Von Menschen und Pferden

DVD Review

Von Menschen und Pferden DVD Review Cover
EuroVideo, ab 25.06.2015

OT: Hross í oss

 


Die Wahrheit im Auge des Pferdes

Ein filmisches Erlebnis ist der isländische Festivalgewinner Von Menschen und Pferden.

Inhalt

Ein kleines, weitverstreutes Örtchen irgendwo in Island: Die Ankunft von Kolbeinn bei der jungen Witwe Solveig wird von sämtlichen Nachbarn mit Ferngläsern und bei Kaffee und Gebäck beobachtet – nichts bleibt hier im Verborgenen. Folgerichtig auch nicht die Tatsache, dass Kolbeins Stute Grána von Solveigs Hengst Brúnn bestiegen wird – selbstredend während Kolbeinn noch auf seinem weißen Ross sitzt. Dieses „Vergehen“ wird schwere Konsequenzen für Grána haben. Währenddessen tun sich aber noch andere Dinge in der Gegend: Der Nachbarschaftsstreit zwischen zwei Bauern führt zu einer schweren Augenverletzung und einem tragischen Unfall, ein spanischer Einwanderer entdeckt die Frau seines Lebens und ein trunksüchtiger Dörfler hat seine ganze eigene Art und Weise an hochprozentigen Stoff zu kommen …

Von Menschen und Pferden ist genau die Sorte Filme, die dem Arthaus-Fan Tränen vor Lachen in die Augen treiben wird. Das Regiedebüt des isländischen Schauspielers und Drehbuchautors Benedikt Erlingsson versprüht genau den rauen, kühlen Charme und den lakonischen Humor, den man den Bewohnern der skandinavischen Länder und auch Island gerne unterstellt. Die Tatsache, dass er seinen Film aus der Sicht der Pferde beschreibt, macht schon einen Hauptteil der außergewöhnlichen Atmosphäre aus. Dazu erzählt Eringsson, der bisher vor allem Kurzfilme inszeniert hatte, keine durchgängige Geschichte, sondern kurze, mitunter lose ineinander verwobene Episoden, die immer mit einer überraschenden Pointe aufwarten und vor monty-pythoneskem Humor pechschwarer Natur nicht zurückschrecken. Ebenso wird aber das tragikomische Element integriert – immerhin birgt die Einsamkeit sowie die Schroffheit und Weite des Landes auch die eine oder andere Gefahr. Ein ganz besonderes Lob gebührt den Pferdetrainern und den ausgewählten Tieren. Was die Trainer hier mit den Rössern erreichten, dürfte bisweilen einzigartig sein. Nicht nur, dass man vermutlich noch nie gesehen hat, wie ein Pferd das andere besteigt, während noch ein Reiter darauf sitzt, ist es schon außergewöhnlich, einen Gaul hunderte Meter weit ins Meer schwimmen zu sehen – ebenfalls mit seinem Besitzer auf dem Rücken.

Trotzdem Pferde in Von Menschen und Pferden der Dreh- und Angelpunkt sind, hat Erlingsson seinen Film mit tollen Darstellern besetzt, die den ersonnenen Humor bestens unterstützen. Ob das durch ihre reduzierte Mimik, die spürbare Melancholie in den Gesichtern oder auch die bewusst seltsame Reiterhaltung passiert. Es ist alleine schon zum Schreien komisch, wie stocksteif Ingvar Eggert Sigurðsson auf der äußerst schnell töltenden Stute sitzt und wie ihn dabei alle Nachbarn mit Ferngläsern beobachten – sensationell! Jetzt muss man schon ein wenig offen sein für Bilder wie jenes vom Cover der DVD und sich auch darüber amüsieren können, dass Kolbeinn in dieser Situation wohl die höchste Form der Erniedrigung zuteil wird – vor den Augen aller Dorfbewohner wohlgemerkt. Aber es sind eben genau diese skurrilen Momente aufgrund derer Von Menschen und Pferden aus der Masse weit herausragt und zu Recht international mit Preisen überhäuft wurde. Zumal es eben nicht nur eine Liebeserklärung an die Gattung Tier geworden ist, die in Island weit mehr als Nutztier-Bedeutung hat, sondern auch eine pechschwarze Abrechnung mit dem männlichen Geschlecht. Hochmut, Trunksucht oder Naivität – in Von Menschen und Pferden wird mit den rauen Machos Islands abgerechnet und die starken Rollen gebühren den Frauen. Hier sei Charlotte Bøving besonders hervorgehoben. Die Lebensgefährtin des Regisseurs dient als Identifikationsfigur durch alle episodenhaften Geschichten hinweg. Ebenfalls herausragend ist der Soundtrack, der, ob er nun passend oder konterkarierend eingesetzt wurde, stets die mitunter bizarren, morbiden oder schlicht schönen Bilder unterstützt. Und das, obwohl Regisseur Erlingsson Filmmusik grundsätzlich eher ablehnend gegenübersteht.

Bild- und Tonqualität

Von Menschen und Pferden ist eine DVD-only-Premiere und die Disk liefert ein überraschend ruhiges und vor allem artefaktfreies Bild, was alleine schon selten geworden ist, wenn’s um DVD-Outputs geht. In Sachen Kontrastumfang ist der Film allerdings ziemlich schwach auf der Brust und Farben tendieren zu einer rosigen, dennoch eher blassen Note. Die Schärfe ist gerade noch in Ordnung.
Akustisch gibt’s ein wenig räumliches Pferdegetrappel und etwas Naturkulisse. Dazu gelangen die Stimmen recht gut verständlich ans Ohr. Dynamik, Effektgewitter oder sonstige Eskapaden bleiben ebenso aus wie tonale Fehler.

Bonusmaterial

Das 46-minütige Making-of im Bonsumaterial von Von Menschen und Pferden hat seinen Namen redlich verdient. Mit hintergründigem Witz erzählt Regisseur Erlingsson, das die Basis der Geschichte () bereits 1997 in ein Drehbuch für einen Kurzfilm resultierte. Mit sporadisch eingestreuten Szenen aus seinen anderen Short-Films erzählt er mit mehr als einem Augenzwinkern, wie sein Film letztlich doch finanziert wurde, nachdem öffentliche Mittel nicht freigegeben wurden und sich auch kein reicher Finanzier mit Zigarre im Mund und Goldrandbrille finden ließ – ein sehr unterhaltsames Making-of, das unbedingt sehenswert ist.

Fazit

Von Menschen und Pferden ist einer der ungewöhnlichsten Filme der letzten Jahre und fängt eine unvergleiche Atmosphäre ein, während er die Humorpalette von tragikomisch über skurril und bizarr bis hin zu morbide und pechschwarz bedient.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 70%
Film: 80%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: Island 2013
Regie: Benedikt Erlingsson
Darsteller: Ingvar E. Sigurdsson, Charlotte Boving, Steinn Ármann Magnússon, Helgi Björnsson, Kristbjörg Kjeld
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 78
Codec: AVC
FSK: 12

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