Blu-ray Review
OT: –
Wer hat’s erfunden ..?
Yello mal aus ganz anderer (akustischer) Perspektive.
Inhalt
Bereits seit 42 Jahren machen Yello nun Musik. Seit über vier Jahrzehnten sind sie ihrem Stil, elektronische Sounds wahlweise mit klarem Pop- oder Zungenbrechergesang zu kombinieren, treu geblieben. Als Trio mit den beiden Gründungsmitgliedern Boris Blank und Carlos Perón sowie dem kurze Zeit als Sänger eingestiegenen Dieter Meier angefangen, trat Perón Ende 1983 aus, um sich vermehrt seinen eigenen Projekten zu widmen. Das Duo Blank/Meier lieferte danach aber weiter Welthits ab. Nachdem man mit Bostich bereits für Furore bei den damaligen DJs gesorgt hatte, folgten Klassiker wie Vicious Games,
Grandios geblieben ist der herrlich selbstironische Humor von Yello und hier vor allem von Dieter Meier. Meier hält sich seit vier Jahrzehnten mit der Selbstdefinition als „Künstler“ sehr zurück und gibt immer wieder bescheiden zu Protokoll, dass er als Performance-Artist verwundert war, dass er für seinen „Unfug“ nicht verhaftet wurde. Seine Gesangsfähigkeiten schätze er stets augenzwinkernd und selbstkritisch limitiert ein, wenn er sagt, dass er Bostich praktisch „auf einer Note“ gesungen hätte und ohnehin ja gar keine Noten lesen konnte. Yello sei ihm „zugefallen“ und wirklich „stolz“ könne er darauf nicht sein. Er sieht seinen Erfolg als Schicksal, nicht als Verdienst. Dafür, ganz ohne falsche Bescheidenheit, hat er mit Yello (und auch als Videokünstler) eine ganze Menge erreicht.
Mit Point melden sich Yello vier Jahre nach „Toy“ wieder zurück. Und erneut produzierte man nach gewohntem Schema: Boris Blank sitzt von neun bis achtzehn Uhr in seinem Studio und bastelt an Geräuschen, tüftelt elektronische Sounds aus und fügt sie zusammen. Mittags um sieben Minuten vor Zwölf geht er zum Essen und arbeitet danach weiter. Dieter Meier ist während dieser Zeit nicht anwesend. Möglicherweise ist er in Südamerika auf seiner Rinderfarm oder kümmert sich um seine verstreuten Restaurants. Wenn er dann von Blank informiert wird, dass Kompositionen fertig sind, besucht er die Studios in der Schweiz, hört sich die Sequenzen an und improvisiert mehr oder weniger schnell die Texte zu den Songs. Während „Toy“ sehr experimentell und manchmal jazzig-instrumental geworden war, erinnert Point wieder ein wenig an „Flag“. Vor allem der Opener „Waba Duba“ erinnert doch sehr an The Race. Allerdings schlägt das Duo auf dem neuen Album auch reduziertere und weniger verspielte, manchmal mystisch-atmosphärische Töne an, die Point zu einem sehr abwechslungsreichen Ausflug werden lassen.
Tonqualität Stereo und Atmos
Auf der Pure Audio Disk von „Point“ findet sich neben der 3D-Sound-Abmischung in Dolby Atmos auch eine PCM-Stereo-Fassung, die allerdings von der Dynamik her sehr kastriert wirkt. Ihr fehlt’s im Source-Direct-Modus deutlich an Bass. Hier empfiehlt sich wenigstens die Aktivierung eines Soundmodus mit aktiviertem LFE-Kanal, um ein bisschen Fundament zu bekommen. Dann gefällt sie vor allem mit ihrer breit aufbauenden Stereo-Bühne und sehr klar akzentuierten Stimmen. Auf diese Weise klingt ein „Waba Duba“ schon mal sehr präsent und unmittelbar, während Songs wie Way Down nette Stereo-Effekte nutzen.
Wenden wir uns nun aber dem Atmos-Sound zu, der von Stefan Bock per ProTools in den MSM Studios gemixt und produziert wurde. Die Maßgabe war, der Musik weitgehend treu zu bleiben. Der Mix sollte also der Musik dienen, nicht die Musik dem Mix. Allzu plakativ sollte das Ganze also nicht ausfallen. Während der Produktion der Atmos-Spur blieb man mit Boris Blank in der Schweiz in Kontakt. Blank nahm auch den fertigen Mix in Zürich ab. Für ihn war es ein fantastisches Erlebnis, die Atmos-Fassung zum ersten Mal in der Zürcher Hochschule der Künste in einem Dolby Atmos-zertifizierten Kino zu hören. Das Staunen über den neuen Raum-Klang war für ihn vergleichbar, wie der Moment, als er als kleiner Junge zum ersten Mal die Beatles in Stereo gehört hatte. Das waren damals Welten zwischen Mono und Stereo.
