Steppenwolf Mediabook

Blu-ray Review

OT: Dala qasqiri

Plaion Pictures, 26. Juni 2025
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Blutige Zweckgemeinschaft

Gewalt(tät)iges Kino aus Kasachstan.

Inhalt

Wenn verlorenes Kinderspielzeug Aussage genug ist

Brajyuk ist ein ätzendes Arschloch. Für Geld scheint er alles zu tun, und um seinen Hintern aus schwierigen Situationen zu retten, ist ihm praktisch jedes Mittel recht. Nachdem er für die Polizei ein paar Häftlinge zu Aussagen bringen sollte (wobei Gewalt eher die Regel als die Ausnahme ist), wird die Station von marodierenden Banditen überfallen. Brajyuk entkommt der Situation nur, indem er den Gangstern erzählt, die junge Tamara, die vorhin an der Station angekommen ist, würde einige Tausend Dollar Belohnung für diejenigen geben, die ihren Sohn Timka wiederfinden. Der hatte kurz zuvor noch auf einer Schaukel gesessen und war dann plötzlich weg. Tamara kann sich aufgrund ihres Stotterns zwar nur eingeschränkt mitteilen, führt die Gruppe aber zu dem Ort, an dem sie ihren Filius das letzte Mal gesehen hat. Brajyuk entledigt sich dort erst einmal der Ganoven, um sich dann mit Tamara auf die Spur desjenigen zu begeben, den sie für die Entführung verantwortlich halten: Kinderhändler Taha. Doch der Weg zu diesem ist voll von dessen Schergen und Handlangern, die für Brajyuk allesamt nicht mal den Dreck unter seinen weißen Sneakern wert sind …

Folterknecht mit McDonald’s Sonnenbrille

Das kasachische Kino ist nicht zwingend etwas, das man hierzulande auf dem Schirm hat. Erst seit den 2000ern gab es gelegentlich Beispiele für Filme aus dem Land, das sich im Norden 7600 Kilometer Grenze mit Russland teilt, die auch hierzulande einigen Cineasten ein Begriff wurden. So gab es vereinzelt Autorenkino aus Kasachstan, das Filme wie die Tragikkomödie Tulpan von 2008 hervorbrachte. Etwas größer wurde es mit der russisch-kasachischen Koproduktion Mongol, der 2007 das Leben des jungen Dschingis Khan porträtierte und als bester fremdsprachiger Film in das Oscar-Rennen ging. Mit teilweise über 1000 Statisten wurde hier an Originalschauplätzen in Kasachstan und der Mongolei gedreht. Was man seit den 2000ern aber wahrnehmen konnte, wenn man sich intensiver damit beschäftigte, war ein kleiner Trend hin zu einem archaischen Kino. So kommt der 2009er Kelin komplett ohne Dialoge aus, wenn er die Geschichte einer anonymen Braut erzählt, die gegen ihren Willen mit einem Schäfer verheiratet wird, diesen jedoch irgendwann zu schätzen weiß. Als ihre alte Liebe jedoch auftaucht und den Ehemann zum Kampf herausfordert, werden die Dinge dramatisch. Auch Adilkhan Yerzhanov wurde zu dieser Zeit bereits aktiv und debütierte 2011 mit seinem ersten Langfilm Rieltor, einem ziemlich bizarren Zeitreisefilm. Spätere Werke wie The Gentle Indifference of the World oder A Dark, Dark Man liefen dann auf Festivals in Cannes und San Sebastián. Zwei Filme, die mit sehr unterschiedlichen Geschichten, aber dichter Atmosphäre punkten konnten. Zudem wohnt Yerzhanovs Filmen stets die Reflexion über Korruption und Machtmissbrauch inne – Themen, die das Land begleiten, seit es sich nach dem Zusammenfall der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Bis heute herrscht in Kasachstan keine echte Meinungsfreiheit, Korruption ist an der Tagesordnung und das politische System ist autoritär (der erste Präsident, Nursultan Nasarbajew führte das Land von 1991 bis 2019, während politische Opposition praktisch nicht stattfand). Anti-Regierungsproteste im Jahr 2022 wurden gewaltsam niedergeschlagen – über 200 Menschen kamen dabei ums Leben. Was dem späteren kasachischen Kino aber stets anhaftet, sind eine gewisse Melancholie und später auch eine post-sowjetische Tristesse, vermengt mit absurdem Humor und (nicht selten) harscher Gewalt.

