Vice – Der zweite Mann

Blu-ray Review

Universum Film, 28.06.2019

OT: Vice

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„Träge, vollgepisste Null“

In Adam McKays Biopic über den Ex-Vizepräsidenten Dick Cheney bekommen wir einen süffisant-satirischen Einblick in das Leben des „Gespensts“.

Inhalt

Wyoming 1963: Dick Cheney wird wiederholt mit Alkohol am Steuer aufgegriffen.
Washington 2001: Dick Cheney informiert den US-Präsidenten über die Anschläge auf das World Trade Center.
Bis es jedoch so weit kommt, muss sich Cheney vom faulen Studenten über einen Laufburschen-Job bei Donald Rumsfeld bis hin zum Abgeordneten empor arbeiten. Und der Weg ins Weiße Haus ist gesäumt von Vetternwirtschaft, Vitamin-B und Machtspielchen …

Richard Bruce Cheney: Jüngster Staabschef im Weißen Haus unter Gerald Ford, zwischen 1978 und 1989 Mitglied für die Republikaner im Repräsentantenhaus. Danach unter George Bush Verteidigungsminister und Vizepräsident unter dessen Sohn George W. Bush von 2001 bis 2009  – diesem Dick Cheney (wie er gemeinhin einfach nur genannt wurde) widmet sich nun Will Ferrells Haus- und Hof-Regisseur Adam McKay (Anchorman, Die etwas anderen Cops, Stiefbrüder etc.). Dass McKay aber auch anders kann als alberne Filme mit noch alberneren Darstellern zu inszenieren, bewies er mit The Big Short. Für das Politdrama erhielt er bei den 88. Annual Academy Awards nicht nur eine Nominierung als bester Regisseur und seine Produzenten für den besten Film – nein, er heimste mit Kollege Charles Randolph gleich den Oscar für das beste Originaldrehbuch ein. Und weil The Big Short sein letzter Film war, blieb er sich drei Jahre später treu, versammelte erneut seine ihm bekannten Darsteller um sich herum und realisierte dieses Biopic.
Dass sich Vice keineswegs zu ernst nehmen möchte, macht schon der kurze Einleitungstext klar. Mit den Worten „Wir haben uns aber scheiss Mühe damit gegeben“ beschreibt man, dass man die Story um den Ex-Vizepräsidenten so nah wie möglich an der Wahrheit inszenieren wollte.
Vice ist demnach auch keine ehrende Politiker-Biografie. Vice ist eine unverhohlene Satire.

Unmissverständlich macht McKay klar, wer in den acht Jahren der schläfrigen Amtszeit von George W. Bush wirklich die Fäden in der Hand hielt. Wer dafür sorgte, dass gewisse Firmen im Rahmen von Kriegshandlungen kommerziell bevorteilt wurden (natürlich jene, denen er bis Mitte 2000 noch als CEO vorstand und von denen er bis 2004 noch Abfindungen erhielt). Und wer im Krieg gegen den Terror eine Chance sah.
McKay fügt Bilder unterbezahlter Fließbandarbeiter oder im scheinbaren Rauschkonsum tanzender Menschen unter einen Off-Kommentar, der erzählt, wie Cheney es schaffte, seine groß angelegten Macht- und Finanzinteressen am gemeinen Volk vorbei zu instruieren, weil der Krieg gegen den Terror alle kritische Distanz vernebelte.
Ausgerechnet Cheney. Ein Mann, der in seinen jungen Erwachsenen-Jahren vor allem als schlechter Schüler/Student sowie durch reichhaltige Säufereien und seine fünffache Verweigerung, in Vietnam Soldatendienst zu leisten, auffiel. Bittere Ironie des Schicksals, dass ein vor dem Militärdienst sich drückender Politiker später so zahlreiche US-Soldaten zu unterschiedlichsten Kampfschauplätzen auf der Welt schickte und wohl kaum etwas für Drückeberger übrig gehabt hätte.

