Blu-ray Review

OT: Howard’s End
Gesellschaftliche Gegensätze
Ein Klassiker der Literaturverfilmung erscheint auf 4K UHD.
Inhalt
Margaret und Helen Schlegel sind durchaus wohlhabende Schwestern mit liberaler Einstellung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit ihrem jüngeren Bruder Theobald alleine leben. Nach einer Deutschlandreise, auf der sie die traditionell-konservative Familie Wilcox kennenlernen, werden sie von diesen zu deren Landsitz “Howards End” eingeladen. Allerdings kann nur Helen die Einladung annehmen. Vor Ort verliebt sie sich in den Wilcox-Sohn Paul. Der jedoch will sich aufgrund eines bevorstehenden Auslandsaufenthalts nicht fest binden – die Beziehung scheitert. Trotz der Schmach für die Schwestern bleiben Margaret und Mrs. Wilcox in Kontakt. Als diese stirbt, hinterlässt sie Margaret ohne deren Wissen Howards End – sehr zum Unbill von Mr. Wilcox. Der allerdings findet bald mehr Gefallen an Margaret als er für möglich gehalten hätte …
Die Zeit Anfang der 1990er war die, in der die großen Dramen die Kinos bestimmten und für erstaunlich hohen Zuschauer-Zulauf sorgten. Dass ein altmodisch gefilmter Wiedersehen in Howards End heute noch über 400.000 Zuschauer locken würde? Wohl eher nicht. Das macht James Ivorys dritte Verfilmung eines Romans von E. M. Forster aber nicht zwangsläufig weniger sehenswert. Ganz im Gegenteil: Der hochkarätig besetzte Film schafft es, seine Geschichte trotz beeindruckender Laufzeit von 140 Minuten locker und luftig zu entfalten. Dazu liefert er grandiose Aufnahmen der britischen Landschaft außerhalb der großen Stadt und setzt auf ebenso authentische Kleidung wie detaillierte Ausstattung. Nicht umsonst heimste Ivorys Werk drei Oscars ein (Szenenbild, Drehbuch-Adaption, Hauptdarstellerin Emma Thompson). Die literarische Vorlage gilt dabei als einer der wichtigsten englischen Romane überhaupt, was sich vor allem daran manifestiert, dass Wiedersehen in Howards End von den sozialen und moralischen Differenzen der liberal-modernen und konservativ-traditionellen Gesellschaft jener Zeit erzählt. Hinter der ach so wichtigen Fassade, die von den reaktionär-konservativen Figuren (Henry und dessen Kinder) gewahrt wird, brodelt es. Dunkle Vergangenheiten werden unter den Teppich gekehrt und moderne, offene Lebensweisen werden mit aller Arroganz abgelehnt.
Dieses Thema schöpft das Duo Merchant/Ivory (Produzent/Regisseur) in exzellenten Bildern aus und lässt die Darsteller zu absoluter Hochform auflaufen. Selten war historisches Kino gleichzeitig politischer, lockerer und spannender.
Bild- und Tonqualität BD
Hierzulande konnte man Wiedersehen in Howards End bisher nur auf DVD sehen, wohingegen die USA bereits 2009 in den Genuss einer Blu-ray kamen (Anbieter damals: Criterion).
Das Gute bei der hier nun beiligenden Blu-ray vorweg: Sie basiert auf der 4K-Restoration, die für die UHD angefertigt wurde (siehe nächster Abschnitt). Damit sind die ganzen Schmutzpartikel und Staubeinschlüsse, die noch die drei offiziellen Presse-Szenenbilder in diesem Review zeigen, bereits bei der BD Geschichte. Ebenfalls Geschichte ist das eingeschränkte Bildformat, das noch der US-Blu-ray-Release von Cohen Media aufwies, der dort Ende 2016 erschien und der ebenfalls auf dem Remaster basierte. Dieser schnitt Bildinhalte am oberen und unteren Rand ab und kam tendenziell eher auf ein Bildformat von 2,50:1. Hier ist nun die Welt wieder geradegerückt und das Bildformat aufs Original von 2,39:1 eingestellt.
Allerdings sind die Kontraste hier doch noch sehr flau und Farben wirken durchweg matt. So sauber wie das Bild ist, weil kaum Schmutzpartikel stören, so körnig ist es zudem. Die Schärfe bleibt durchweg durchschnittlich und ist selbst in Close-ups nur mäßig.
