Blu-ray Review
OT: –
Dem Bartl sein Platz
Bayerisches Mundartkino ist nicht erst seit den Eberhofer-Krimis en vogue. Hier kommt der nächste Streich der Schmidbauer-Geschwister.
Inhalt
Greisendorf ist eine kleine Gemeinde irgendwo in Bayern. Hier ist noch alles in Ordnung. Die Schornsteinfegerin Felice bremst für Kater Fridolin, der Klempner Pömpel Pat sorgt für Durchfluss, der Gärtner Gert für blühende Beete und die Müllfahrerin Rudi Roller hält’s Dorf schee sauber. Klar, dass der Bestatter genau was tut? Richtig: Menschen unter die Erde bringen. Und das bereits seit geraumer Zeit. Allerdings hat er nicht viel zu tun, der Bartl. Und weil, wenn im Dorfe keiner stirbt, man den Bestatter trifft beim Wirt, kehrt er dort auch direkt ein. Am Tisch mit Pat, Gert und Rudi klopft er eine Runde Schafkopf. Und das erfolgreich. Jedenfalls beim ersten Blatt. Das schmeißt er siegessicher hin und landet prompt mit dem Kopf auf dem Tisch. Herzstillstand. Mausetot. Ab zum Boandlkramer und das Letzte, was das Dorf um Bürgermeister Anton Aumeier jetzt brauchen konnte. Immerhin buhlt man doch um die Gunst von Rentnerin Gabi Gruber. Das Ex-Stummfilmsternchen ist die älteste Frau Deutschlands. Und da sie zwischen Greisendorf und Nachbargemeinde Neubrunn pendelt, war ein offener Wettbewerb um das Leben und die Bestattung der alten Dame ausgebrochen. Wer auch immer sie auf seinem Friedhof zur Ruhe brächte, dürfte sich über zünftige Tourismus-Pilgerfahrten freuen. Doch ohne Bestatter keine Beerdigung. Und ohne Beerdigung keine landesweite Friedhofsprominenz. Für Aumeier ist die Sache klar: varäuma mua ma ihn. Also wegräumen. Beiseite schaffen. Auf Eis legen. Am besten gleich im Getränkeschrank der Kneipe. Doch das bleibt nicht unentdeckt. Und so übernehmen Rudi, Pat und Gert die Aufgabe, den Bartl zu begraben – einfacher gesagt als getan …
Tanja und Andreas Schmidbauer hatten mit Herrschaft Zeit’n, Hinterdupfing und vor allem Austreten gezeigt, dass man auch unabhängig von den großen Filmverleihen zünftiges deutsches Kino produzieren kann. Der bayerischen Mundart verpflichtet geriet Austreten zur manchmal derben, oft grandios komischen und immer schwarzhumorigen Abrechnung mit Politikverdrossenheit, Brexit und einem amerikanischen Ex-Präsidenten. Frei nach dem Motto „Make Bayern Great Again“ sorgte dort ein Missverständnis dafür, dass man die Abspaltung Bayerns vom Rest des Landes diskutierte. Bereits kurz nach dem Abdrehen von Austreten brainstormte man dann gemeinsam über die Idee zum nächsten Film und kam irgendwann auf Berufsbilder. Ums möglichst wenig gewöhnlich zu halten, sollte es mal nicht ein Rechtsanwalt oder Polizist sein, um den es hier geht, sondern um ein weniger filmisches Berufsbild. Schnell kam man auf den Bestatter und umgab diesen mit Gärtner, Klempner und Müllfahrerin. Erneut scharte man ein Team aus Bekannten und Freunden zusammen, um die Produktion kurz vor und dann auch während der Pandemie umzusetzen. Gar nicht mal so einfach, wie man im Bonusmaterial anschaulich zu Gesicht bekommt.
