Vaiana – Das Paradies hat einen Haken 3D

Blu-ray Review

OT: Moana

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Walt Disney, 20.04.2017

 


Jenseits des Riffs

Disneys jüngster Hit ist ein Märchen geworden, dass moderne und traditionelle Themen vereint und fantastisch bebildert ist.

Inhalt

Vaiana ist ein lebhaftes kleines Mädchen, das durch die Geschichten ihrer Großmutter erfährt, wie einst der Halbgott Maui der Göttin Te Fiti ein magisches Artefakt entwendet hat und deshalb die Dunkelheit heraufbeschwor. Als die Fischer des Dorfes keinen Fang mehr machen und die Kokosnüsse faulig geerntet werden, will Vaiana, die seit ihrer Kindheit eine ganz besondere Beziehung zum Ozean hat, weit hinausfahren, um dort nach der Lösung zu suchen. Ihr Vater Chief Tui findet das allerdings überhaupt nicht gut, will er doch, dass Vaiana ihm einst auf dem Posten folgt und nicht, dass sie irgendwelchen Fantastereien auf dem Ozean hinterher rennt. Doch Vaiana wäre nicht das mutige Mädchen, wenn sie nicht ihren Kopf durchsetzen und sich doch auf die gefährliche Reise machen würde. Denn, so hofft sie: Wenn sie Maui irgendwo da draußen findet und mit seiner Hilfe das Artefakt an den angestammten Ort zurückbringt, kommt das Gleichgewicht der Inseln wieder in Ordnung. Doch Maui finden ist eine Sache, den selbstverliebten Halbgott davon zu überzeugen, ihr zu helfen, eine ganz andere …

Auch im 56. Film bleibt Disney sich seinem Motto der perfekten Familienunterhaltung mit leicht lehrhaftem Touch und grundguter Moral treu. Vaiana – Das Paradies hat einen Haken liefert dabei allerdings bedeutend mehr Abenteuer als der moderne Klassiker Die Eiskönigin und liegt mindestens auf dem Tempo-Niveau des direkten Vorgängers Zoomania. Dazu liefert er eine Postkartenkulisse, die dermaßen atemberaubend ist, dass der augenblickliche Wunsch nach einem Südsee-Urlaub ins Bewusstsein rückt. Verantwortlich für dieses ebenso zauberhafte wie rasante Märchen sind John Musker und Ron Clements, die schon die Feder bei Aladdin führten und diesen in der einen oder anderen Szene zitieren. Die Geschichte selbst dreht sich um ein mutiges Mädchen, das quasi im Alleingang dafür sorgt, dass das natürliche Gleichgewicht zwischen den Inseln wieder hergestellt wird. Dabei bricht sie mit altkonservativen Traditionen – quasi eine kleine Feministin unter den doch eher machohaften Hünen der polynesischen Dorfbewohner. Nicht ganz unähnlich der Story von Niki Caros großartigem Whale Rider tut Vaiana, was ihr die Regeln untersagen und überrascht am Ende vor allem den eigenen Papa. Disney unterstützt das Thema der starken Frauenrolle noch damit, dass man der Hauptfigur eben keine schlanke Taille verpasste und sie nicht zum Magermodel stilisierte. Vaiana hat eine glaubhafte Figur und kräftige Arme. Auf diese Weise traut man ihr die Actionszenen ohne Weiteres zu und sie taugt so noch viel besser zur Identifikationsfigur für junge Zuschauerinnen.

Natürlich gibt es abseits solcher Neuerungen aber auch typische Figuren, die einem bei den Trickfilmen Disneys stets ans Herz wachsen. In Vaiana darf ein kleines Hausschweinchen für den Niedlichkeitsfaktor und ein ziemlich dummer Hahn namens Heihei für den humorigen Sidekick sorgen. Letzterer ist aber auch zum Schreien, wenn er einen Stein pickt und dann herunterschluckt, nur um ihn dann wieder hochzuwürgen und erneut drauf rumzupicken. Der bunte Hühnerich ist quasi der Homer Simpson des Films und sorgt für noch größere Lacher, wenn er ein ums andere Mal Haraki(ke)ri(ki) begehen will, nachdem er realisiert, dass er auf einem Floß mitten im Meer ist. Wirklich witzig sind auch die Wortgefechte und anfänglichen Zickereien zwischen den beiden Hauptfiguren. Wenn selbstverliebter Macho-Halbgott und renitente Abenteuerin aufeinandertreffen oder Mauis Formwandlungen nicht mehr klappen, sorgt das für tollen Slapstick und ebensolchen Dialogwitz. Sogar Seitenhiebe auf andere Disney-Filme gibt’s, wenn der tätowierte Kerl seiner Begleiterin immer wieder entgegenschmettert, dass sie eine verwöhnte Prinzessin sei. Das lässt sogar darüber hinwegsehen, dass natürlich auch hier (und das nicht wenig) gesungen wird. Allerdings sind ein paar Nummern sogar in der deutschen Übersetzung ganz gut geworden und die tahitianischen Songs sind sogar richtig klasse. Andreas Bourani, den man als Maui besetzt hat, passt für die Lieder natürlich hervorragend, wirkt aber während der Sprechszenen nicht voluminös genug. Da hätte Ingo Albrecht, die deutsche Synchronstimme Dwayne Johnsons (der den Halbgott im Original spricht) deutlich besser gepasst. Wenn mal nicht gerade gewitzelt oder gesungen wird, gibt’s natürlich auch zünftige Action – und die ist bisweilen schlicht sensationell. Wenn die Kokomora wie angriffslustige Kokosnuss-Minions von ihren Piratenschiffen (die stark an die martialischen Vehikel aus Mad Max: Fury Road erinnern) das Floss von Vaiana und Maui angreifen, ist das ebenso rasant wie die Auseinandersetzungen mit dem Vulkanmonster Te Ka.