Scheint die Situation auch noch so ausweglos – Brajyuk finden einen Weg raus

Womit wir bei Steppenwolf sind – vielleicht einem der gewalttätigsten Filme des Landes überhaupt. Yerzhanov lässt seine typischen Stilelemente des lakonischen, schwarzen Humors, der sich mit einer fast kafkaesken Stimmung paart, hier auf eine Art ultrabrutalen und -blutigen Thriller treffen. Noch genauer: auf einen ziemlich schmutzigen, teils hoffnungslos wirkenden, desillusionierenden Drecksack von Film. Die Weite der kasachischen Landschaft dient hier nicht als romantische Umgebung, die zum Träumen über den nächsten Urlaubsaufenthalt einlädt, sondern als unwirtlicher und feindseliger Ort. Das Land scheint in Kriminalität zu versinken: Gangster und Korruption lauern überall und bisweilen pfeifen die Kugeln um die Köpfe unserer Protagonisten, ohne dass diese das überhaupt noch zu interessieren scheint. Die größte Dynamik, entsteht tatsächlich durch das Zusammenspiel von Anna Starchenko und Berik Aytzhanov als Tamara und Brajyuk. Der rüde Ex-Bulle-jetzt-für-Geld-Allesmacher ohrfeigt seine Begleiterin nicht nur einmal, um ein paar Informationen aus ihr herauszuholen oder sie ruhigzustellen, weil sie ihm mit ihrem Gestottere auf die Nerven geht. Die Mischung aus völlig desillusioniertem Machopenner, den man als Zuschauer schnell verabscheuen lernt, und verschreckter Mutter, für die man unmittelbar Beschützerinstinkte entwickelt, funktioniert auf eine bizarre Art und Weise. Auch wenn mir persönlich die eine oder andere Ohrfeige zu viel ihr Ziel fand und es, um die Arschlochmentalität Brajyuks auszudrücken, etwas weniger auch getan hätte. Dass sie bei diesem skrupellosen Mistkerl bleibt, kann nur darin begründet sein, dass er ihre einzige Hoffnung auf das Finden ihres Sohnes ist. Ohnehin scheint Steppenwolf aus Gegensätzen zu bestehen. Neben den beiden ungleichen Protagonisten sind das die bereits angesprochene Landschaft, die zwar eigentlich wunderschön ist, hier aber als feindlich charakterisiert wird, und es ist die Filmmusik. Zu den nihilistischen Bildern der unberührt wirkenden Szenerie gesellt sich ein auf den ersten Ton völlig unpassend wirkender Elektro-Score, der aber lediglich konsequent fortführt, was die anderen Gegensätze bereits begonnen haben.

Das Verhältnis ist nicht frei von Konflikten

Konsequenz kann man auf einen bestimmten Punkt des Films eher bedingt als Argument anwenden. Denn Steppenwolf entzieht sich gängigen Sehgewohnheiten und Strukturen. Es mag sein, dass Regisseur Yerzhanov das Verhalten der Polizei, die offenbar öfter mal Folter anwendet, um an Informationen zu kommen, als Kritik am Regime seines Landes versteht. Allerdings versucht er erst gar nicht, seinen Film zu erklären. Das ist gerade zu Beginn ziemlich verwirrend und man weiß nicht so recht, wer da jetzt gerade was und warum tut. Möglicherweise ist es auch eine dystopische, nicht genau genannte Zukunft eines ohnehin dysfunktionalen Landes, in der Bürgerkrieg (mit welchen Zielen auch immer) herrscht. Die Antwort darauf bleibt uns Yerzhanov schuldig. Was man sich trotz des ungewohnten und spannenden Ansatzes gewünscht hätte, ist mehr Charaktertiefe für unsere beiden Protagonisten. Es gibt so etwas wie eine kleine, zarte Annäherung der beiden, doch viel Entwicklung machen beide nicht durch. Was bleibt, ist ein wirklich ungewöhnlicher, in den Actionszenen sehr souverän und hochwertig inszenierter Streifen, der Mad-Max-Elemente in ein kühles, gleichsam aber westernartiges Szenario verpackt und mit reichlich Brutalität garniert, die einen schon mal schockiert zurücklässt.

Preis: 27,99 €
Stand von: 2025/12/21 10:01 a.m. - Details
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10 neu von 27,99 €2 gebraucht von 28,00 €
Studio: Plaion Pictures
Format: Blu-ray
Erscheinungstermin: Thu, 26 Jun 2025
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Bild- und Tonqualität

