Der Spion und sein Bruder

Blu-ray Review

Der Spion und sein Bruder Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, seit 21.07.2016

OT: The Brothers Grimsby

 


Kill the Poor

Wenn Sacha Baron Cohen auf die Menschheit losgelassen wird, wird auch mal ein Daniel Radcliffe mit HIV infiziert.

Inhalt

Der Spion und sein Bruder Blu-ray Review Szene 9
Nobby im Kreis seiner Freunde

Nobby Grimsby ist der lokale Fußballnerd und Bierhooligan einer englischen Vorstadt. Mit Liam-Gallagher-Gedächtnisfrisur kümmert er sich rührend um seine elf Kinder und Enkel, lässt sie den besten Chemieunterricht überhaupt genießen (Breaking Bad) und wechselt dann in die Biologie-Klasse (Discovery-Channel). Doch eins fehlt dem Hallodrie zum Glück: Sein jüngerer Bruder Sebastian, von dem er vor 28 Jahren getrennt wurde, weil die Eltern starben. Für tot geglaubt, taucht er irgendwann auf und ist so ganz anders als Nobby. Sebastian hat eine steile Karriere beim MI6 hinter sich gebracht und ist als Agent mit der Lizenz zum Töten für jeden Auftrag der Richtige. Auf einer Wohltätigkeitsgala soll er das Leben der Schauspielerin Kate schützen, auf die ein Attentat geplant ist. Doch anstelle dessen taucht Nobby auf und stürzt die Situation ins Chaos. Ein angeschossenes HIV-positives Kind, ein mit HIV infizierter Schauspieler und ein toter Amtsträger später weiß Sebastian, dass er sich gewünscht hätte, seinen Bruder nie wiederzusehen. Doch nun müssen die beiden eben miteinander klarkommen, denn immerhin denkt die ganze Welt, der Agent selbst sei Schuld an den Toten vor Ort. Was Sebastian nicht weiß: Sein grobschlächtiger Bruder und dessen einfältige Fußballkumpels können ihm mehr helfen als er denkt – naja, zumindest für einen kurzen Moment …

Der Spion und sein Bruder Blu-ray Review Szene 1
Das gesamte MI6 ist hinter Sebastian her

Was soll einem Film schon passieren, der mit Blurs „Park Life“ beginnt und zeigt, wie der Protagonist mit seiner Partnerin die neue Matratze direkt im Laden ausprobiert – also so RICHTIG ausprobiert? Eigentlich nichts – es sei denn, man kann mit dem Dauerfeuer unter die Gürtellinie nichts anfangen, das den Werken mit und von Sacha Baron Cohen innnewohnt. Da er sich dieses Mal aber nicht irgendeinen fiktiven Staat oder die schicke Modewelt ausgesucht hat, sondern tief im Sumpf der britischen Vorstädte wühlt, geht es in Der Spion und sein Bruder eine Spur derber zu wie zuletzt. Da wird schon mal mit Böller im Hintern das Fußballergebnis gefeiert und das Bier fließt nicht in Strömen, es wird literweise durch die Gegend geschleudert. Cohen ist sich auch nicht zu schade, den Pappaufsteller zweier afrikanischer Kinder für Masturbationsspielchen zu missbrauchen, wenn er eine Charity-Gala sprengt. Geschmacklos sagen die einen, ultrasarkastischer Beitrag auf die Verlogenheit solcher Spenden-Events sagen die anderen. Denn Der Spion und sein Bruder ist neben einer Actionkomödie mit Buddy-Charakter eben auch erneut ein höchst sozialpolitischer Film, der die Zustände in den britischen Armenvierteln anprangert und die Verlogenheit der politisch Korrekten entlarvt. Das Coole am neuen Werk des britischen Königs des schlechten Geschmacks ist aber sein Co-Star Mark Strong, beziehungsweise das Zusammenspiel der beiden. Wenn Cohens „Nobby“ den Einsatz seines Agentenbruders ins Chaos stürzt, nur um kurz darauf auch noch eine männliche Politesse in die Luft zu sprengen, kommentiert Strong das lapidar mit „macht jetzt auch nichts mehr“. Die beiden harmonieren perfekt in der Rolle des um Fassung und Anstand bemühten und des Vollzeitchaoten. Dabei zündet nahezu jeder Wortwitz und genau das unterscheidet die Filme von Cohen von denen anderer Komödianten. Der Borat-Erfinder ist einfach grandios, wenn es darum geht, auch in der absurdesten Situation noch einen Gag zu platzieren (siehe Brust-Tattoo zur gewonnenen WM Englands). Okay, die Elefanten-Bukkake hätte man sich vielleicht sparen können und auch das brüderliche Eierlutschen ist nicht jedermanns Sache, aber für solche Entgleisungen werden aufgefangen von Actionmomenten, die zuletzt ihresgleichen suchten. Wenn Mark Strong in seiner ersten Szene einen Gegner stellt und bis dahin eine halbe Stadt verwüstet, wird die Egoperspektive höchst effektiv genutzt und die Szenen sind perfekt choreografiert. Auch das Finale kann sich in Sachen Rasanz und Action durchaus sehen lassen. Und weil gerade Wahlkampf in den USA ist, bekommt Donald Trump ganz nebenbei genauso sein Fett weg wie die US-Waffenlobby. Im Finale ist Der Spion und sein Bruder dann gar ein Statement wider den Kapitalismus, die Korruption und für die Macht des kleinen Mannes – naja, ein bisschen jedenfalls. Und so unterscheiden sich trotz aller albernen Banalitäten die Komödien mit Cohen eben durch ihre subtil-sarkastischen Botschaften.