Spätestens nach der im Zuge von Manta Manta – Zwoter Teil nicht ganz zu Unrecht aufgekommenen Diskussion, welche Filmemacher in Deutschland mit zig hunderttausend Euro staatlich gefördert werden, kann man seinen Respekt und seine Unterstützung für ein Projekt wie dieses kaum höher ansetzen. Zwar wurde auch Wer gräbt den Bestatter ein? staatlich gefördert, doch eben auch vollkommen sinnigerweise. Die beiden Schmidbauers hatten kein großes Filmstudio wie die Constantin im Rücken und ihr jüngstes Werk ebenso wie die Vorgänger unabhängig über die eigene Filmfirma (Schmidbauer Film) produziert. Dass dabei kaum Unsummen zur Verfügung standen, dürfte jedem klar sein. Und dann darf man auch mal großzügig über wenig(er) gelungene VFX hinwegsehen. Während Austreten für einen Mundartfilm schon fast „globale“ Ausmaße annahm, verbleibt Wer gräbt den Bestatter ein? in seinem Mikrokosmos der Gemeinde Greisendorf (oder vielmehr Mörnsheim, die hier das Filmdörfchen doubeln durfte). Mit viel Lokalkolorit erzählen die Schmidbauers vom Metzger-Vater, der kein Blut sehen kann, vom Gärtner, der Marihuana anpflanzt, vom Pfarrer, dessen Verdauung nicht die allerbeste ist und vom Klempner, der alleweil erklären muss, dass er nicht fürs Sanitär zuständig ist. Während die Dialoge nicht auf Teufel komm raus in Richtung Schenkelklopfer getrimmt sind, sorgen oft beobachtete Szenen für Witz – beispielsweise der elendig lang arbeitende Kaffeevollautomat beim Bürgermeister, der zum Running Gag des Films wird.
In Summe hätte der Film zwar noch etwas mehr Tempo vertragen können und den bösen Ton, den er mit Fridolin zu Beginn anschlägt, hält er nicht durchgehend durch, doch die Figuren sind allesamt liebenswert gezeichnet. Wenn die bereits gestandene Rudi Roller der Mutter gegenüber erklären muss, dass sie mit ihrem Job wirklich zufrieden ist, bricht der Film gleich zwei Lanzen. Eine für das Berufsbild des Müllwerkers und die andere für die Emanzipation den eigenen Eltern gegenüber. Fortgeführt wird das Eltern-Kind-Thema in der Beziehung zwischen Gärtner Gert und seiner rebellierenden Tochter Marina. Dabei halten die Schmidbauers meist die Waage zwischen Komik und dezent melancholischen Momenten. Was wiederum nur klappt, weil das Hauptdarsteller-Quartett in den Rollen sehr gut funktioniert – selbst dann, wenn mal Tacheles geredet wird. Ein Sonderlob verdienen zwei weitere aus dem Ensemble. Zum einen Uli Bauer, der zwar hier und da von einer Puppe gedoubelt wurde, aber in vielen Szenen nach dem Ableben des Bartl ein cooles Toten-Pokerface bewahren muss. Selbst dann, wenn man ihm die Bierzeche des Abends auf die tote Stirn malt. Zum anderen Teresa Rizos, die als Schornsteinfegerin stets davon ausgeht, allen Glück zu bringen, während hinter ihrem Rücken ständig schwarze Katzen unter Leitern herlaufen.
Bild- und Tonqualität
Wer gräbt den Bestatter ein? wurde digital gedreht. Zum Einsatz kamen Kameras von Hersteller ARRI. Nicht bekannt ist, ob das Material in 4 gemastert wurde oder ob ein 2K-DI eingesetzt wurde. Um das Geschehen etwas filmischer erscheinen zu lassen, hat man im Nachhinein eine gewisse Körnung hinzugefügt. Diese wird allerdings nie störend, verhindert dafür ein allzu glattes digitales Antlitz, das dem Film gar nicht gut gestanden hätte. Nicht jeder Shot ist perfekt fokussiert, wenn man allerdings Close-ups zu Gesicht bekommt, geht’s oft sehr detailreich zu. Im Bart des Bürgermeisters sind dann beispielsweise schön die einzelnen Härchen zu erkennen. Halbotale dürften durchgängig etwas schärfer sein. Hier wird es dann doch ein wenig öfter mal soft und es fehlt an guter Detailzeichnung. Farblich hat man für die Innenräume einen sehr warmen Ton gewählt, sodass Hauttöne meist gesund und braun erscheinen. Im Falle von Tom Kreß vielleicht sogar ein wenig zu überbräunt. Fällt Licht seitlich in Räume hinein, wird’s dort etwas diffus und neblig. Das könnte in Teilen aber bewusstes Stilmittel sein. Im Großen und Gazen geht der Kontrastumfang in Ordnung. Selten mal wird’s im Himmel ein wenig zu hell und es fehlt am letzten bisschen Durchzeichnung. Schwarz ist weitgehend knackig und dunkle Bereiche werden durchgängig gut abgebildet, ohne zu versumpfen.
