Who Am I – Kein System ist sicher

Blu-ray Review

Who am I Kein System ist sicher Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, seit 14.04.2015

OT: –

 


EinsNull

Ein gelungener Cyber-Thriller aus Deutschland – dass man das noch erleben darf.

Inhalt

Benjamin ist ein Außenseiter, eine 0 unter 1sen, wie er selbst sagt. Schon als Kind hat ihn beim Fußball keiner ins Team gewählt. Erst als er mit 14 anfing, seine Zeit vor dem Computer zu verbringen, kommt er seinem Ziel, ein echter Superheld zu sein, ein Stück näher. Er knackt Systeme und findet schnell ein Idol in der virtuellen Welt der Manipulierer – MRX, einen begnadeten Hacker. Nach einem gescheiterten Versuch, Prüfungsergebnisse zu klauen, muss er Sozialstunden ableisten und begegnet den selbstbewussten Max. Der wiederum ist angetan vom „Delikt“ des unscheinbaren Allerweltstypen und führt ihn in seine Hackergruppe ein. Dort warten mit dem durchgeknallten „Lückenfinder“ Stefan und dem Hardwarefreak Paul zwei weitere PC-Anarchos, die Spaß daran finden, eine virtuelle Guerilla-Aktion nach der anderen zu starten. Benjamins erster Einsatz ist dabei nicht mal ohne, denn er soll während der Veranstaltung einer neofaschistischen Partei „mal eben“ den Präsentationslaptop hacken und die Organisation so auf Youtube blamieren. Die Aktion gelingt und fortan macht man unter dem Namen ClownsLaughingAtYou (CLAY) und mit entsprechenden Narrenmasken durch immer riskantere Unterfangen einen Namen. Doch der Erfolg macht gierig und Max verzweifelt daran, dass er von seinem Vorbild MRX keine Anerkennung findet. Da auch das BKA sich für CLAY und vor allem für Benjamin zu interessieren beginnt, wird es immer gefährlicher – erst Recht, als Benjamin auf die Idee kommt, den BND zu hacken, um endlich zu den „Big Playern“ zu gehören …

Ein deutscher Thriller ist im Kino kaum zu vermarkten, ein Thriller, der ein ultramodernes Thema wie das Hacken zum Inhalt hat, ist praktisch ein kalkulierter Schuss in den Ofen – und doch hat Who Am I – Kein System ist sicher in den Lichtspielhäusern „mal eben“ satte 750.000 Zuschauer angelockt. Damit ist Baran bo Odars (Das letzte Schweigen) Film über Cyberkriminalität nicht nur einer der erfolgreichsten hiesigen Thriller überhaupt, sondern setzt aus dem Stand eine Duftmarke für den vermutlich auf lange Zeit bestbesuchten Film, dessen Thema das Computerhacking ist. Woran liegt dieser Überraschungserfolg? Sicher, Elyas M’Barek zieht seit Fack ju Göhte alleine durch seine Anwesenheit in Filmen eine gewisse Anzahl an Leuten und Antoine Monot jr., den seit einiger Zeit jeder als Saturn-Werbegesicht „Tech-Nick“ kennt, passt zum Thema wie die 0 zur 1 im binären Code. Doch das alleine ist es nicht. Vielmehr ist das Tempo von Beginn an hoch, die Erzählerposition von Tom Schilling, der den Zuschauer durch Who Am I geleitet, ist geschickt gewählt und für einen nicht des Hackens mächtigen wie den Rezensenten dieses Reviews klingen die Vorgänge durchaus plausibel. Man gibt sich jedenfalls nicht die Blöße, vor einem dusseligen Windows-Fenster sinnlos auf der Tastatur rumzutippen. Natürlich muss ein Thriller, der ein solch aktuelles und brisantes Thema zum Inhalt hat, auch visuell überzeugen. Hier gelingt Who Am I vielleicht der beeindruckendste Kunstgriff: Die virtuelle Welt der Hacker, das Darknetz, wird als U-Bahn-Waggon dargestellt, in dem die maskierten Cyberspace-Kriminellen sich präsentieren und verhalten wie dereinst Alex und seine Droogs in der Korova Milchbar. Während das vielleicht der einzige Vergleich zu Clockwork Orange ist, sind die Parallelen zur Anonymous-Gruppe unverkennbar – und das nicht nur wegen der Clownsmaske, die nur wenig von der Guy-Fawkes-Maskerade des Internet-Kollektivs abweicht.