Unglaublich aber ist vor allem, wie viel Recherche man seitens Disney betrieb, um der polynesischen Folklore der pazifischen Inselbewohner gerecht zu werden. Von den akribisch choreografierten Tänzen, in denen jede Finger- und Handbewegung stimmt, über die traditionell mit Messer oder Meißel gehämmerten Tätowierungen bis hin zur Bekleidung und den Instrumenten passt hier einfach alles. Fünf Jahre an Reisen und Vorbereitungen stecken dahinter, die von den beiden Regisseuren teils höchstpersönlich vorgenommen wurden. Das führte beispielsweise auch dazu, dass Vaiana der erste Film aus dem Studio ist, der auf Tahitianisch übersetzt wurde und sogar ein paar Songs in der traditionellen Sprache bietet. Es lohnt sich deshalb auch (und sogar gerade), auf die Details zu achten. So erzählen beispielsweise die Tattoos, bzw. der vorlaute Mini-Mauri seine ganz eigene Geschichte, während im Vordergrund die eigentliche Story abläuft. Mini-Mauri kommentiert das Verhalten seines formwandelnden Besitzers und gibt immer wieder das echte Seelenleben seines Wirtes preis. Und wer genau hinschaut, wird gleich ein Dutzend Querverweise auf anderen Disney-Filme finden. Zu guter Letzt wissen wir nach dem Ende des Films auch endlich, woher der Ausdruck „Twittern“ stammt.

Bild- und Tonqualität

Wie es sich für einen Animationsfilm gehört, so liefert auch Vaiana – Das Paradies hat einen Haken ein absolut perfektes Bild. Absolut ruhig und ohne jede Unruhe oder Körnung wird der Pazifik zum Leben erweckt. Jedes Sandkorn scheint einzeln animiert und wird entsprechend auf der Leinwand oder dem TV dargestellt (35’34). Die Detailvielfalt auf dem bewachsenen Felsen ist dermaßen atemberaubend, dass man sofort an diesen Ort möchte (17’38). Das türkisgrüne Meer ist schlicht hyperreal und die Tiefe ist schon auf der 2D-Version des Films sensationell. Der manchmal etwas weichere Look wird dem Thema gerecht und passt perfekt zur Atmosphäre auf den pazifischen Inseln. Auch während der dunkleren Szenen geht die Zeichnung nicht verloren und die Schwarzwerte sind hervorragend. Und was die Farben angeht, bleibt nicht viel übrig als eine heruntergeklappte Kinnlade – fabelhaft.
Akustisch liefert Disney, wie schon oft bevor, eine deutsche Spur in dts-HD-High-Resolution, während die Originalfassung im unkomprimierten dts-HD-Master vorliegt. Im direkten Vergleich ist von dieser Differenz allerdings kaum etwas zu hören. Minimal druckvoller und vielleicht ein kleinwenig feiner in den Songs klingt der englische Sound. Davon ab ist Vaiana von Beginn an äußerst atmosphärisch und lebt vor allem vom fantastischen Score, der die sehr vocalen und percussiven Klänge perfekt extrem direktional gerichtet wiedergibt. Dazu kommen immer wieder sehr weiträumige Natur- und Tiergeräusche und glasklare Dialoge. Auch die Gesänge werden griffig und sehr ausgewogen aus den Lautsprechern  . Eine wunderbare Atmosphäre stellt sich ein, wenn Vaiana in der Höhle die Trommel schlägt (23’40) und die Töne mit dem entsprechenden Hall zurückgeworfen werden. Richtig dynamisch ist das Gewitter nach etwas über einer halben Stunde, das den Subwoofer ordentlich zur Sache bittet und richtig Druck macht (35’14). Die Surroundsprecher bekommen dann wieder richtig zu tun, wenn Maui und Vaiana durch den Wasserstrudel Richtung Tamatoa gesaugt werden (57’44).