Für den neuen 5.1 Audio-Mix (dts-HD-Master) von Wiedersehen in Howards End wurde das Material von Audio Mechanics in Burbank restauriert und hochgemischt. Zwischen dem Originalton und der Synchro zeigen sich allerdings massive Unterschiede. Während sich der O-Ton für die Dialoge komplett auf den Center konzentriert und die restlichen Lautsprecher von jeglichem Hintergrundrauschen befreit, wird die deutsche Fassung während der Stimmwiedergabe auf die komplette Front gelegt. Das baut zwar eine breitere Bühne auf, klingt aber im direkten Vergleich weniger authentisch und es zischelt auch viel stärker, wirkt dünner und zerbrechlicher. Dazu kommt, dass der Score im Original wesentlich weicher und angenehmer rüberkommt, während er auf der hiesigen Tonspur spitzt und leicht verrauscht wirkt. Echte Surround-Effekte gibt’s nicht. Hier und da rumpelt mal ein leises Gewitter oder der Score schwillt etwas an. Das alles reicht aber nicht aus, um wirkliche Dynamik zu erzeugen.
Bild- und Tonqualität UHD
Im direkten Vergleich zur Blu-ray fällt der Unterschied bisweilen drastisch aus. Das liegt zwar vor allem an der höheren Bilddynamik (HDR10), die Schwarzwerte deutlich sichtbar absenkt und Farben damit wesentlich knackiger wirken lässt, aber eben auch am erkennbar besseren Detailgrad. Strukturen und Details auf Gesichtern werden wesentlich besser herausgearbeitet. Falten in Anthony Hopkins Antlitz werden plötzlich dreidimensional, wo sie zuvor fast unsichtbar blieben (siehe Bild unten). Die Körnung wird dadurch zwar auf den ersten Blick ebenfalls deutlicher, aber auch feiner. Das bewirkt, dass gerade Hintergründe zwar unruhig, aber detaillierter bleiben, wo sie über die Blu-ray eher verwaschen erscheinen. Die angesprochene Intensivierung der Farbkontraste ist einerseits schön und führt zu deutlich lebhafteren Farben sowie zu einer dramatischen Verbesserung des milchig-kontrastarmen Looks der BD, doch dafür saufen durchaus auch mal Details im Schwarz ab. Das wird zwar besser, je kräftiger der TV ist (Stichwort: 1000 Nits), doch auf schwächeren Geräten verliert man hier schon mal Informationen. Interessanterweise ist das im laufenden Film schlechter als es der 4K-Trailer im Bonusmaterial noch darstellt (Szene im violetten Blumenfeld). Dennoch: Besser sah Wiedersehen in Howards End auf einer physischen Disk noch nie aus.






Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Wiedersehen in Howards End findet sich neben einem Audiokommentar der Filmkritiker Wade Major und Lael Lowenstein noch diverses Interviewmaterial. So wurde eine “Fragestunde mit James Ivory” abgelegt, die nach einem Screening der Fassung zum 25. Jubiläum im Beale Theatre in New York City abgehalten wurde (27 Minuten). Ein weiteres, sehr kurzweiliges Interview mit dem Regisseur führt der ehemalige Film-Kurator des MoMA Laurence Kardish (ebenfalls knapp 27 Minuten) und dann gibt es noch ein achtminütiges bei den Filmfestspielen in Cannes 2016.
Fazit
Wiedersehen in Howards End ist einer der ersten Klassiker des Drama-Genres, der als Ultra-HD erscheint. Es mag sein, dass das (noch) nicht die primäre Zielgruppe für 4K-UHD-Disks ist und der zu weit nach unten gedrehte Schwarzwert ist ein Manko. Aber alleine für die Defektfreiheit und die sichtbar höhere Auflösung lohnt sich diese Scheibe schon.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 65%
Bildqualität UHD: 70%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 50%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%
Anbieter: Concorde Home
Land/Jahr: GB 1992
Regie: James Ivory
Darsteller: Sir Anthony Hopkins, Vanessa Redgrave, Helena Bonham Carter, Emma Thompson, James Wilby, Samuel West, Jemma Redgrave,
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 143
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Ja (4K DI)
High Dynamic Range: HDR10
FSK: 12
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Concorde Home Entertainment)
Trailer zu Wiedersehen in Howards End
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild”verbesserern” zu verfälschen.
- Panasonic DMP-UB900
- Panasonic DP-UB824EGK
- Panasonic TX-55GZW954
- LG 55G16LA
- Epson EH-TW9400
- HDMI-Kabel: Audioquest Forest-Serie