Blu-ray Review
OT: Wounds
Kakerlaken
Der Netflix-Horror „Wounds“ will uns das Fürchten lehren.
Inhalt
Will ist Barmann in einer Kneipe in New Orleans. Als dort eines Abends (mal wieder) durch Eric im besoffenen Kopf ein kleiner Tumult auslöst wird, geht im anschließenden Gemenge ein Handy verloren, das zuvor eine Gruppe von Studenten genutzt hatte, um die Handgreiflichkeiten zu filmen. Als Will das Smartphone findet, staunt er nicht schlecht. Denn darauf befinden sich neben dem erwarteten Kneipenschlägerei-Filmchen noch weitere, ziemlich heftige Bilder und Clips. Abgetrennte Köpfe, erschossene Menschen und allerlei ziemlich abstoßendes Zeug. Anstelle das Telefon jedoch der Polizei zu übergeben, ruft er einen der Jugendlichen an – allerdings erst, nachdem ihm seine Freundin Carrie erst einmal gehörig die Leviten gelesen hat, dass er nicht die Behörden alarmiert hat. Doch Will, der derzeit ohnehin lieber auf seine Bar-Romanze Alicia hört als auf Carrie bleibt auf dem Ohr erst einmal taub. Bis er höchst merkwürdige Nachrichten über das Telefon bekommt und sich plötzlich Kakerlaken aus ihm heraus manifestieren. Dreht Will nur am Rad oder hat er das Portal in eine dunkle Welt geöffnet …?
Der Iraner Babak Anvari hatte 2016 mit seinem Filmdebüt Under the Shadow für eine kleine Sensation gesorgt. Der vor den Hintergründen der irakischen Raketenangriffe auf iranische Städte in den 80ern spielende Horrorstreifen hatte Kritiker auf der ganzen Welt begeistert. Kein großes Kunststück, denn selten genug, dass Genrefilme überzeugen, war die Verquickung von Horror und Kriegshistorie doch erst der Grund für die so tief ins Mark dringende Geschichte.
Nun, knapp drei Jahre später, lässt Anvari sein Folgewerk auf die versammelte Netflix-Gemeinde los. Allerdings nur außerhalb Nordamerikas. Denn dort wird er wiederum von Hulu veröffentlicht.
Zwar ist Wounds keine Netflix-Produktion, doch nachdem die Kinoveröffentlichung zurückgezogen wurde, sicherte man sich die Vermarktungsrechte für die Auswertung und startete ihn nun am 18. Oktober 2019.
Gegenüber den sehr wohlmeinenden Rezensionen zu Unter the Shadow ließ Wounds jedoch Federn, nachdem er im Januar beim Sundance Festival und darauf im Mai im Rahmen der Filmfestspiele von Cannes gezeigt wurde. Zu wirr sei der Film, dazu durchzogen von metertiefen Logiklöchern und sich an den Japan-Horror anbiedernden Bildern. Dazu mit zwei prominenten Darstellern besetzt, die man offenbar schon wesentlich überzeugender hatte agieren sehen.
Was also war passiert?
Nun, mit Armie Hammer und Dakota Johnson hatte man tatsächlich zwei derzeit sehr gefragte Schauspieler in den Hauptrollen gecastet.
Während Hammer zuletzt in Hotel Mumbai und Die Berufung überzeugt hatte, war Dakota Johnson mit dem Remake von Suspiria sogar bereits im Horror-Genre unterwegs (und gab eine sehr gute Figur ab). Fast ließ sie dort vergessen, dass sie sich für die unsäglichen Verfilmungen von Fifty Shades of Grey hergegeben hatte.
Und eigentlich startet Wounds vielversprechend. Hammer präsentiert den Will zunächst als schnoddrigen, aber eigentlich liebenswerten und interessanten Kerl. Damit weckt er die Neugierde des Zuschauers, wenn er (ganz genreüblich) das Telefon mit nach Hause nimmt, anstelle zur Polizei zu fahren – ist eigentlich unvernünftig und doof, fördert aber die Spannung. Zunächst einmal.
Allerdings setzt Anvari beim Erzeugen dieser Thrill-Momente eher auf Jumpscares und (äußerst) laute Soundeffekte und verlässt damit die Subtilität seines Vorgänger-Films. Das verfehlt zwar seine Wirkung nicht, wenn schon das reine Auftauchen der ersten Kakerlake in Wills Wohnung von einem überaus lauten Zischen begleitet wird. Und auch wenn er in einem Moment von Erics klaffender Gesichtswunde auf eine Klimaanlage blendet und dabei die Lautstärke ebenso plötzlich wie drastisch anhebt, hat das durchaus Schockpotenzial.
Je mehr dann aber klar wird, dass es hier vor allem um den systematischen Niedergang des Protagonisten geht und nicht so sehr um das Handy und das, was darauf zu sehen ist, desto mehr muss man als Zuschauer mit einem bestimmten Fakt klar kommen: Will ist ein Arschloch. Ein ziemlich Großes sogar. Er betrügt seine Freundin (oder hat zumindest die Absicht), pfeift sich allen möglichen ungesunden und verbotenen Kram rein und wandelt sich vom halbwegs nett wirkenden Barmann zu einem veritablen Scheißkerl.
