Blu-ray Review
OT: What Keeps You Alive
Unser Lied
Ein Wald, ein Holzhaus, ein Ehepaar – so weit, so stereotyp. Doch wenn man sich da mal nicht täuscht.
Inhalt
Jackie und ihre Frau Jules planen den ersten Hochzeitstag. Gemeinsam wollen sie ihn in einem alten Haus im Wald begehen, in dem Jackie einst groß wurde. Während Jules das Gefühl hat, endlich „zu Hause angekommen“ zu sein, beginnt sich Jackie allmählich etwas seltsam zu verhalten. Erst Recht, als eine alte Nachbarin auftaucht und Jackie mit einem völlig anderen Namen anspricht. Jules fragt sich langsam, wen sie da überhaupt geheiratet hat. Und nach dem sie eben dieser Nachbarin Sarah einen Besuch abgestattet hat, erfährt Jules noch mehr über die Vergangenheit ihrer Frau. Das wiederum irritiert Jackie. Und dann, aus heiterem Himmel, passiert etwas, womit Jules niemals gerechnet hätte …
Na es gibt sie ja doch noch, die Abwechslung im Hütte-im-Wald-Horror-Film. Zumindest im Kleinen. Denn wenn ein lesbisches Paar ein altes Haus im Wald bezieht, handelt es sich schon mal nicht um die gängigen Klischee-Charaktere. Dazu nimmt sich What Keeps You Alive gut 25 Minuten Zeit, um seine Figuren intensiv vorzustellen, ihnen Leben einzuhauchen. 25 Minuten, die eher nach Drama/Thriller aussehen, denn nach Horrrofilm. Bis dann in der 26. Minute buchstäblich aus heiterem Himmel eine Wendung einsetzt, mit der man in der Form einerseits nicht rechnen konnte und die andererseits so unvermittelt passiert, dass einem der Mund herunterklappt. Plötzlich findet man sich wieder in einem Mix aus Psycho, Horror und Survivaldrama, das von einem intensiven Score oder den düsteren Klängen von Beethovens Mondscheinsonate unterstützt wird und dessen Gegenschnitte aus blutigem Ernst und romantischen Rückblicken fast verstörend wirken.
Dazu kommt, dass Regisseur Colin Minihan mit einem Ensemble von gerade mal vier Darstellerin auskam und der einzige männliche Part eine vollkommen untergeordnete Rolle spielt. Die Konzentration liegt auf den beiden Hauptdarstellerinnen Hannah Emily Anderson und Brittany Allen. Allen hatte (mit langen blonden Haaren) schon die Hauptrolle im ebenfalls ungewöhnlichen Zombie-Film It Stains the Sands Red gespielt, der gleichsam von Minihan inszeniert wurde. Man sieht hier eventuell ein neues Dreamteam des Horrors heranwachsen, das für zünftige Abwechslung in ausgelutschten Subgenres steht.
Ergänzt werden sie, wie erwähnt, von Hannah E. Anderson, die hier als Jackie ganz andere Seiten aufzieht und deren Spiel das Blut in den Adern gefrieren lässt. Dass sich Allen und Anderson bereits vom Dreh zu Jigsaw kennen, machte die (in jeder Hinsicht) intensiven Szenen sicherlich etwas leichter. Beiden kann man nur bescheinigen, dass sie mit äußerster Leidenschaft agieren. Und weil ihre Filmfiguren sich so radikal verändern, empfehlen sie sich für weitere Großtaten im Genre. Gegenüber den vielen jungen Nachwuchsdarstellerinnen, die selbst in Horrorfilmen noch viel zu hübsch erscheinen, wirken die Zwei echt und authentisch.
Das Ganze wird gleichzeitig untermalt von den stilsicheren Aufnahmen im Wald und am/im See, die zeigen, dass Minihan auch aus atmosphärischer Sicht seine Hausaufgaben gemacht hat. Erstaunlich genug, denn die Konzentration auf nur zwei Hauptpersonen braucht die Atmosphäre und Spannung, um über die Laufzeit von knapp 100 Minuten zu kommen. Das wiederum schafft der Regisseur, der sich das Drehbuch gleich selbst schrieb, ohne Probleme. Immer wieder schafft er es, die Szenen fesselnd zu gestalten – selbst wenn man (wie kurz vor dem Finale) das Geschehen nur akustisch zu hören bekommt und nicht visuell.
Vom Gewaltfaktor her geht What Keeps You Alive zunächst eher verhalten an das Geschehen heran. Der psychologische Aspekt überwiegt. Bis der Film dann nach gut einer Stunde ernst macht und der Lebenssaft durch das Holzhaus spritzt. Dennoch gerät das nie selbstzweckhaft und sorgt auch nur für eine kurze Episode, während das Ende eher durch seinen überraschenden Knalleffekt, denn durch bluttriefenden Horror überzeugt.
Bild- und Tonqualität
Beim Bild von What Keeps You Alive gefällt zunächst mal die recht hohe Laufruhe und die Freiheit von Rauschen oder Körnung. Selbst in den dunklen Szenen gibt’s hier keine Unruhen. Allerdings bleiben hier und da ein paar Banding-Artefakte nicht aus. Vor allem, wenn man im Dunkeln vor dem Feuer sitzt. Hier fehlt es außerdem ein wenig an Durchzeichnung. Während der halbdunklen Szenen ist der Schwarzwert außerdem nicht ganz perfekt und färbt sich schon mal ein bisschen ein.
Beim Ton von What Keeps You Alive herrschen atmosphärische Geräusche vor, die den Wald aufleben lassen und durchaus räumlich werden. Auch der Soundtrack mit seinen dissonanten Tönen wuselt effektiv auf den Surrounds herum. Das Knarzen der Holzdielen im alten Haus sorgt gleichzeitig für Atmosphäre und die Stimmen der sehr guten Synchronisation sind jederzeit klar und deutlich. Echte Dynamikattacken bleiben zwar aus und viele Action-Momente gibt’s auch nicht. Doch das, was der Ton können MUSS, kann er gut.
Bonusmaterial
Drei Trailer warten im Bonusmaterial von What Keeps You Alive. Ansonsten herrscht hier Ebbe.
Fazit
What Keeps You Alive gehört zu den besseren Horrorfilmen der letzten Monate und überzeugt durch seine überraschenden Wendungen, das intensive Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen und die durchweg runde Inszenierung. Von Minihan werden und können wir noch hören, wenn er weiter so abliefert wie zuletzt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%
Anbieter: Tiberius Film
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Colin Minihan
Darsteller: Hannah Emily Anderson, Brittany Allen, Martha MacIsaac, Joey Klein
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 99
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Tiberius Film)
Das war ein richtig guter Survival-Kracher! Am Ende hört man noch ein leichtes… röcheln. Will aber nicht spoilern. Die beiden Hauptdarsteller sind toll besetzt, man nimmt ihnen die Rolle tatsächlich jederzeit ab. Natürlich geht da gleich wieder die übliche Gender-Debatte los, aber so ist’s halt. Traurig… ich hoffe, das man von dem Regisseur noch einiges hören wird!