Blu-ray Review
OT: –
Preussen Snuff
Man nehme Hitchcock, Polansik, den frühen Lynch, etwas Luis Buñuel sowie italienischen Giallo und fertig ist einer der außergewöhnlichsten deutschen Filme der letzten Jahre.
Inhalt
Sévèrine fühlt sich schon länger nicht mehr wohl in ihrer Beziehung zu Tom. Nach einer Art Traum, in dem sie sich verliebt, verlässt sie Tom. Der stürzt sich selbstmitleidig in eine Bar und lernt dort einen seltsamen Herrn kennen. Sein Vorschlag: Er entführt Sévèrine und überlässt Tom den Part des heldenhaften Retters. Als solcher wäre er wieder der echte Traumprinz für Sévèrine, die natürlich mit wehenden Fahnen zu ihm zurückkehren würde. Doch es kommt anders: Sévèrine bleibt mit dem Auto liegen, sucht Zuflucht in einem alten Haus und muss sich dort bald ihrer Haut erwehren, denn ein paar fiese Typen (unter ihnen der mysteriöse Fremde, der Tom den Vorschlag unterbreitete) filmen dort Snuff-Videos …
True Love Ways wird nicht von Ungefähr eine Nähe zu Polanski oder Hitchcock nachgesagt, wenn er in seiner zweiten Szene (im Schlafzimmer) sogar auf dezente Weise die Bildersprache eines frühen Lynch zitiert. Haben es deutsche Mainstream-Horrorfilme im Kino schon schwer, so fand das von Mathieu Seiler inszenierte Werk praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ganze 23! Besucher verzeichnete der Film, der mit vier Kopien in den Lichtspielhäusern lief – vermutlich alles Freunde und Bekannte der Filmbeteiligten. Schade eigentlich, denn um einen derart außergewöhnlichen deutschen Film zu sehen, muss man in der Historie schon weit, nein: SEHR weit zurückgehen. Dass True Love Ways trotz Snuff-Thematik und einiger krasser Bluteffekte nichts für Mainstream-Gorehounds ist, dafür sorgen die ungewöhnlichen schwarz-weiß-Bilder, die von Anfang bis Ende durchkomponiert sind und mit einem kongenialen Sountrack untermalt wurden. Manchmal schwappt etwas italieniescher Giallo hinein, wenn Seiler seine Protagonisten immer mal wieder von schräg oben und aus nächster Nähe filmt und stets mit stilsicheren Einstellungen für Atmosphäre sorgt. Auch das Finale in den Gewölben des Kellers stünde einem italienischen Genrewerk hervorragend – man nehme alleine die flackernde Leuchstoffröhrer während Sévèrines Gewaltakt. Geradezu großartig in der heutigen Zeit sind die altmodischen Blue- (oder Green)-Screen-Aufnahmen bei der Fahrt in ihrem alten Käfer. Dass True Love Ways sich durchaus Zeit nimmt, seine Geschiche zu erzählen, davon zeugt nicht nur die Laufzeit von gut 106 Minuten, sondern auch viele sehr lange Einstellungen. Für Freunde rasanter Filme ist das sicher eher anstrengend, Arthouse-Fans, die gerne mal über den eigenen Tellerrand schauen, wird aber genau das (er)freuen – zumal des Films finale Wendung dem Ganzen einen Sinn gibt und das blutschwangere und bisweilen schwer verdauliche (da erbricht sich die Protagonistin bspw. auf den abgetrennten Kopf ihres Ex-Lovers) Werk mit einer ganz eigenen romantischen Note schließt.
Bild- und Tonqualität
Das sw-Bild von True Love Ways liefert satte Kontraste und ein tiefes Schwarz. Allerdings sind bisweilen Auflösungsprobleme zu beklagen – so hat die Chromstoßstange des Volkswagen immer wieder mit Treppchenbildung zu kämpfen. Der eine oder andere Schmutzpartikel wirkt authentisch und wurde möglicherweise sogar absichtlich hinzugefügt. Das genutzte Korn wird in dunkleren Szenen noch einmal stärker und passt ebenfalls ganz gut zum Look des Films. Leider schwankt die Schärfe arg zwischen gut bis sehr gut und ziemlich mau. Akustisch lässt sich bei True Love Ways nicht viel holen. Der Ton liegt lediglich in zweikanaligem dts-HD-Master vor und klingt in den Effektsituationen (zerberstendes Glas o.ä.) reichlich dünn. Die Stimmen könnten zudem etwas weniger dumpf rüberkommen. Einzig der Filmscore ertönt recht ausgewogen.
Bonusmaterial
Die 3-Disk-Limited-Edition von True Love Ways enthält neben Interviews auf der Filmdisk auch noch eine Bonus-DVD, auf der geschnittene Szenen und Mathieu Seilers erster Spielfilm “Stephanies Geschenk” zu sehen sind. Obendrauf gibt’s den kompletten Filmsoundtrack, ein 16-seitiges Booklet und ein Filmposter.
Fazit
Die Tatsache, dass auf dem Cover von True Love Ways ein 18er-FSK-Siegel prangt und im Text das Wort “Snuff” auftaucht, lässt den Genrefreund aufhorchen – doch er könnte nicht falscher liegen. Denn das, was Mathieu Seiler hier präsentiert, ist so weit weg vom schnöden Horrorfilm, wie Fack Ju Göhte von intellektueller Tiefgründigkeit. Seilers Experimentalwerk mag sperrig sein, doch er hat mehr verdient, als 23 Käufer der Blu-ray!
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität: 40%
Bonusmaterial: 75%
Film: 70%
Anbieter: Donau Film/AL!VE
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Mathieu Seiler
Darsteller: Anna Hausburg, David C. Bunners, Kai Michael Müller, Beat Marti, Björn von der Wellen, Axel Hartwig, Michael Greiling, Margarita Ruhl
Tonformate: dts HD-Master 2.0: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 106
Codec: AVC
FSK: 18 (uncut)