Zwischen Himmel und Eis

Blu-ray Review

Zwischen Himmel und Eis Blu-ray Review Cover
Weltkino, seit 01.04.2016

OT: La glace et le ciel

 


40.000 Jahre Klimageschichte

Luc Jacquet entführt uns in die Welt des ewigen Eises.

Inhalt

Claude Lorius war der erste Forscher, der den Mensch für den Klimawandel verantwortlich gemacht hat. Im Jahre 1957 reiste er als junger Mann erstmalig ins ewige Eis der Antarktis und hofft auf ein großes Abenteuer. Dass er monatelang auf See verbringen musste und das Gruppengeschehen auf dem Schiff nicht immer der Stimmung dienlich war, damit hatte er erstmal nicht gerechnet. Doch beim ersten Anblick von treibenden Eisschollen und dicken Eisbergen sind diese Gedanken beiseite gewischt. Nach Monaten der Reise vor Ort angekommen beginnt er seine intensive Arbeit und stellt heraus, dass, analog zur Lebenslinie der Bäume, jede Luftblase in Eisproben von der Aktivität der Menschen im Rest der Welt zeugt. Die Tatsache, dass die menschliche Bevölkerung fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung verbrennt, bringt das Eis zum Schmelzen und lässt die Meeresspiegel ansteigen. 1965 klagt Lorius erstmals das Verhalten der Menschheit an, wird aber nicht gehört. Erst viel später soll man seiner Botschaft Glauben schenken …

Luc Jacquet dürfte den meisten Zuschauern noch durch seinen oscarprämierten Die Reise der Pinguine bekannt sein. Erst drei Filme hat der ausgezeichnete Natur-Filmemacher bisher gedreht und fügt mit Zwischen Himmel und Eis nun seinen vielleicht wichtigsten und vierten hinzu. Jacquet schildert anhand des Lebens, der Arbeit und der Leidenschaft des heute 82-jährigen Forschers Claude Lorius, wie fragil das Gleichgewicht der Erde ist und wie drastisch es vom Zustand der Antarktis und dem ewigen Eis abhängt. Mit melancholischer Musik und in atemberaubenden Bildern (ein sicher überstrapaziertes Adjektiv, das hier aber nicht treffender gewählt sein könnte) führt uns Jacquet von ersten Szenen an einem Schweizer Gletscher bis in die Antarktis, fügt Archivbilder der Expeditionen von Claude Lorius hinzu und schildert damit eindrücklich, wie strapaziös aber auch wie spannend die Arbeit der Forscher damals war. Ohne deren Werk, mittels Eisbohrungen zu analysieren, welche Veränderungen auf das Eis und somit die Erde eingewirkt haben, wüssten wir vermutlich heute noch nicht, wie es um das Klima bestellt ist. Wer jetzt allerdings eine Naturdoku erwartet, der sieht sich getäuscht: Zwischen Himmel und Eis ist vielmehr eine Dokumentation von Lorius‘ Forschungsarbeit, die anhand der Archivaufnahmen geschildert wird. Erstaunlich sind dabei nicht nur die extremen Bedingungen, unter denen die Männer damals arbeiteten (und sich manchmal nicht mehr riechen konnten), sondern vor allem, wie zahlreich die visuellen Aufzeichnungen noch sind. Die Forscher hatten offenbar immer ihre Kameras zur Hand – ob es nun das private Leben auf 24qm bei 8°C im Camp war oder die Arbeiten außerhalb im ewigen Eis. Im Kontrast zu diesen Szenen stehen die Aufnahmen von Lorius, der mit Jacquet Filmteam an die Orte zurückkehrte, die er vor 50 Jahren erstmalig erforscht hat. Dort sieht man dem Mann an, dass er darum weiß, dass all seine Prophezeiungen wahr geworden sind. Ernst ist sein Blick und traurig seine Miene, wenn er auf einem dahingeschmolzenen Gletscher oder knietief im Meer vor einer Insel, deren Ufer vom steigenden Meeresspiegel gefressen werden. Manchmal zittert sein Unterkiefer, was den Eindruck noch verstärkt, er könne aufgrund der Zerstörung „seines“ Lebensraumes zu Weinen beginnen. Zwar ist das Thema grundsätzlich sehr theoretisch-wissenschaftlich geraten, doch der Schweizer Moderator Max Moor führt den Zuschauer mit seiner angenehm-sonoren Stimme und schlüssigen Texten durch Zwischen Himmel und Eis.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Zwischen Himmel und Eis teilt sich auf in die Archivaufnahmen, die in 4:3 vorliegen und die stark verschmutzt und verrauscht sind. Das ist technisch natürlich gar nicht anders machbar und stört auch nicht – immerhin vermittelt es die Authentizität, die nötig ist, um die Arbeit der Forscher zu beschreiben. Für gut 55-60 Jahre altes Material ist die Qualität allerdings erstaunlich gut. Die von der reinen Sreentime her geringer vorhandenen, neu gefilmten Szenen strotzen nur vor Kontrastumfang, Farbkraft und Plastizität – sie wirken oft beinahe hyperrealistisch. Ob das unglaubliche Kamerafahrten aus der Vogelperspektive über die Gletscher sind oder Lorius‘ charakterstarkes Gesicht, das formatfüllend auf der Leinwand prangt.
Akustisch ist es erstaunlich, was Jaquet und seine Techniker aus dem alten Material gemacht haben. Natürlich wurden hier nachträglich entsprechende Sounds eingefügt, doch das gelingt authentisch und mit schönen Surroundeffekten. Auch die Musik von Zwischen Himmel und Eis trägt dazu bei, dass der Ton erstaunlich räumlich geraten ist. Dennoch integriert er die realen Sounds der Zeit, sei es das Gemurmel der Gespräche oder auch das Klappern der Töpfe beim Zubereiten einer Mahlzeit im Schneemobil.

Bonusmaterial

im Bonusmaterial von Zwischen Himmel und Eis stößt man zunächst auf ein Interview mit dem Kommentator Max Moor. Der Schweizer Moderator erzählt von seiner Faszination, mit der Stimme dem Film eine bestimmte Atmosphäre zu schenken.  In „Begegnung mit Claude Lorius“, einem nur 90-sekündigen Feature, erzählt Jacquet, wie er dem Wissenschaftler erstmals begegnete. „Ein mutiger Mann“ schildert, ebenfalls sehr kurz, anhand von Archifaufnahmen, wie strapziös die Arbeit Lorius‘ wirklich gewesen ist. „Fantastische Drehorte“ zeigt in kurzen Einstellungen, wo man den Film begann und wie man darstellte, dass der Meeresspiegel steigt. „Glaziologe aus Berufung“ lässt noch einmal Lorius selbst zu Wort kommen.

Fazit

Auch wenn Zwischen Himmel und Eis eher eine Archiv-Aufnahmen-Dokumentation mit retrospektiver Erzählung ist, faszinieren die Aufnahmen nicht minder wie Jaquets zeitaktuelle Dokus. Wie die Ursprünge der Forschung in der Antarktis zur Schlussfolgerung der globalen Erderwärmung führten, ist jedenfalls spannender aufbereitert als so mancher Thriller.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität (Archivaufnahmen): 55%
Bildqualität (Neuaufnahmen): 90%

Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Weltkino/Universum
Land/Jahr: Frankreich 2015
Regie: Luc Jacquet
Sprecher: Max Moor
Darsteller: Claude Lorius
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, fr // dts HD-Master 2.0: de
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 89
Codec: AVC
FSK: 0

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