Blu-ray Review
OT: Wonder
Hinsehen!
Der Überraschungshit des vergangenen Kinojahres bewegt nun auch im Heimkino.
Inhalt
Auggie Pullman ist das, was seine Umwelt wohl als Freak bezeichnen würde. Geboren mit einer Missbildung, die sein Gesicht und seinen Kopf vernarbt und unförmig hat werden lassen, wird er von seinen Eltern – vor allem von seiner Mutter Isabel – von der Außenwelt abgeschirmt. Isabel hat alles für Auggie und dessen Erziehung aufgegeben und unterrichtet ihren Sohn zuhause. Doch nun, zu Beginn der fünften Klasse, hält sie es für sinnvoll, dass Auggie in die echte Schule geht. Da in der Fünften alle neu starten müssen, wäre das wohl der beste Moment. Den Astronautenhelm, den er sonst trägt, wenn er sich aus dem Haus bewegt, muss er dafür absetzen und natürlich erntet er fortan die Blicke der gleichaltrigen Mitschüler. Vor allem im Sport wird er ausgelacht und geschnitten. Doch der Unterstützung durch Vater und Mutter sowie Schwester Olivia ist es zu verdanken, dass Auggie weiterhin mutig bleibt. Auch die Lehrer unterstützen ihn und so kommt es, dass nach und nach Freundschaften entstehen, mit denen niemand zuvor gerechnet hatte …
Nur zwei Filme hat Stephen Chbosky bisher inszeniert. Doch das reicht, um ihn schon jetzt zu den ganz großen Geschichten-Erzählern zählen zu können. Im Bereich ebenso anspruchsvoller wie natürlich und unverkrampft erzählter Dramen macht ihm akut zumindest niemand etwas vor.
So gleicht es dann auch nicht zwingend einem Wunder, dass sein Wunder bei einem Budget von 20 Mio. Dollar weltweit das 15-fache eingespielt hat. Der Regisseur von Vielleicht lieber morgen nahm sich die Buchvorlage von Raquel J. Palacio vor, deren schriftstellerisches Debüt sich gut acht Monate lang auf der Bestsellerliste der New York Times hielt.
Und so rührte Chbosky, der auch das Drehbuch schrieb, mit seiner Adaption sämtliche Beteiligten in der Vorbereitung auf die Dreharbeiten zu Tränen.
Es ist aber auch eine wunderschöne Geschichte von Toleranz und Akzeptanz, die in Wunder erzählt wird und wohl niemanden unberührt lässt, der auch nur eine Spur offen ist für menschelnde Dramen. Dass die Story von Auggie und seiner Familie gleichzeitig so treffsicher auf die Lachmuskeln und Tränendrüsen zielt, liegt vor allem an den glänzenden Darstellern.
Jacob Tremblay in der Titelrolle fügt nach Raum direkt ein weiteres absolutes Highlight zu seiner noch so jungen Schauspielkarriere hinzu. Man kann nur hoffen, dass der gerade mal elfjährige Jungdarsteller nicht vom Ruhm überrollt wird und sein Umfeld ihn erdet. Dann kann aus Tremblay einer der besten Schauspieler seiner Generation werden.
Mit welcher Souveränität und welchem Feingefühl er den Jungen mit dem entstellten Gesicht spielt und wie souverän er das Thema Ausgrenzung meistert – das ist wirklich klasse.
Und es hat Bestand gegenüber seinen beiden erwachsenen Mitstreitern. Julia Roberts, das weiß man, kann dramatische und ernste Rollen. Dass sie sich hier ganz in den Dienst der Geschichte stellt und nicht in den Vordergrund spielt, ist ihr Verdienst. Selbst wenn man es seitens der Kostüme und Maske mit dem Grauen-Maus-Image ein bisschen übertrieben hat und die langsame Rückkehr in ihr altes Leben etwas plakativ darstellt.
Ebenfalls nicht überraschend, aber dennoch mehr als eine Randnotiz wert: Owen Wilson, der sonst auf komische Rollen abonniert ist, zeigt erneut, dass er auch anders kann. Sein Nate ist der ruhige Ankerpunkt für den Zuschauer. Er ist der ausgeglichene und lässige Papa, der seinem Sohn so viel Selbstbewusstsein mitgibt und den nichts aus der Fassung zu bringen scheint. Das macht er so bewegend und mit entwaffnendem Humor, dass man ihm wünscht, durchaus öfter mal abseits von seinen albernen Komödie eingesetzt zu werden.
Wunder kümmert sich aber nicht nur um die Probleme, die die Außenwelt mit Auggie hat. Schildert nicht nur, wie der außergewöhnliche Junge lernt, sich im Leben zurecht zu finden, sondern interessiert sich genauso für die Bedürfnisse und Wünsche seiner großen Schwester. Die kommt bei allem, was man Auggie an Zuwendung und Aufmerksamkeit zukommen lässt, natürlich zu kurz – gerade was den Kontakt mit der Mutter angeht, die ihrerseits wiederum ihr Leben völlig stillgelegt hat.
