Blu-ray Review
OT: Los olvidados
Backwood at the Salt Lake
Neues Futter für den Fan des harten Terrorfilms.
Inhalt
Die ehemalige Touristenstadt Villa Epecuén ist seit der Überschwemmung des örtlichen Sees eine Geisterstadt. Verwüstet und von den Salzmengen des Sees mit einem apokalyptischen Äußeren versehen zeugen nur noch Ruinen von der damaligen Prosperität. Um einen Dokumentar-Film über die Stadt zu drehen, macht sich ein Team von sechs jungen Leuten auf den Weg. Dabei missachten sie, dass es Gerüchte von vermissten Personen gibt, die sich dort aufhielten. Erst als sie ein durchschnittener Benzinschlauch vor Ort festsetzt, schwant ihnen, dass hier böse Kräfte am Werk sind. Und ehe sie sich versehen, sind sie ein Bein kürzer, einen Kopf breiiger und mehrere Eingeweide leichter. Kein Wunder, denn die Schergen, die sich in der verlassenen Stadt rumtreiben, machen keine Gefangenen und führen die alte Schlachterei wieder ihrem eigentlich Zweck zu …
Nach Sonno Profondo und Francesca kehrt der argentinische Regisseur Luciano Onetti dem Giallo zunächst einmal den Rücken und nimmt seinen (bisher produzierenden) Bruder Nicolás an die Seite. Gemeinsam liefern sie mit What the Waters Left Behind einen lupenreinen Backwood-Terror-Film ab. Nicolás hatte im Interview des Bonusmaterials der BD zu Francesca (auf den man mittels eines Tshirts arg plakativ hinweist) noch zu Protokoll gegeben, dass man mit Letzterem eine konventioneller Erzählweise anstrebte, um ein größeres Publikum zu finden. Bekommen haben sie damit aber offensichtlich auch die Aufmerksamkeit internationaler Produzenten, die nun auch ihr Geld für WTWLB gegeben haben. Dennoch behalten die Onettis praktisch die volle Kontrolle über den Film. Das Drehbuch stammt von beiden Brüdern, während Film-Schnitt und Musik erneut von Luciano stammen – ein vielseitiges Multitalent.
Dass den beiden Brüdern aber auch hier die Optik sehr wichtig war, sieht man an der Wahl der Location und der Verortung ihrer Horrorstory. Villa Epecuén ist tatsächlich ein fantastischer Drehort. Das Städtchen, das jahrzehntelang Touristen anlockte, florierte bis Mitte der 80er – vor allem aufgrund der therapeutischen Thermalbäder, die man im Salzsee nehmen konnte. Als 1985 starke Regenfälle für einen sprunghaften Anstieg des Sees sorgten, musste die Stadt spontan aufgegeben werden. 25 Jahre lang versank Epecuén im See, bis sich das Wasser wieder zurückzog. Übrig geblieben sind konservierte, von Salz überzogene Geistergebäude, Autos oder Straßen. Die Reste von Bäumen ragen mit gespenstischen Ästen gen Himmel – eine Szenerie, die wie geschaffen ist für einen Horrorfilm.
What the Waters Left Behind macht davon schon zu Beginn Gebrauch, wenn ein maskierter Killer Jagd auf eine bereits verletzte Dame macht und diese durch die Baumruinen flieht. Aber auch im weiteren Verlauf gibt es nette optische Gimmicks zu bestaunen. So filmen die Dokufilmer gerne mal im Super-8-Stil, was optisch natürlich gut zur Location passt. Und auch die terrorartig eingestreuten blutroten Bilder, die von den Regisseuren unterlegt werden, wenn Nacho und seine Gespielin von den Killern geschnappt werden, verfehlen ihre Wirkung nicht – selbst wenn dieses Stilelement ein bisschen unvermittelt kommt und nicht so ganz reinpassen will. Aber wer sagt denn auch, dass sich junge Regisseure nicht auch ein bisschen ausprobieren dürfen. In Sachen Splatter allerdings müssen sie gar nicht mehr viel experimentieren, das können sie auch so schon ganz gut. Zwar dauert es eine gute Dreiviertelstunde, bevor es zünftig zur Sache geht, doch ein eingeschlagenes Gesicht gelingt aufgrund der gelungenen praktischen Masken schon mal ziemlich gut. Und auch die folgenden Sequenzen werden Gorehounds überzeugen.