Handmodellierung nach Brajyuk-Art

Steppenwolf wurde digital gedreht. Allerdings war nicht herauszubekommen, welche Kamera verwendet oder ob hier ein 4K-DI erstellt wurde. Die Blu-ray zeigt das auf gewisse Weise bewusst stilisierte Bild mit authentischem Flair. Stilisiert hat man vorwiegend in puncto Filterung etwas. So zeigen sich Umrisse von Figuren stets mit einem etwas soften Rand. Das gilt insbesondere für Abbildungen vor hellem Hintergrund. Ohnehin sind helle (Ober)flächen stets etwas ausgeblasen und scheinbar bewusst überhöht. Die durchweg offenbar bewusst nur auf mittlerem Niveau gehaltene Schärfe trägt dazu bei, dass dem Film so ein bestimmter 90er-Jahre-B-Movie-Look anhaftet. Dazu tragen auch die Farben bei, die sich fast ausschließlich an einer Blau- und Graupalette entlanghangeln. Selbst der Rubicks Magic Cube oder das rote Blut der bedauernswerten Opfer bleiben eher matt. Und wenn’s im späteren Verlauf vornehmlich neblig wird, gibt’s nur noch wenig Dynamik im Bild. Auch das sicher absichtlich und intendiert. Das Encoding ist sauber und reproduziert das digitale Rauschen fein aufgelöst und homogen. Es gibt keinerlei Vermatschungen oder

Mit Gewalt spart der Film nicht

Der Ton von Steppenwolf liegt für beide Sprachen (Deutsch und Russisch) in 5.1-DTS-HD-Master vor. Und beide Fassungen klingen wirklich sehr gut. Denn Gewalt geht nicht nur vom Protagonisten aus, sondern auch vom Tonsektor. Schon das brodelnde Feuer nach etwas über 18 Minuten lässt die Subs rumoren. Wenn die Kiste dann in die Luft fliegt, setzt es erstaunlich wuchtige Signale (18’50). Hervorragend sind auch die spontanen Dynamikattacken. Wenn nach knapp 21 Minuten ein einzelner Schuss fällt, ist man als Zuschauer ebenso überrascht wie unser Hauptdarsteller. Auch die Schüsse nach rund 22 Minuten kommen satt rüber, was noch durch die leichte Bedämpfung intensiviert wird, weil die Schüsse in einem Raum abgegeben werden. Jene isolierten und zum Ende hin stakkatoartigen Schüsse zwischen Minute 50 und 53 profitieren hingegen von einem authentischen Nachhall, der über die öde Steppe des Landes zurückgeworfen werden. Nach 84 Minuten gibt es dann die intensivste Actionsequenz, bei der auch schwerere Geschütze zum Einsatz kommen. Wunderbar, dass die Dynamik aber so gut funktioniert, dass zwischen den Schusswechseln das leise Knistern des Feuers atmosphärisch und realistisch zu hören ist.

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Bonusmaterial

Showdown mit den Gangstern

Steppenwolf weist einen Audiokommentar von Filmkritiker David Flint auf, der auf popkulturelle Querverweise eingeht, aber vor allem die beiden Hauptcharaktere intensiver beleuchtet. Des Weiteren gibt es ein 15-minütiges Making-of und einen visual Essay von Autor und Filmwissenschaftler Lee Broughton. Das Steelbook enthält außerdem ein 20-seitiges Booklet mit Texten von Stefan Jung.

Fazit

Steppenwolf ist weit weg vom üblichen, genretypsischen Kino, das man möglicherweise erwarten könnte, wenn man sich die Beschreibung des knappen Inhalts durchliest. Regisseur Yerzhanov hat hier vielmehr einen ziemlich dreckigen, düsteren und bedingungslosen Thriller inszeniert, der immer wieder Schockwirkung erzielt und dem kasachischen Kino einen kontroversen Beitrag hinzufügt. Für aufgeschlossene Filmfreunde mehr als einen Blick wert. Die Blu-ray vermittelt da stilisierte Bild authentisch, kann beim Ton aber hörbar mehr überzeugen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 85%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 60%
Film: 75%

Anbieter: Plaion Pictures
Land/Jahr: Kasachstan 2024
Regie: Adilkhan Yerzhanov
Darsteller: Berik Aytzhanov, Azamat Nigmanov, Anna Starchenko
Tonformate BD: dts-HD-Master 7.1: kz/ru, de
Untertitel: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Plaion Pictures)
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Trailer zu Steppenwolf

Steppenwolf (Trailer Deutsch / German) - Berіk Aitzhanov, Anna Starchenko


So testet Blu-ray-rezensionen.net

Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professionelle Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischem Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder Ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.

Dort findet ihr auch das aktuelle Referenzgerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:

Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierte Bild„verbesserern“ zu verfälschen.

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Kisi
Kisi
20/08/2025 18:27

Finde immer klasse wenn du Filme hier Reviewst von denen ich noch nix gehört habe. Der Trailer sieht gut aus muss ihn aber erst mal anschauen bevor er in meine Sammlung kommt. Danke Timo