Wer gräbt den Bestatter ein? wartet mit einer deutschen DTS-HD-Master-Spur in 5.1 auf, die um eine Audiodeskriptions-Fassung für Hörgeschädigte ergänzt wurde. Was die 5.1-Tonspur wirklich gut macht, ist die Integration der Stimmen – und darauf kommt es in einem dialoglastigen Film wie diesem ja durchaus an. Zumal es Menschen geben soll, die mit der bayerischen Mundart nicht ganz so verwandt sind und denen es leichter fällt, wenn die Stimmen zumindest technisch sauber wiedergegeben werden. Und das tun sie durchweg. Während der einzigen großen „Actionszene“ kommt nur wenig Dynamik auf und auch die Surrounds werden hier nur mäßig eingebunden. Etwas mehr Kraft und Räumlichkeit weisen die Soundtrack-/Score-Anteile auf, die sich deutlicher auf allen Speakern niederlassen. Hier verirrt sich dann auch schon mal ein einzelnes Percussion-Instrument auf die Rears. Auch das Rauschen der Umgebung nach dem Unfall klingt raumgreifend. Das ist übrigens auch der Fall direkt zu Beginn des Films, wenn die gute Glücksfee des Ortes so etwas wie ein Interview gibt. Tatsächlich auch eine Szene, die von guter Bassunterstützung gefolgt wird, wenn der Titelsong ertönt. Das Knacksen in der Kältekammer des Fleischers hat man ebenfalls effektvoll auf die Rears gelegt und Vögel singen ebenfalls rundum. Die schönste Szene ist eigentlich das Gewitter nach rund einer halben Stunde. Denn bei dem rumpelt es durchaus ordentlich, was auch die Subwoofer ein wenig beschäftigt.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Wer gräbt den Bestatter ein? gibt’s neben dem Trailer zum Film noch ein 26-minütiges Making-of. Und das ist – entgegen anderer Pseudo-Making-ofs, die oftmals deutschen Filmen beiwohnen – wirklich gehaltvoll ausgefallen. Man bekommt sehr viele Einblicke in die Dreharbeiten und vor allem auch in die Planung. Diese fand nach Beginn der Pandemie zunehmend und später fast ausschließlich per Skype statt. Der komplette Film wurde letztlich am Computer geskriptet, bis es dann auch mit den ersten Dialogproben ins virtuelle Meeting ging. Auch die Arbeit an der Leiche war aufwändig und beinhaltete, dass eine Skulpteurin von Norwegen aus mit einem losen Kopf im Handgepäck nach Deutschland fliegen musste. Erstaunlich auch, wie viel Blut zwischenzeitlich im Spiel gewesen ist und wie hoch der Anteil an visuellen Effekten war. All das wird sehr entspannt von Tanja und Andreas Schmidbauer kommentiert.
Fazit
Wer gräbt den Bestatter ein? ist nicht mehr ganz so zügig und witzig wie Austreten und hat auch nicht dessen politische Brisanz. Das mag die jüngste Arbeit von Tanja und Andreas Schmidbauer aber auch gar nicht sein. Vielmehr geht es um liebenswerte Figuren, um Gemeinschaft und um die Besinnung auf die wirklich wichtigen menschlichen Eigenschaften. Die Ausgangssituation mag absurd sein, aber es menschelt durchaus anständig. Schade, dass dem Film auf dem Weg zum stimmigen Finale zwischendurch etwas die Puste ausgeht und man sich dann einfach mehr Schwarzhumorigkeit gewünscht hätte. Bild und Ton genügen den Ansprüchen an eine deutsche Produktion und funktionieren stimmiger als sämtliche Schweiger-Produktionen der letzten 20 Jahre.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 60%
Anbieter: Alpenrebublik/Al!ve AG
Land/Jahr: Deutschland 2022
Regie: Tanja & Andreas Schmidbauer
Darsteller: Uli Bauer, Angelika Sedlmeier, Astrid Polak, David Zimmerschied, Johanna Singer, Marisa Burger, Max von Thun, Teresa Rizos
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de // dts HD-Master 2.0: de Audiodeskription
Untertitel: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 106
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei: ©Alpenrepublik / Schmidbauer-Film)
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Trailer zu Wer gräbt den Bestatter ein?
So testet Blu-ray-rezensionen.net
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- Heights: 4 x Canton Plus X.3
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- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
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