Während das natürlich Potenzial für Hammer bietet, eine extrovertierte Leistung abzugeben, muss der Zuschauer ohne große Identifikationsfigur auskommen. Das KANN funktionieren – oder aber in die Hose gehen.
Denn während bspw. ein Alex aus Clockwork Orange nichts anderes als ein Sadist, Vergewaltiger und Mörder ist, so schafft es Kubricks sogartige Regie dennoch, Sympathien für ihn zu erzeugen.
Im Falle von Wounds ist das schwieriger. Denn dafür ist das Geschehen durchweg einfach zu zäh. Gute 50 Minuten lang tritt die schon in der Eröffnungsszene zu lang ausgewalzte Story auf der Stelle und man muss sich mit dem schmuddeligen Setting begnügen, das eher das Amerika derer zeigt, die von der Gesellschaft ein wenig abgehängt wurden. Allerdings reicht das nicht aus. Zumal Dakota Johnson, Hammers „Mitspielerin“, so lustlos agiert, als hätte man ihr vor den Takes eine Tablette Valium zum Schlucken gegeben.
Dass der Film ihre Involviertheit zudem nicht mal im Ansatz zu Ende erzählt, kann auch von den audiovisuellen Spielereien nicht kaschiert werden, die Anvari nutzt, um die insgesamt doch eher dünne Story aufzupeppen.
Das natürlich immerhin effektiv. Das Motiv der „Portale, die auf eine andere Seite führen“ setzt der Regisseur immer wieder ein – sei es der merkwürdige Tunnel, der sich auf Carries Laptop zeigt oder von dem die erste Nachricht auf dem Handy spricht. Anvari hinterlässt zahlreiche Brotkrumen, die auf eine Lösung des offenen Endes hinweisen und mit denen sich der Zuschauer selbst die Fäden zusammen knüpfen kann. Wenn er dann mit einem Bild endet, das vor allem Lovecraft-Fans mögen werden, werden andere erstaunt zurück bleiben, dass jetzt schon Schluss sein soll …
Bild- und Tonqualität
Da Wounds lediglich mit der ARRI Alexa Mini aufgenommen wurde, die am Ausgang 2.8K liefert, handelt es sich um keine der nativen 4K-Produktionen von Netflix. Es ist deshalb anzunehmen, dass das Digital Intermediate für die Kino- und Netflix-Auswertung deshalb nur in 2K erstellt wurde, was wiederum erklärt, dass Wounds nicht in 4K auf Netflix vorliegt. Auch Dolby Vision wird hier nicht geliefert. Wir haben es also mit einem herkömmlichen Full-HD-SDR-Stream zu tun.
Der allerdings liefert leider keine sonderlich hohe Bildruhe. Von Beginn an fällt beispielsweise Körnung auf. Vor allem in den dunkleren Szenen zeigen sich dann Unruhen auf Gesichtern und Hintergründen, die bisweilen verhältnismäßig stark werden. Farben werden etwas abgeschwächt und reduziert wiedergegeben. Echte Knallfarben gibt’s ohnehin nicht, was die Atmosphäre schmuddelig und authentisch erscheinen lässt. Die Schärfe ist grundsätzlich gut, nicht nur in Nahaufnahmen. Hin und wieder werden leichte Banding-Artefakte auf Oberflächen sichtbar, was an der geringen Datenrate des Streams liegen könnte, der mit gerade einmal 2.4 Mbps auf DVD-Niveau liegt. Außerdem überstrahlen helle Bereiche schon mal, was ebenfalls nicht so schön ist.
Was Wounds beim 2K-SDR-Bild versäumt, legt er beim Ton nach – zumindest (wie üblich bei Netflix) beim englischen Sound. Der kommt mit einer Atmos-Spur, während fürs Deutsche die übliche Dolby-Digital-Plus-Kodierung vorliegt. Doch auch die erscheint recht räumlich. Bereits in der Kneipe bekommt man atmosphärische Musik und das beständige tunnelartige Rauschen, das sich praktisch in allen ruhigen Szenen einstellt, bereitet auf den Trip vor, den Will vor sich hat. Fliegt dann die Kakerlake in der Küche hoch, kann man sie augenblicklich mit den Ohren über alle Speaker verfolgen (14’02). Während auch der Sub in diesen Schockszenen ganz gut zu tun bekommt, sind die Dialoge im Deutschen etwas dünn und spitz. Manchmal zischeln sie auch etwas unangenehm. Doch das ist im Prinzip schon das einzige Manko des ansonsten sehr effektvollen und erstaunlich dynamischen DD-Streams. Vor allem, wenn dann im Finale die Kakerlaken in Massen durchs Bild und aus allen Löchern krabbeln (87’20). Die extrem hochfrequenten Fiep-Geräusche kurz vor Schluss muss man allerdings schon mögen. Danach geht’s einem ein bisschen wie nach einem zweistündigen Motörhead-Konzert.