Der Spion und sein Bruder Blu-ray Review Szene 4
Mit Bier, Elefantenpenis und Hotelschlappen gegen das Böse in der Welt

Bild- und Tonqualität

Der Spion und sein Bruder Blu-ray Review Szene 10
Liam – ähm … Nobby erweist sich als stilsicherer Agent

Das Bild von Der Spion und sein Bruder kann mit hoher Laufruhe und recht hohem Kontrastumfang punkten. Insgesamt liegt ein dezenter Grünstich über dem Geschehen, was aber nicht zu stark oder gar störend ausgeprägt ist. Die Bewegungsschärfe ist sehr gut und die Bildruhe gefällt durch ein auffällig geringes Korn. Schwarzwerte sind kräftig, was sich vor allem in den dunklen Pullis darstelt. Auch die Detailtiefe gefällt, was man gut bei der Totalen vom Harare Township erkennen kann (52’25) – insgesamt ein sehr gutes Bild, das nur während der Rückblicke stilistisch bewusst abweicht und softer wird.
Was eine zünftige Actionkomödie ist, die muss auch akustisch mächtig knallen – und das tut die Blu-ray von Der Spion und sein Bruder. Wenn Sebastian in der Egoperspektive Gegner ausschaltet und seine Einsatzleitung ihm Befehle direkt „ins Hirn“ überträgt, dann werden die Effektlautsprecher genutzt wie lange nicht mehr. Die einflüsternden Stimmen sind derart präsent und nahe, dass man sich selbst als James-Bond-Ersatz wähnt. Schüsse knallen effektvoll, Querschläger schlagen ein und die Filmmusik donnert dynamisch aus sämtlichen Speakern. Die Dialoge kommen dabei prägnant und sehr gut verständlich aus dem Center, wobei die englische Fassung deutlich vorzuziehen ist. Nicht, dass die Synchro mies wäre, kommt der Unterschied der zwei Protagonisten auch über ihre Dialekte zum Tragen. Während Nobby das hässlichste Vorstadt-Englisch spricht, drückt sich Sebastian distinguiert und äußerst gewählt aus – das transportiert die Synchro einfach nicht.

Bonusmaterial

Der Spion und sein Bruder Blu-ray Review Szene 5
Der Vater von elf Kindern hat eine Schwäche für die etwas fülligeren Damen

Neben je drei entfernten und erweiterten Szenen sowie einem Gag Reel gibt’s im Bonusmaterial von Der Spion und sein Bruder noch ein elfminütiges Making-of, in dem Regisseur Letterier erklärt, dass man sich seinen Film vorstellen solle wie einen Jason Bourne, in dem neben Matt Damon ständig Sacha Baron Cohen seine Witze reißt. Das Line-o-Rama ist eine Art Improvisation einiger Szenen der verschiedenen Filmfiguren und „Der Elefant im Raum“ blickt hinter die Kulissen der Dickhäuter-Ejakulations-Szene.

Fazit

Wo Sacha Baron Cohen hinlangt, wächst kein Gras mehr. Im Falle von Der Spion und sein Bruder darf man der ersten Intragebärmutterbefruchtung einer Elefantenkuh ebenso beiwohnen wie beißenden Gags über Politiker, verlogene Prominente und Londoner Vorstadt-Proleten. Ist das Ganze politisch korrekt? Nicht mal im Ansatz! Sind die Witze für den guten Geschmack? Nicht die Bohne! Doch gerade das ist es, was Cohens Fans wollen – und alle anderen schauen eh weg oder erst gar nicht rein.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Louis Letterier
Darsteller: Sacha Baron Cohen, Mark Strong, Rebel Wilson, