Victoria

Blu-ray Review

Victoria Blu-ray Review Cover
Senator/Universum, seit 20.11.2015

OT: –

 


Nur eine Nacht

Manchmal muss Kino nur mutig sein, um zu überzeugen.

Inhalt

Victoria kommt aus Spanien und tanzt sich die Füße in einem Berliner Club wund. Vor der Tür stößt sie auf die vier Kumpels Sonne, Boxer, Blinker und Fuß. Nicht, dass sie bei den seltsamen Namen misstrauisch würde, streunt sie fortan mit ihnen durch die Nacht der Hauptstadt. Ein bisschen komisch findet sie zwar, dass sie zwischendurch einen lokalen Supermarkt um Bier erleichtern, doch Sonne kümmert sich charmant um die Partygängerin und geht für einen Moment Solowege mit ihr. Als dann allerdings Boxer aufgelöst die Zweisamkeit sprengt und Sonne daran erinnert, dass die Jungs noch einen Auftrag hätten. Der beinhaltet das Ausrauben einer Privatbank und da Fuß, der als Fahrer vorgesehen war, volltrunken daniederliegt, braucht man einen Ersatz: Victoria …

Hier kommt der ungewöhnlichste Film, den das deutsche Kino in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Sebastian Schippers sich um seine Protagonisten drehende und kreisende Victoria war als Experiment gedacht und räumte dann mal eben den Silbernen Bären für die beste Kamera (Sturla Brandth Grøvlen) sowie eine goldene Lola in sechs Kategorien beim Deutschen Filmpreis ab. Es ist aber auch wohlverdient. Gedreht wurde Victoria komplett am Stück und in einer einzigen Kameraeinstellung. Es gab nur ein kurzes Drehbuch und der Großteil der Dialoge wurde am Set improvisiert. Drei Mal drehte Schippers den Film am Stück und die Endfassung kommt vollständig ohne Schnitte aus. Natürlich kann so ein Experiment nur gelingen, wenn die beteiligten Schauspieler und Filmemacher mit Leidenschaft und Überzeugung bei der Sache sind und die gemeinsame Anstrenung im Kollektiv erledigen. Dazu kam eine entsprechende logistische Planung, um die Strecke und Ereignisse, die der Film zurücklegt und zeigt, auch umsetzen zu können sowie mit Sturla Brandth Grøvlen ein Kameramann, der . Was Schippers uns seinen Darstellern dabei in die Hände spielt, ist der geschickte Schachzug, zwei Nicht-Native-Speaker aufeinandertreffen zu lassen. Sowohl für Sonne als auch für Victoria ist Englisch, die Sprache, mit der sie sich verständigen, nicht ihre gewohnte. So konnte man Holprigkeiten während der langen Drehzeit einfach frech in die Kommunikationsstruktur integrieren und es fällt gar nicht erst auf. Dass Victoria nicht nur als Experiment, sondern auch als Film geglückt ist, liegt vor allem am großartigen Zusammenspiel von Frederick Lau und Laia Costa. Die zwei Darsteller überzeugen vor allem in den starken Momenten, die sie alleine zeigen und eine romantik-ähnliche Stimmung erzeugen. Die dramatischen Sequenzen nach dem Banküberfall hingegen wirken etwas aufgesetzt hektisch und hysterisch. Hier wäre etwas weniger Rumgebrülle durchaus weniger anstrengend gewesen. Während des hochdramatischen Aufeinandertreffens mit der Kripo und der sich immer drastischer steigernden Ereignisse kehrt das rohe und glaubwürdige Verhalten aber wieder zurück und gipfelt in einem Finale, das derart intensiv im deutschen Kino vielleicht überhaupt noch nicht realisiert wurde – unangenehmes Gefühl in der Magengegend inklusive. Wenn dann die knapp 140 Minuten Spielzeit vorbei sind, kann man beinahe gar nicht mehr glauben, dass sich Sonne und Victoria erst vor knapp zweieinhalb Stunden kennengelernt haben. Denn wenn Schippers Film eins leistet, dann vor allem, dass man so sehr Teil der Geschichte geworden ist, dass man das Gefühl hat, die Figuren schon ewig zu kennen.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Victoria ist vor allem eins: ziemlich dunkel. Dazu noch brutal körnig, wenig scharf oder gar kontrastschwach. Sicherlich ist das vor allem dem Einsatz der Kamera in der Nacht geschuldet und fühlt sich am Ende auch echt an – schön, so ehrlich muss man sein, ist’s aber überhaupt nicht. Auch akustisch bleibt Victoria unspektakulär, liefert nur während der Diskotheken-Szenen ein wenig Dynamik oder Räumlichkeit. Ansonsten dominieren die Dialoge, die aufgrund der unmittelbaren Mikrofonierung nicht immer glasklar verständlich sind. Auch das ist nach technischen Gesichtspunkten nicht mitreißend, fördert aber extrem das realistische Empfinden für den Film an sich.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Victoria gesellen sich ein Audiokommentar des Regisseurs sowie Interviews mit demselben und Hauptdarsteller Frederick Lau zu einigen Kameratests und entsprechenden Szenen aus dem Casting.

Fazit

Auch wenn es viele langweilig finden werden oder damit nichts anfangen können – echter, authentischer und unmittelbarer kann Kino nicht sein als in Victoria.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%

Anbieter: Senator/Universum Film
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Sebastian Schipper
Darsteller: Laia Costa, Frederick Lau, Franz Rogowski, Burak Yigit, Max Mauff, André Hennicke, Anna Lena Klenke, Philipp Kubitza, Eike Schulz
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 139
Codec: AVC
FSK: 16

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!