Die englische Atmos-Ebene addiert die Höhenspeaker von Beginn an hinzu, um während der kompletten Kneipen-Eröffnungsszene für mehr Atmosphäre zu sorgen. Die Musik aus der Jukebox, leichter Stimmenhall oder auch das Zirpen der Zikaden, wenn Will kurz vor die Tür tritt. Dazu kommen die rauschhaften und oft piependen Sounds, die den Grusel verstärken sollen sowie ein Anschwellen der Heights während der kurzen Visionen von Will. Wenn dann erstmals eine Kakerlake über die Kamera hinweg fliegt, ist das schon ein fies-gruseliger 3D-Sound (50’40). Außerdem gibt’s später in der Bar noch wobbelnde Decken-Ventilatoren und natürlich raumfüllende, von überall her rumkrabbelnde Kakerlaken.
Fazit
Wounds hat einen talentierten Regisseur und bekannte Darsteller. Dazu gibt’s ein paar optische Finessen und einen coolen Soundmix – vor allem beim englischen Atmos-Ton. Leider bringt das die wenig innovative Geschichte nicht vorwärts, die noch dazu mit ärgerlichen Logikbrüchen zu kämpfen hat und deren Ende viele Zuschauer vor den Kopf stoßen wird.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 85%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 60%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 80%
Film: 60%
Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA/GB 2019
Regie: Babak Anvarie
Darsteller: Armie Hammer, Dakota Johnson, Zazie Beetz, Karl Glusman, Brad William Henke
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 96
Real 4K: Nein
Datenrate: 2.43 Mbps
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)
Ich muss sagen, das ich die Story des Films relativ eindeutig finde. Nicht weil man mir die Erklärung auf die Nase bindet, sondern weil es durch die Charakterentwicklung klar deutlich wird worum der Film sich dreht.
Denn die Frage die man sich stellen sollte ist nicht etwa warum einzelne Horrormomente passieren, sondern weshalb ein sympathischer, souveräner Typ zu einem Arschloch mutiert. Und immer wiedergibt einem der Film Indizien: Er ist unzufrieden mit seinem Job, Eifersucht spielt eine große Rolle in seiner Beziehung, allgemein scheint es keine positive Spannung mehr zwischen ihm und seiner Freundin zu geben (Diese ist von Uni / Computer dauerhaft abgelenkt), stattdessen ist er in eine andere vergebene Frau verliebt, die ihn jedoch abweist, sein Schrei nach Aufmerksamkeit wird zu Beginn des Horrortrips von der Polizei ignoriert und belächelt. Er ist schlichtweg unzufrieden mit seinem Leben. Und welches Motiv stellt dies besser da als die Kakerlake (Oft aus der gesellschaftlichen Perspektive verbunden mit einem armen, unerfüllten Leben). Zunehmend hat er Wahnvorstellungen andere Menschen tot zu sehen, es passieren Dinge die ihn davon abhalten sich an die Polizei zu wenden, man kann nicht trennen was Traum und Realität nun wirklich ist und sein Charakter formt sich zunehmend ins Negative.
Kurzum der Mann wird verrückt. Verrückt durch seinen Drang zu einem besseren Leben als sein Eigenes. Er feindet sich auf allen Bereichen mit den Menschen an, die nicht zu seinem ersehnten Leben passen, verlässt seine Freundin, kündigt seinen Job, ist aggressiv zu seinen Bekannten. Und dann am Ende des Films hat er es erreicht, sein „neues Leben“, er will in einem letzten rituell dargestellten Schritt (Zitat) „perfekt“ werden. Doch parallel sammeln sich Scharen von Kakerlaken um ihn als Zeichen dafür, dass er nun ein viel schlechteres Leben hat, denn in Wirklichkeit ist er weiter denn je entfernt von dem Leben, dass er sich ersehnte.
Er hat keine Beziehung, kaum noch Freunde, keinen Job, keine Wohnung und seine psychischen Probleme verschlimmern sich.
Wie schon bei anderen Psycho-Thrillern ein Film zum Nachdenken. Nicht jeder muss auf die selbe Lösung kommen, aber genau das macht den Film so spannend und bietet Gesprächsstoff für anschließende Diskussionen. Sicher kein Film, der für alles eine Antwort parat hält, aber dafür die grundlegende Frage mal wieder präzise stellt: „Ist der Protagonist wahnsinnig oder passiert alles in der Realität?“ – Für mich ist die Frage, wie oben beschrieben beantwortet, wie siehts mit euch aus?
Das ist wieder mal so ein typischer „Netflix-Film“,also total unlogisch,teilweise schlecht geschauspielert&mit vielen offenen Fragen wird der Zuschauer zurückgelassen.Mit einem guten Anfang und viel zu krassem Ende sitzt man als Zuschauer vor’m Tv und denkt nur“Hääää,das war’s jetzt“!? Es gibt leider viel zu viele Filme bei Netflix die schnell wieder in Vergessenheit geraten,der gehört leider defenitiv dazu.
Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen so schlechten und langweiligen dummen Film gesehen!! Eine Schande!!
D’accord und vielen Dank für diese ausgiebige Rezension!