Blu-ray Review
OT: Wakefield
Ausgestoßener des Kosmos
Wenn sich Das Fenster zum Hof mit Charles Dickens paart.
Inhalt
Howard Wakefield ist erfolgreicher Anwalt in New York. Er hat eine Frau und Zwillinge, die für Leben in der Bude sorgen. Als er eines Abends mit dem Zug von der Arbeit nach Hause fährt, scheinen seine Gedanken allerdings abgelenkt und weit weg zu sein. Zuhause angekommen verjagt er einen Waschbären aus dem Vorgarten, der sich daraufhin prompt im kleinen Dachgeschoss der angrenzenden Garage versteckt. Als er ihn auch dort wieder rausscheuchen möchte, sieht er durch das kleine runde Fenster und kann seine Familie im Haus beobachten. Irgendwie fasziniert ihn dieser Blick auf sein Leben. Und er beginnt darüber nachzudenken. Über die Eifersuchtsmomente, die er mit seiner Frau hat. Über ihre kürzliche Reaktion auf einen seiner wiederholten Vorwürfe. Über sein Leben im Alltagstrott. Und während er so nachdenkt, fragt er sich, warum er überhaupt ins Haus gehen soll. Immerhin gäbe es doch ohnehin wieder nur Stress. Also schläft er dort oben. Eine Nacht. Und eine weitere Nacht. Und je länger er dort oben „lebt“, desto mehr wird ihm klar, dass er nicht mehr in sein altes Leben zurück kann …
Was Viele nicht unbedingt wussten: Bryan Cranston hatte ein Leben vor Breaking Bad. Insgesamt stehen schon weit über 150 TV-Produktionen/-Serien und Filme auf seiner Vita, bevor er als Walter White einem sehr großen Publikum bekannt wurde. Wakefield gehört nicht zu den Filmen vor seiner Zeit von Breaking Bad. Er zeigt aber eindrucksvoll, wie talentiert Cranston auch als Charakterdarsteller ist und immer war – und das eben ganz unabhängig vom an Lungenkrebs erkrankten Chemie-Professor. Dass er ein hervorragender Beobachter und gleichzeitig ein ebenso charmanter wie intelligenter und bescheidener Darsteller ist, beweist er schon im Interview, das sich im Bonusmaterial befindet. Und diese Mischung aus Sanftmütigkeit, Ruhe, Intelligenz und Charisma animiert ihn darstellerisch immer wieder zu herausragenden Leistungen. Gleichzeitig kann er durch sein Aussehen vor allem den „Average Guy“ perfekt darstellen. So wie hier, in diesem Mix aus Drama und einem Hauch Komik. Die Verfilmung einer Vorlage von E.L. Doctorow (dessen Kurzgeschichte wiederum auf einer Vorlage von Nathaniel Hawthorne basiert), wirkt im ersten Moment, als ziele sie auf ein typisches Eifersuchts-Drama hin.
Doch Wakefield geht weiter. Vom reinen Überwachungsthema und der Süffisanz eines Ehemanns, der sich darüber amüsiert, wenn seine Frau ihn (endlich) mal zu vermissen beginnt, transformiert sich der Protagonist. Er verändert sich – äußerlich und charakterlich. Das Äußerliche ist frühzeitig sichtbar, wenn Howard bald unrasiert bleibt, aufgrund der schlechten Versorgung abmagert und nur noch mit schmuddeligen Shirts rumrennt. Das Innere braucht etwas länger. Denn eins ist von Beginn an klar: Howard ist ein höchst unsympathischer Kerl. Er mutmaßt, macht Vorwürfe, ist zynisch und selbstverliebt. Und später auch noch selbstmitleidig. Wäre es nicht Bryan Cranston, würde dieses Projekt mit anderen Darstellern wohl scheitern. Cranston allerdings gelingt diese innere Auseinandersetzung. Dieses Reflektieren über sein Leben, das ihn letztlich zur Erkenntnis führt, wen er wirklich schätzt und wer ihn wirklich liebt; das ihn irgendwann zur Frage bringt, wie weit er sein „Spiel“ noch treiben möchte. Selbst wenn sich der Film dafür redlich Zeit nimmt und einige ziemlich redundante Szenen aneinanderfügt. Ab und an integriert Regisseurin Swicord (Der Jane Austen Club) ein paar kurze Spannungsmomente oder auch ein bisschen Komik, um für etwas Abwechslung zwischen den selbstreflexiven Monologen zu schaffen, doch die 108 Minuten haben dennoch ab und an ihre Längen. Ärgerlich ist allerdings, dass sich die Story fast ausschließlich um Harrys Eitelkeit und Dianas Begehren kümmert, während die Gefühle für die Zwillingstöchter herzlich unterentwickelt bleiben. Cranston überspielt das dennoch gekonnt und ist letztlich der Grund, diesen Film zu schauen. Auch deshalb, weil er einigen Mut bewies, diese ebenso unsympathische wie (später) heruntergekommene und abgemagerte Figur zu spielen.
Bild- und Tonqualität
Mit warmen Farben empfängt die Blu-ray von Wakefield den Betrachter. Hauttöne kommen recht braun rüber und hinterlassen einen angenehmen Eindruck. Allerdings verliert der Film in den darauf folgenden Nachtszenen fast völlig die Kontrolle übers Schwarz. Die komplette Szenerie wirkt grünlich-grau und eine Durchzeichnung findet praktisch nicht mehr statt. Schwarz ist abwesend, alles ist ist eine grau Suppe und es addieren sich kolossale Farb-, bzw. Grauverlaufs-Artefakte hinzu. Bäume und Sträucher haben keinerlei Tiefe und Zeichnung mehr (6’37) und stärkeres Banding hat man seit DVD-Zeiten nicht mehr gesehen. Und das ist auch kein Wunder. Die Datenrate der Blu-ray sinkt in den dunklen Szenen bisweilen bis auf 3.5 Mbps ab, was seinerzeit schon eher schwächeres DVD-Niveau gewesen wäre. Der Durchschnitt in diesen Szenen liegt bei ~7 Mbps, was auch nicht wirklich auf Blu-ray-Niveau liegt. Selbst wenn es dann heller wird, kommt man nicht oft über die 20 Mbps, die für eine BD eigentlich Standard sein sollten. Der komplette Film mit seinen 109 Minuten kommt auf gerade mal 16! GB Datenvolumen. Gut ausgeleuchtete Szenen wirken immerhin recht kontrastreich und die Schärfe in Close-ups ist gut.
Beim Ton sorgen die beiden dts-HD-Master-Spuren für verlustfreie Wiedergabe der Dialoge, bzw. Monologe. Denn Wakefield lebt praktisch ausschließlich von den „Gesprächen“, die Howard mit sich selbst führt. Präsent und mit schönem Timbre gelangen seine Worte ans Ohr. Die Filmmusik bleibt meist dezent im Hintergrund und herausragende atmosphärische Geräusche gibt es im Prinzip nicht.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Wakefield enthält neben drei sehr angenehmen und aufschlussreichen Interviews noch eine B’Roll
Fazit
Wakefield blickt in die Seele eines Mannes, dessen bisheriges Leben aus einer großen Lüge bestand. Bis die Selbsterkenntnis kommt, dauert es zwar ein bisschen, aber Bryan Cranston schafft es sogar, diesem veritablen Scheißkerl eine Seele zu verpassen – Hut ab.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%
Anbieter: KSM GmbH
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Robin Swicord
Darsteller: Bryan Cranston, Jennifer Garner, Victoria Bruno, Ellery Sprayberry, Monica Lawson, Beverly D’Angelo
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 109
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter KSM GmbH)