Wir waren Könige

Blu-ray Review

Wir waren Könige Blu-ray Review Cover
Universum Film, seit 05.06.2015

OT: –

 


“Testosteronbepappte Draufgänger”

Genrekino aus Deutschland funktioniert oder geht in die Hose – was kann Wir waren Könige?

Inhalt

Die Stimmung in einem der SEKs war schon mal besser. Bei einem Einsatz kam einer der Kollegen fast zu Tode, zwei Verbrecher wurden getötet und einer ist flüchtig – eine saubere Weste sieht anders aus. Da kommt es nicht gerade gelegen, dass der Gruppe auch noch das Unterschlagen von Geld angelastet wird. Als nach einem Zechgelage zwei Kollegen tot aufgefunden werden, konzentrieren sich die Ermittlungen zunächst auf das Auffinden einer der Waffen, die vom Tatort abhanden gekommen ist. Was das SEK nicht weiß: Es gibt einen kleinen Jungen in der Nachbarschaft, der unter allen Umständen von einer der konkurrierenden Jugendgangs akzeptiert werden möchte. Dafür würde er alles tun – und wenn es das Entwenden einer SEK-Waffe ist, die er einem der Jugendlichen aus einer Gang unterjubelt …

Was bei Dominik Grafs Genrebeitrag Die Sieger oder seiner Serie Im Angesicht des Verbrechens mit intelligenten Kommentaren zwischen den Zeilen garniert ist, gerät beim dritten Langfilm von Philipp Leinemann zum bloßen Testosterongipfel vor düsterer Kulisse. Wir waren Könige zeichnet ein derart deprimierendes Bild der Basis- und Sonderpolizeiarbeit, dass man meinen könnte, Deutschland stünde kurz vor jeglichem moralischen und ordnungstechnischen Verfall. Was dem jungen Regisseur allerdings gelingt, sind packende Einsatz- und Actionszenen, die höchst authentisch wirken und ganz weit weg sind von hochglänzenden und oft klinischen Inszenierungen amerikanischer Herkunft. Während die Inszenierung selbst absolut vorhersehbar bleibt, sind es vornehmlich die Darsteller, bzw. der Haufen an bekannten Darstellern, die es rausreißen. Wenngleich Ronald Zehrfeld und Misel Maticevic geradeweg aus Grafs TV-Serie zu kommen scheinen. Die beiden Charaktermimen passen allerdings zugegebenermaßen wie die Faust aufs Auge und agieren im Sumpf aus Verbrechen, Gewalt, Korruption und Selbstjustiz absolut glaubwürdig. Weniger glaubwürdig ist die Jugendgang von Gruppenhengst Thorsten. Seine Anhänger sehen einfach viel zu geschniegelt und dandyhaft, zu gutsituiert aus, als dass man ihnen die Prügelleidenschaft und das Rumhängen abnimmt. Dennoch hat Wir waren Könige seine besten Momente, wenn er Milieu schildert und die Kamera dahin hält, wo’s weh tut. Leider gilt das nicht für seine Figuren, die allesamt ungefähr so viel Tiefe haben wie ein abendliches Fußbad. Man erfährt von keinem der SEK-Protagonisten auch nur einen Hauch Hintergrund. Am meisten Charakterisierung erfährt tatsächlich der kleine Nasim, dessen Verhalten ebenso tragisch wie nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass für Kids wie ihn nur wenige Alternativen zur Verfügung stehen. Vielleicht ist Wir waren Könige am Ende ein wenig überfrachtet, hat zu viele Figuren, auf die man sich konzentrieren muss und integriert zu viele Gewalt-erzeugt-Gegengewalt-Momente. Szenen übrigens, die durchaus auch in Sachen Brutalität Kinoformat haben. Schade, dass gerade die Lichtspielhäuser erneut keinen Erfolg mit dem Film hatten, was mal wieder vor Augen führt, dass Genrekino in Deutschland praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

Bild- und Tonqualität

Das dreckige, leicht grünlich eingefärbte Bild von Wir waren Könige nutzt eine leichte Körnung, um der Geschichte Authentizität zu verleihen. Während die Schärfe im fokussierten Bereich meist gut ist, sind Randunschärfen vor allem in Halbtotalen an der Tagesordnung. Auch versumpfen in dunklen Szenen schon mal Details.
Akustisch ergibt sich ebenfalls ein zwiespältiges Bild: Während die Umgebungsgeräusche und Actionszenen durchaus räumlich und ein wenig dynamisch gerieten, sind die Dialoge furchtbar nuschelig. Das liegt zum einen sicher an den Darstellern selbst, wird aber durch die Vertonung noch gesteigert. Oft fällt es tatsächlich schwer, die Stimmen zu verstehen.

Bonusmaterial

Neben dem Trailer ist das 18-minütige Making-of das einzige Feature im Bonusmaterial von Wir waren Könige. Das ist jedoch ziemlich trocken und nur bedingt informativ geraten – zumal die eingestreuten Spielfilmszenen bisweilen massiv ruckeln und nur wenig Lust aufs Weiterschauen machen.

Fazit

“Weil wir’s können” ist einer der bittersten Sätze in Wir waren Könige. Einem Film, der ein düsteres Bild zeichnet und vor allem durch Atmosphäre und seine Schauspieler punktet. Charaktertiefe hingegen ist nicht sein Ding.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität: 60%
Bonusmaterial: 30%
Film: 65%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Philipp Leinemann
Darsteller: Ronald Zehrfeld, Misel Maticevic, Hendrik Duryn, Thomas Thieme, Urs Rechn, Godehard Giese, Simon Werner, Oliver Konietzny, Katharina Heyer, Frederick Lau
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 107
Codec: AVC
FSK: 16

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