Blu-ray Review
OT: Les Saisons
Frühling, Sommer, Herbst und Winter
Neues Futter für Naturdoku-Fans.
Inhalt
Vor ungefähr 15.000 Jahren haben sich die Reste der Eiszeit aus Europa zurückgezogen und den zuvor nur für einige widerstandstähige Tiere bewohnbaren Lebensraum für zahlreiche neue Tiere frei gemacht. Die Wälder entstanden erneut und mit ihnen ein ganz neuer Kosmos von Wiltieren und Pflanzen. Luchse, die durchs Unterholz streifen und Mäuse jagen, Bären, die sich in Machtkämpfen streiten, Wildpferde, die behende über Stock und Stein springen oder Wölfe und Füchse, die auf Beutezug gehen. Während der vier Jahreszeiten, die sich prägend über Wald und Bewohner legen, kommt es zu zahlreichen Lebenszyklen und Ereignissen, die spannend sind, wie es nur die Natur sein kann …
Wer Unsere Ozeane und Nomaden der Lüfte kennt, der weiß, was ihn erwartet, wenn die beiden Filmemacher der genannten Dokus erneut den Zauber der Natur auf die Leinwand bringen. Jacques Perrin und Jacques Cluzaud haben sich dieses Mal von den Lebensräumen der Ozeane und der Luft auf den Boden der Tatsachen begeben und präsentieren dem Zuschauer die vielfältige Fauna der europäischen Wälder. Das mag im ersten Moment wenig spektakulär klingen, doch wenn die zwei Dokufilmer in Unsere Wildnis mit nebelverhangenen Bildern aus dem Wald beginnen und die dortigen Tiere zunächst mal nur in kleinen Details zeigen, dann ist das eine Liebeserklärung sondergleichen an diesen Lebensraum: Hier lugt eine Rehnase hinter einem Baum vor, dort sieht man die Spitzen der Ohren eines Luchses – das ist einfach liebevoll geschildert und charakterisiert. Und plötzlich sind scheinbar wenig interessante Vögel oder Vierbeiner ein echtes Highlight. Natürlich hilft auch die Montage der Aufnahmen, um ein entsprechend lebhaftes und (manchmal niedliches) Bild zu erzeugen. Wenn die Rehmutter ihr Kitz zur Welt bringt und eine Eule scheinbar interessiert zuschaut, mag das so sicher nicht passiert sein – aber das ist eben die Magie des Films. Und die wirkt auch, wenn einige Wisents sich von ihren Dauerquälgeistern, den Fliegen befreien wollen – unweigerlich beginnt es den Zuschauer überall zu jucken und man fragt sich, wie die armen Tiere das dauerhaft aushalten. Unsere Wildnis bleibt dabei stets vertraut, selbst wenn man eher selten Wölfe in freier Wildbahn sieht. Doch alleine die heimischen Vögel, deren Gezwitscher nicht exotisch klingt, bringt dem hiesigen Zuschauer ein Stück Heimat ins Wohnzimmer. Während Rangeleien unter Bären natürlich eindrucksvoll aussehen, sind es aber oft die Szenen der kleineren Waldbewohner, die atemberaubend bebildert wurden.
