, der sich zusätzlich auf die Heights legt und von oben mitspielt. Dazu haucht der Wind hier und da aus der Luft über die Speaker. Wenn die Sprengung im Berg vollzogen wird, hört man die Partikel über die Köpfe sausen, was noch einmal ergänzt wird, wenn weitere Gesteinsbrocken herunterbrechen als der Troll erwacht. Auch die Sirene vor dem Abflug der Militärmaschinen wird auf die Höhen-Speaker gelegt. All das geschieht akustisch absolut korrekt vertont und macht durchweg Sinn. Natürlich hat man die Helikopter bei 10’30 ebenfalls korrekt mit auf die Heights gepackt – sie wandern sogar von hinten nach vorne, wenn sie mit Nora nach Oslo fliegen. Als sich das ältere Paar im Keller verschanzt, hört man den Titelhelden erneut von oben werkeln und wenn Nora dann kurze Zeit später im Heli sitzt, hört man die Rotoren gedämpft von oben – hier saß jemand an den Reglern, der alles richtig gemacht hat. Taucht der Troll dann das erste Mal in Großaufnahme auf, kracht und ächzt es aus der Höhe, während er seine versteinerten Gliedmaßen in Bewegung setzt. Der nächste richtig großartige Effekt sind die Kirchglocken, die immer dann exakt von oben zu hören sind, wenn die Hubschrauber an der Kamera vorbeifliegen. Auch Alarmgeräusche im Helikopter und einige der Troll-Attacken werden akustisch korrekt aus den Höhen-Speakern wiedergegeben. Starten im späteren Verlauf die Jets und werden hier und da mal größere Kaliber abgefeuert, wird auch das über die Deckenlautsprecher wiedergegeben. Klasse sind auch die Geräusche, die kurz vor dem Finale aufkommen, wenn der Riese auf Nora zu treten droht.

Fazit

Troll ist anspruchslose, aber durchaus packende Unterhaltung, der man kaum etwas vorwerfen kann. Uthaugs Film mag nicht als neue Godzilla-Referenz durchgehen, unterhält aber über seine Laufzeit durchaus. Die teils ärgerlichen Stereotypen kontert das Skript mit witzigen Humoreinlagen und tatsächlich durchweg charmanten Hauptfiguren. Dass der Troll klasse animiert ist, hilft außerdem. Und dass der Stream super klingt ebenfalls. Nur das Bild ist leider nicht sonderlich hübsch anzuschauen. Hier stört vor allem die Inkonsistenz von sauberer Bildwiedergabe in hellen Szenen und sehr verrauschten Momenten in dunklen Szenen.
Ach ja: Es lohnt sich, den Abspann bis zum Ende zu schauen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%

Tonqualität 2D-Soundebene (dt. Fassung): 85%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (dt. Fassung): 85%

Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 85%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 70%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 85%

Film: 65%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: Norwegen 2022
Regie: Roar Uthaug
Darsteller: Ine Marie Wilmann, Kim Falck, Mads Sjøgård Pettersen, Gard B. Eidsvold, Anneke von der Lippe
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): de, nw
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 104
Real 4K: Ja
HDR: Nein
Datenrate: 18.30 Mbps
Altersfreigabe: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)

Trailer zu Troll

TROLL | Official Trailer | Netflix


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Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:

Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen. Streaming-Filme werden zudem über mehrere unterschiedliche Apps Kontrolle geschaut, um etwaige deutliche Differenzen auszumachen.

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17 Kommentare
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k-ulf

Ist übrigens seit einigen Tagen wieder in Dolby Vision verfügbar.

dc_coder_84

Am 9. Februar erscheint „Howard the Duck – Ein tierischer Held“ auf 4K Blu-ray in Deutschland. Das schreit doch gerade zu nach einem Review, oder? 😀

dc_coder_84

Verstehe, ist auch voll trashig. Weiß auch gar nicht ob er mir heute noch gefallen würde, aber als Kind fand ich ihn sehr cool. Dann machen Sie halt ein Review von Wayne’s World. Der erscheint als 4K Blu-ray in drei Tagen am 8. Dezember 😉

derYodamyster

Wie kommst du auf Dolby Vision, Timo?
Der Film liegt auf Netflix in einfachem 4K UltraHD SDR vor, hat dein Player das SDR Bild eventuell in Dolby Vision ausgegeben?

Detlev

du hast dich nicht verguckt. ich hatte den film auch mit DV angeschaut, aber jetzt gibts den nur noch SDR 4k. echt komisch.

derYodamyster

Alles klar, danke für die Aufklärung.
Schade, da komm ich wohl ein paar Tage zu spät.
Aber leider kein Einzelfall bei Netflix.

Sunny

Der schon etwas ältere „Troll Hunter“ war ganz lustig. Gute „Found Footage“-Unterhaltung mit der richtigen Prise trockenem und schwarzem Humor. Ist natürlich keine Blockbuster-Produktion und auch nicht der Überhit, aber dennoch schön kurzweilig und recht atmosphärisch für das einmalige Ansehen…

Detlev

jup, troll hunter aus dem jahr 2010. hat bei mir auch ne gute bleibende erinnerung hinterlassen. könnte man sich eigentlich die tage nochmal anschauen. 🙂

k-ulf

Ich muss sagen mir gefällt Norwegens Antwort auf das Warner Bros Monsterverse besser als das was aus Hollywood in den letzten Jahren kam.
Nach dem phantastischen Godzilla (2014) ging es leider immer weiter bergab.
Der bisherige Tiefpunkt: Godzilla vs Kong.
Gerne können da ein paar Fortsetzungen kommen.
Für den richtigen Flair allerdings unbedingt im norwegischen Originalton mit Untertiteln ansehen.

ondy

Wenn ich ein film mit untertietel habe reist mich das immer aus dem film. Ich kann nur eins, lesen oder in ein film eintauchen.

ondy

Hab ich mir eben angesehen. Ich fand ihn wirklich klasse. Tolle effekte, toller troll, toller ton. Bitte bitte eine 4k uhd rausbringen.

Detlev

vielen dank für das review. ich fand der film ebenfalls recht unterhaltsam, auch wenn durchaus etwas mehr drin gewesen wäre. ach, atmos hat dann doch funktioniert 😉