Die Gewaltdarstellung ist laut Anbieter übrigens ungeschnitten, wenngleich eine Bein-Amputations-Szene arg abrupt endet. Ganz im Gegensatz zum kurz darauf folgenden Sägen-Einsatz. Was What the Waters Left Behind hier zeigen darf, ist wesentlich mehr als man anderen Filmen vor ihm zugestand – zumal schwarzer Humor oder Sarkasmus nicht zum Auflockern integriert werden. Sämtliche Folter- und Mord-Sequenzen sind im wahrsten Sinne des Wortes todernst.
Skurrile Randnotiz: Während der Film von der FSK eine 18er Freigabe ohne Schnittauflagen bekam, ließ die Prüfstelle den Trailer beinahe über die Klinge springen und nur nach Einspruch des Anbieters passieren.
Während die Darsteller sich durchaus redlich Mühe geben und nur ab und an ein wenig laienhaft daherkommen, hätte man sich ein paar der ausgedehnten Dialogszenen und des Geplänkels in der ersten Hälfte durchaus sparen können – vor allem die Erotik-Momente wirken selbstzweckhaft und aufgesetzt. Wenn man das noch ein bisschen strafft und die Stimmung noch etwas konsequenter düster halten kann, darf die Terrorfamilie gerne wiederkommen. Vielleicht beerbt sie nicht gleich die Sawyers oder Fireflys, aber Potenzial für ein Franchise im Geiste von The Hills Have Eyes ist allemal drin.
Bild- und Tonqualität
What the Waters Left Behind kommt im Format von 2,35:1 und präsentiert von Beginn an lebhafte Farben. Allerdings während der Kamerafahrt über die überschwemmten Territorien auch sichtbare Artefakte und Unruhen (1’20). In dunkleren Bereichen lässt der ansonsten sehr dynamische Bildeindruck nach. Gerade Schwarzwerte saufen dann etwas im Grau ab. Während der besser ausgeleuchteten Momente präsentieren sich Hauttöne äußerst satt und braungebrannt. Close-ups sind sogar knackscharf.
Akustisch nutzt What the Waters Left Behind relativ ausgiebig den Subwoofer, um eine bedrohlich Atmosphäre herzustellen. Auch die Surroundspeaker werden einbezogen, wenn der elektronische Synthie-Score einsetzt. Die Dialoge der erstaunlich guten Synchronisation gelangen gut hörbar ins Heimkino und bleiben stets sauber. Während der späteren Action- und Horrorszenen werden die Rears auch wieder mit einbezogen – allerdings sind echte direktionale Effekte eher selten. Das allerdings ist auch kein Wunder, denn das Original ist nur ein Stereo-Mix, der für die hiesige Verwertung hochgemixt wurde.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von What the Waters Left Behind findet sich neben mehreren Trailern noch ein Question & Answers mit Darsteller Agustín Pardella, das beim Obscura Filmfestival in Berlin vor Publikum aufgezeichnet wurde. Ein weiteres Interview mit Pardella führt Festival-Betreiber David Ghane privat im Rahmen des Obscura Festivals.
Fazit
Luciano Onetti und sein Bruder Nicolás zeigen, dass sie mehr drauf haben, als dem Giallo nachzueifern. What the Waters Left Behind ist ihr bisher geradlinigster und gewalttätigster Film. Dabei gelingt ihnen aufgrund der außergewöhnlichen Location ein sehr atmosphärisches Setting, das viel zum Gelingen des Films beiträgt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 65%
Anbieter: Busch Media Group
Land/Jahr: Argentinien/Neuseeland 2017
Regie: Luciano Onetti, Nicolás Onetti
Darsteller: Agustín Pardella, Victoria Maurette, Victorio D’Alessandro, Damián Dreizik, Paula Brasca, Paula Sartor, Chucho Fernandez, German Baudino
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de // dts HD-Master 2.0: sp
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 93
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Busch Media Group)