Wenn Regentropfen auf die Fühler einer Schnecke fallen oder kleine Jungfrösche während eines Schauers durchs Unterholz hüpfen, dann schaut man staunend zu. Während es erfrischend ist, dass der Kommentator sich vornehm zurückhält und die Bilder sprechen lässt, hätte man sich allerdings die eingestreuten (nur angedeuteten) Aufnahmen der Menschen sparen können. Diese sollen ein wenig den Eindruck erwecken, dass man sich noch in einer Zeit des Anfangs dieses Lebensraumes befindet. Das allerdings wirkt eher störend als dramaturgisch sinnvoll. Da sich diese Szenen zunächst jedoch nur vereinzelt zeigen, kann man ganz gut darüber hinwegsehen. Zu Beginn des letzten Drittels werden diese aber eben auch dazu genutzt, um ein bisschen Kritik an der Domestizierung der Tiere sowie dem Zurückdrängen des Waldes durch den Menschen zu üben. Aber auch dafür hätte es die Momentaufnahmen von fellbemantelten Homo Sapiens nicht gebraucht. Vielleicht ist dieser Aspekt am Ende ein wenig überbetont und reißerisch inszeniert. Zum Beispiel in dem Moment, in dem eine auf einem fallenden Baum montierte Kamera verdeutlicht, wie der Riese zu Boden geht. Das wirkt dann leider arg inszeniert. Gleiches gilt für Szenen, in denen Wölfe vermeindlich geschossen werden. Ob das nun mittels Betäubungsmunition bewerkstelligt oder per Stolperfallen in Szene gesetzt wurde – hier greifen die Filmemacher aus Zuschauersicht etwas zu sehr in den Lebensraum ein, um eben genau das zu kritisieren. Gelungener sind da die eingefügten Kriegsszenen, die die beiden Filmemacher in Unsere Wildnis integriert haben. Wenn ein Soldat kurz innehält, um einen Vogel zu beobachten, ist das ein Sinnbild für die Unbedeutsamkeit des Menschen gegenüber der Natur, die ihn ohnehin überleben wird – egal, wie sehr die Zivilisation sie bedrängt.
Bild- und Tonqualität
Unsere Wildnis beginnt mit hellen Einstellungen einer verschneiten Landschaft, die man schon mal verwaschener und grauer gesehen hat. Im Wald indes fehlt’s ein wenig an Kontrastumfang und Farbkraft. Grün könnte etwas satter sein. Allerdings kommen die erdigen Töne gut rüber und wirken realistisch. Bildrauschen ist absolut nicht auszumachen und gerade wenn die kleinen Bewohnter des Waldes beobachtet werden (Kapitel 7) sind Schärfe und Detailtiefe hervorragend. Ebenfalls gut gelingen die epischen Aufnahmen aus der Vogelperspektive sowie die Bildruhe, die keinerlei Bewegungsartefakte zeigt.
Der Ton von Unsere Wildnis startet mit kalten Winden, die vehement durchs Heimkino pusten und den Zuschauer frösteln lassen. Authentisch und echt wirkt das akustische Geschehen auch dann, wenn die Büffeltiere sich den Schnee vom Fell schütteln. Wenn es dann in den Wald geht und frühlingshaft die Vögel zu zwischtern beginnen, könnte man denken, es wäre gerade April/Mai und draußen beginnen die ersten Knospen zu sprießen – selten fühlte man sich mehr mittendrin in einer Naturdoku. Eigentlich gibt’s hier überhaupt nichts zu meckern, denn auch die Tiergeräusche bleiben authentisch und der Sprecher kommt prägnant und gut verständlich aus der Mitte. Und wenn nach gut 40 Minuten eine Herde Wildpferde durch den Wald galoppiert, darf auch der Subwoofer ordentlich ins Geschehen eingreifen.
Bonusmaterial
Neben einer B’Roll, die Synchronsprecher/Schauspieler/Kommentator Sebastian Koch bei der Arbeit im Studio zeigt, gibt’s auch noch ein Interview mit der Stimme des Films. Koch, der aktuell auch in der fünften Staffel von Homeland zu sehen ist, beschreibt, dass Unsere Wildnis fast ohne Worte auskommt und von seinen Bildern lebt – und das sagt gerade er, der den Kommentar eingesprochen hat.
Fazit
Mal nicht Löwe, Tiger & Co., sondern Spitzmaus, Reh und Wolf – Unsere Wildnis geht ganz bewusst den Weg, den Lebensraum zu zeigen, den jeder Europäer vor seiner eigenen Nase hat. Kritik an der Entwicklung des Waldes durch Menschenhand nimmt ebenfalls ihren Raum ein und wirkt manchmal etwas künstlich inszeniert. Nichtsdestotrotz ist der Film vom Duo Perrin/Cluzaud Pflicht für alle Naturdoku-Freunde.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%
Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: D/F 2015
Regie: Jacques Perrin, Jacques Cluzaud
Sprecher: Sebastian Koch
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, fr
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 96
Codec: AVC
FSK: 0