Und tatsächlich macht die Abmischung von Beginn an Spaß. Da das Album mit dem wunderbaren „Waba Duba“ beginnt, das spielerisch mit Meiers Stimme umgeht wie zu besten The Race-Zeiten, toben sich die Höhen-Speaker am Organ des Sängers aus und lassen es rundherum spazieren, während die Zungenakrobatik von Meier in ungeahnter Geschwindigkeit Vokale aneinander reiht. Dazu gibt’s ein paar Mal einen durchaus satten Bass-Sweep, der für flatternde Hosenbeine sorgt – klasse. Die Hauptbühne wird für die rhythmische Keyboard-Begleitung sowie die von links nach rechts wandernden Effekte genutzt. In „Vanishing of Peter Strong“ geht’s etwas dezenter zu. Die 3D-Sounds werden hier von den Schlagzeugbesen dominiert, die den Beat luftig begleiten, während die reguläre Ebene sich auf die geheimnisvoll und rau flüsternde Stimme von Dieter Meier konzentriert. „Way Down“ präsentiert sich dann wieder etwas verspielter und nutzt die 3D-Arrangements nicht nur für die Stimmen, sondern auch für elektrische Sounds. Schön, wie hier sämtliche vier Höhen-Speaker unabhängig voneinander angebunden werden und die Musik fast schwerelos im Raum zu schweben scheint. Und wenn Meiers Stimme nach 8’50 unglaublich nahe und unmittelbar zum Zuhörer raunt, sorgt das schon Gänsehaut. Auf der regulären Ebene sehr präsent ist „Out of Sight“, das den Zuhörer schon über das 5.1-Setup wunderbar in die Mitte nimmt und bei „to the left, to the right“ eben genau dieser Aufforderung auch akustisch nachkommt. Da hat sich jemand beim Mix schon Gedanken gemacht. „Big Boy’s Blues“ ist dann wiederum sehr ausgewählt in den integrierten 3D-Sounds. Während Meiers Stimme nur dezenten Hall über die Höhen-Ebene liefert, hört man das Raunen des Background-Chors sowie die zwischendurch eingestreuten E-Gitarrensounds von oben. „Basic Avenue“, das erneut eine sehr voluminöse Bassline nutzt, ist dann wieder etwas verspielter und unterstützt durch die Atmos-Mischung die zahlreichen Vocal-Sounds. Der siebte Song des Albums gehört aber auch auf der regulären Ebene zu den fantasievollsten und räumlichsten des Albums. Sehr cool sind die Vibrations-Geräusche und die invertiert-bohrend klingenden Geräusche in „Core Shift“, das im Zusammenspiel mit allen Lautsprechern ohnehin sehr gelungen ist. Nicht jeder Song profitiert gleichermaßen von der Atmos-Mischung. Ein paar sind einfach grundsätzlich eher (sorry, Yello-Fans) etwas langweilig und bieten dann für eine 3D-Sound-Abmischung auch nicht sonderlich viel Möglichkeiten. „Hot Pan“ ist so ein Fall, der zwar von Meiers breit aufgestellter Stimme lebt, dies aber größtenteils über die reguläre Ebene bewirkt. Schön wiederum die elektronischen Congas in „Rush for Joe“ sowie die schmeichelnden Frauenstimmen, die gemeinsam mit den sphärischen Keyboardklängen im Bonustrack „Meet my Angel“ von oben herab flüstern.
Fazit
Yellos 14. Album klingt als Pure Audio Blu-ray mit Dolby-Atmos-Sound wirklich klasse. Die Räumlichkeit ist exzellent. Die Sprachverständlichkeit super und die Höhen-Speaker sorgen für ein immersives Erlebnis. Etwas mehr Mut für ein wenig „mehr“ hätte man hier und da walten lassen können. Der eine oder andere Song bleibt ein wenig zaghaft in seiner 3D-Vertonung. Dennoch reiht sich Point problemlos in die zuletzt sehr hochwertigen Pure-Audio-Blu-ray-Veröffentlichungen ein.
Beziehen könnt ihr die Pure Audio Blu-ray bei JPC oder bei Grobi.TV. Bei Letzterem gibt’s sogar einen Song zum Download und Probehören.
Timo Wolters
Bewertung Album
2.0 PCM Stereo (Tonqualität): 75%
Dolby Atmos (Tonqualität): 90%
Dolby Atmos (Kreativität/Umsetzung): 80%
Anbieter: Universal/Polydor
Land/Jahr: Schweiz 2020
Tonformate: LPCM Stereo 2.0 48kHz // Dolby Atmos (True HD Kern)
Laufzeit: 50’35
Codec: AVC
FSK: 0
(Copyright der Cover und Bilder liegt bei Anbieter Universal/Polydor Music Germany)
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Hallo Timo, schön geschrieben.
Die Atmos- Bewertung für mich, wobei ich nicht Ton und Kreativität trenne, sehe ich bei 100%!
Habe seit Jahren nix besseres gehört an Soundmix. Für mich ganz klar Referenz ! und gehört zum Demomaterial bei jedem 3D Sound Equipment.