3D-Effekt

Da Vaiana komplett am Rechner entstanden ist, handelt es sich entsprechend um einen Real-3D-Film, der keinerlei Konvertierung brauchte. Dass Disneys 3D-Spezialisten ihr Handwerk verstehen, sieht man schon bei den anfänglichen 2D-Animationen und es geht so lebhaft und plastisch weiter. Figuren schälen sich plastisch vom Hintergrund ab und wenn Maui als Greifvogel Richtung Kamera fliegt, kann man ihn förmlich aus dem Bild greifen. Bisweilen gibt es mehrere Tiefenebenen, die eine absolut dreidimensionale Wirkung erzeugen (4’15). Das Dorfleben zu Beginn von Kapitel 2 liefert so viel Räumlichkeit, dass man sich mitten auf dem Pfad wähnt, der die Hütten verbindet. Pop-out-Effekte wie der zum Zuschauer geschleuderte Sand, den sich Vaiana aus den Haaren schüttelt (35’33) oder die Enterpfeile der Kokomora-Krieger (45’59) erfreuen den Fan des vordergründigen 3D-Effekts und wenn sich dutzende der Kokosnuss-Kämpfer an den Seilen aufs Floß zu schwingen beginnen, sieht das in 3D schon klasse aus. Ebenso klasse ist auch der Wasserstrudel, in den Vaiana und Maui tauchen und dessen emporsteigende Luftblasen ein wenig an den noch heute großartigen 3D-Flug der Eulen in Zack Snyders Die Legende der Wächter erinnern (ab 57’40).

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Vaiana liegt (ausgenommen eines Kurzfilms) ausschließlich auf der Blu-ray der Doppel-Disk vor. Es enthält zunächst die zwei Kurzfilme „Herz oder Kopf: Inner Workings“ und „Angeln gehen“. Dazu gesellen sich die Featurettes „Das Erbe der Inseln“, „Was sie nicht wussten über …“, „Mode für die Inseln“, „Animationskünste für Vaiana“, „Die Musik von Vaiana“ sowie ein zusätzlicher Filmsong, ein Bereich, in dem die versteckten Querverweise auf andere Disney-Klassiker entlarvt werden und sieben zusätzliche Szenen. Komplettiert wird das üppige Angebot vom Audiokommentar der beiden Regisseure und dem Titelsong „How Far I’ll Go“ von Alessia Cara. „Das Erbe der Inseln“ läuft gut 30 Minuten und erzählt vor allem, wie sich die beiden (sich seit fast 40 Jahren kennenden Co-Regisseure) auf ihre Reise zu den pazifischen Inseln Fidschi, Samoa, Savai’i, Tahiti, Vahine  Mo’orea begaben, um dort Recherche für den Film zu betreiben. Fantastische Bilder begleiten das Feature und die Reise der Zwei. „Was sie nicht wussten über …“ beantwortet ein paar persönliche Fragen an die beiden Regisseure und die zwei Hauptcharaktere, die von Auli’i Cravalho und Dwayne Johnson gesprochen wurden. Auf die Frage nach dem Lieblingsessen antwortet „The Rock“ in seiner unnachahmlich selbstironischen Art: „Cheat day or non cheat day?“. „Mode für die Inseln“ lässt die Kostümdesignerin des Films zu Wort kommen und „Animationskünste“ offeriert einige Hintergründe über die Animationsarbeit am Film. Besonders spannend war für die Künstler der Mix aus 2D- und 3D-Animation bei den Tattoos auf Mauis Körper. In „Die Musik von Vaiana“ kommen dann die Komponisten Mark Mancina, Opetaia Foa’i und Lin-Manuel Miranda zu Wort, die für den fantastischen Score und die Songs des Films verantwortlich sind. Auch hier wird deutlich, wie sehr man der Tradition der Inseln bewahren wollte.

Fazit

Endlich mal keine Liebeskummer-Traumprinz-Geschichte mit schmachtender altbackener Frauenfigur, sondern eine moderne und emanzipierte Protagonistin, die mutig und geradlinig ihr Ziel verfolgt. Disney scheint erwachsen zu werden und liefert mit Vaiana – Das Paradies hat einen Haken das filmische Pendant zu Pixars Merida ab – ökologische Botschaft inklusive. In Sachen Animation und Technik der Blu-ray muss man hier eigentlich kein Wort mehr verlieren, denn viel besser geht’s nun wirklich nicht.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 100%
Tonqualität (dt. Fassung): 85%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 80%
Film: 90%
3D-Effekt: 90%

Anbieter: Walt Disney
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Ron Clements, John Musker
Sprecher: Lina Laariss Strahl, Debby van Dooren, Andreas Bourani, Thomas Nero Wolff, Maud Ackermann, Tommy Morgenstern
Tonformate: dts HD-Master 7.1: en // dts HD-High-Resolution 7.1. de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 107
Codec: AVC/MVC
Real 3D: Ja
FSK: 0

Trailer zu Vaiana

VAIANA - Erster offizieller Trailer (deutsch | german) - Weihnachten 2016 im Kino | Disney HD

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