Chbosky wechselt geschickt zwischen den Erzähl-Ebenen und bringt dem Zuschauer auf diese Weise alle Figuren mit ihren Sorgen, Ängsten und Gefühlen nahe. Und weil man als Zuschauer ebenso Auggies wie Vias Gefühlswelt nachempfinden kann, macht der Film hier vieles viel richtiger als zahlreiche Genre-Kollegen, die eher einseitig schildern.
Inklusion, Toleranz, Freundlichkeit, Respekt. Natürlich sind das alles auch höchst wichtige Themen in der Erwachsenen-Welt und ein Verdienst der Geschichte ist es, dass man die auf die Ebene der Kids heruntergebrochenen Themen auch universell anwenden kann.
Wenn alles gut läuft und man als erwachsener Zuschauer nicht dicht macht oder direkt nach dem Abspann zum Alltag übergeht, dann lässt Wunder einen die Welt und alles, was irgendwie „anders“ ist, mit anderen und idealerweise aufgeschlosseneren Augen sehen.
Und das trotz des etwas dick aufgetragenen Endes.
Bild- und Tonqualität
Wunder übermittelt seine Geschichte mit einem bräunlichen Look und sehr warmen Hauttönen. Die Naturumgebung – Bäume und Wiesen – erscheinen dennoch authentisch und angenehm. Obwohl man dem Film ein dezente Körnung hinzufügte, die für einen filmischen Look sorgt und meist auf Hintergründen zu sehen ist, nimmt das Wuseln zu keiner Zeit überhand. Die Schärfe ist in Close-ups bisweilen hervorragend und vor allem gleichmäßig über den gesamten Bildschirm verteilt. Selbst die Randbereiche fallen nicht ab und Farbkontraste zeigen sich gerade in den Klassenräumen mit prägnanter Tiefe und Plastizität. Wenn der afroamerikanische Lehrer Mr. Browne mit seinem graublauen Anzug vor der grünen Tafel steht, ist das ein tolles Zusammenspiel von Farben.
In Sachen Sound bleibt Wunder thematisch bedingt eher auf die Front beschränkt. Bis auf ein kurzes Feuerwerk nach dem Schulausflug sind die Surround-Speaker meist still und auch der Sub schaltet sich nur selten hinzu. Ab und an erweitert die Filmmusik den Raum ein bisschen und kommt dezent aus dem rückwärtigen Raum. Die Konzentration auf die Sprache und deren Verständlichkeit zeichnet die Blu-ray aus und das liefert sie auch ab. Sowohl im Englischen als auch im Deutschen kann man den Dialogen stets perfekt folgen.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Wunder findet sich neben dem Audiokommentar der Buchautorin und des Regisseurs noch ein Making-of sowie zwei Featurettes. In „Wundervolle Vorsätze“ werden einige Zitate berühmter Menschen/Autoren/Philosophen übermittelt, die als Maxime gelten sollen/dürfen. „Die Kinder aus Wunder“ läuft etwa eine Viertelstunde und lässt die Kids zu Wort kommen, die im Film mitgespielt haben. Hauptdarsteller Jacob Trembley fand es toll, mit Gleichaltrigen zu schauspielern, da er bisher praktisch nur mit erwachsenen Schauspielern zusammen spielte. Das Making-of hat eine Spielzeit von einer guten halben Stunde und lässt auch die Autorin der Vorlage zu Wort kommen. Sie erzählt, was sie zum Schreiben der Geschichte veranlasst hat
Fazit
Ja, die Story von Wunder klingt nach tränenziehendem Drama mit Kitschkrone. Und ja, man hat immer wieder einen dicken Kloß im Hals, muss vielleicht sogar ein paar Tränen verdrücken. Doch das ist vollkommen okay. Denn Wunder ist besser und schöner als die Vorurteile, die man dem bloßen Lesen des Filminhalts gegenüber bringt. Weil er sich eben nicht in Klischees ergeht und auf Teufel komm raus die Mitleids-Schiene fährt. Sondern weil er ebenso ehrlich und ungeschönt ist, wie er aufzeigt, dass Vorurteile und Verurteilungen nichts weiter sind als Ängste und mangelndes Selbstwertgefühl der anderen – Dinge also, die man überwinden kann. Und dazu trägt Chboskys Film ein Stück weit bei.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 85%
Anbieter: Studiocanal Home Entertainment
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Steve Chbosky
Darsteller: Julia Roberts , Owen Wilson, Jacob Tremblay, Mandy Patinkin, Daveed Diggs
Tonformate: dts HD-Master 7.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 114
Codec: AVC
FSK: 0
Copyright der Cover, Szenenbilder: © 2018 Studiocanal