Vice lässt Cheney zunächst als ungeschickten Handlanger und Laufburschen für Donald Rumsfeld (großartig: Steve Carell) auftreten. Zeigt, wie er geduldig abwartet, um seine Chance zu bekommen. Und Cheney bekommt seine Chance – unter George W. Bush.
Was dem Film durchweg hervorragend gelingt, ist die kurzweilige und rasante Inszenierung. Zwar ist die Wackelkamera ab und an etwas zu viel des Guten, doch selbst für politikmüde Zuschauer wird das Geschehen höchst unterhaltsam vorbereitet.
Und es wird sensationell dargeboten. Von Christian Bale, der sich erneut 20kg Fett anfutterte (und daraufhin verkündete, so eine Tortur niemals mehr zu vollziehen) und den Cheney mit seiner typischen Leidenschaft spielt über Amy Adams, die ebenfalls unter einer dicken Portion Schminke steckt, als seine Frau bis hin zu Sam Rockwell als George W. Bush. Bei Letzterem ist erstaunlich wie wenig man optisch verändern musste. Ein bisschen Frisur hier, etwas graue Augenbrauen und ein wenig ausgeprägterer Nase sitzt der jüngere Bush leibhaftig vor einem. Dass man bei allen Darstellern die Maske eindeutig erkennt – geschenkt. Die Illusion funktioniert trotzdem.
Am Ende hätte Vice vielleicht noch etwas böser sein dürfen, aber wer bis zum Abspann abwartet, bekommt noch einen ziemlich derben Seitenhieb auf den aktuellen Präsidenten. Und dass die Administration Bush jr. mit ihren strategischen Fehlinformationen dem IS und dessen Terror erst den Weg bereitete, kann man gar nicht oft genug wiederholen, um ein Mahnmal gegen zurecht gelogene Informationen bei zukünftigen Krisensituationen zu setzen.

Bild- und Tonqualität

Vice wurde mit unterschiedlichsten Analog-Kameras aufgenommen, die unterschiedliche diverse analoge Filmmaterialien nutzten. Von 8mm-Material für die Rückblicke in Cheney Privatleben über 16mm bis hin zu regulärem 35mm reicht die Spannweite. Sämtlichen Bildern ist gemein, dass man sich erst gar nicht die Mühe machte, sie zu entrauschen. Das analoge Korn ist allgegenwärtig und weckt bewusst Erinnerungen an die großen Politdramen der 70er. Die Kontrastdarstellung passt in den meisten Einstellungen, die in der Gegenwart spielen. Häufige Randunschärfen im unteren Bereich begleiten das Geschehen und die Farben sind bewusst etwas stilisiert – je nach Setting mal grünlich, mal braun oder orange. Um die Stilisierung zu komplettieren, gibt es sogar leichte Blitzer ab und an. Während es finalen Interviews ist das Bild dann bisweilen bewusst weich und mit Wischeffekten versehen.
Akustisch geht in Vice die Post ab – vor allem für eine Satire/Komödie/Drama. Wenn die Drohnen von hinten am Zuschauer vorbeischießen, geht man fast in Deckung (5’33). Auch die Bilder, die Kriegshandlungen schildern, werden räumlich und druckvoll wiedergegeben (Explosion 23’01). Leider sind die Dialoge (gerade zu Beginn) ziemlich dumpf geraten und oft schwer verständlich. Später bessert sich das etwas, wobei ihnen nach wie vor die höheren Frequenzen etwas fehlen.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Vice – Der zweite Mann besteht aus einem Feature über eine bestimmte Musical-Szene, die es später aber nicht in den Film geschafft hat. Dazu gesellen sich noch drei entfernte Szenen sowie das 34-minütige Making-of, das recht aufschlussreich und gehaltvoll daher kommt.

Fazit

Vice – Der zweite Mann ist eine bisweilen brillante Politsatire, die noch einmal entlarvt, was für eine Politiker-Gurke George W. Bush eigentlich war und wer hinter dessen Rücken wirklich die Fäden gezogen hat. Außerdem wird klar, dass die Zeit unter Cheney erst den Weg bereitete, auf dem Trump nun seinen aggressiven Kurs fährt. Sensationell gespielt und authentisch gefilmt, gehört die Blu-ray deshalb in jede Sammlung anspruchsvoller Filmfreunde.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Adam McKay
Darsteller: Christian Bale, Amy Adams, Steve Carell, Sam Rockwell, Alison Pill, Eddie Marsan
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 134
Codec: AVC
FSK: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universum Film)

Trailer zu Vice – Der zweite Mann

Vice - Der zweite Mann - Trailer (deutsch/ german; FSK 6)

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