Allerdings ist Who Am I hedonistischer ausgelegt, weicht vom politischen Aktivismus der realen Hackervorlage ab und erzählt nebenbei die Geschichte eines Jungen, der um Anerkennung kämpft und sich (scheinbar) in das falsche Mädchen verliebt hat. Das Streben der vier CLAY-Mitstreiter nach Anerkennung und Ruhm ist für den Film am Ende ein wenig profan, kumuliert aber eben auch in persönlichen Entwicklungen, die den Film emotional erfahrbar und mitreißend machen. Wenn man Odars Werk etwas ankreiden möchte, dann vielleicht, dass er ziemlich klischeehaft typische Feindbilder abarbeitet (Sprengen einer neofaschistischen Versammlung, Angriff auf die Börse und ein Pharmaunternehmen) – die Ziele ein paar hochintelligenter Hacker hätten durchaus etwas origineller ausfallen dürfen. Sei’s drum, nicht zuletzt aufgrund der hochklassigen Besetzung und einem Spannungsbogen, der einem amerikanischen Film gut zu Gesicht gestanden hätte, ist Who Am I durchweg gelungen und unterhaltsam. Man darf gespannt sein, wie lange es dauert, bis es ein (vermutlich weichgespültes) Hollywood-Remake geben wird.Ob dieses dann mit dem gleichen überraschenden und trotzt Überkonstruktion in sich schlüssigen und konsequenten Ende daherkommt, bleibt abzuwarten.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Who Am I erscheint immer ein wenig grünlich und ist nie so richtig knackig scharf. Gerade am unteren Bildrand schleichen sich oft Unschärfen ein. Der Kontrastumfang ist gut, Schwarz ist knackig und Farben wirken dauerhaft natürlich. Rauschen, Korn oder echte Bildfehler bleiben aus. Akustisch schlägt sich Who Am I noch ein Stückchen besser und lässt die treibenden Beats des Soundtracks wuchtig und fulminant im Heimkino donnern. Auch die zahlreichen direktionalen Effekte während der Hackerangriffe funktionieren super. Stimmen bleiben stets präsent und klar.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial wartet ein kurzes „Am Set“ mit Impressionen der blödelnden Darsteller. Dazu kommt das ebenfalls sehr kurze „Die Story“, das umreißt, worum es in Who Am I geht. Unter dem Punkt „Specials“ verbergen sich drei erweiterte Szenen, drei Online-Clips, ein paar Impressionen von der Premiere und eine B’Roll. Außerdem findet man hier das Making-of, das zwar auch nur sieben Minuten läuft, aber immerhin ein paar mehr echte Hintergründe liefert. „Wotan in der Maske“ zeigt, wie aus dem beliebten Darsteller der volltätowierte Stefan wird. Insgesamt elf Interviews runden das Paket ab.

Fazit

Man könnte Who Am I – Kein System ist sicher als Mischung aus V – wie Vendetta, Fight Club und Teenieromanze bezeichnen. Oder ihn als das sehen, was er ist: Der vermutlich einzigartigste deutsche Film, der bisher das Licht des (Heim)Kinos erblickt hat.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 85%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Baran bo Odar
Darsteller: Tom Schilling, Elyas M’Barek, Hannah Herzsprung, Wotan Wilke Möhring, Antoine Monot jr. Trine Dyrholm
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 112
Codec: AVC
FSK: 12

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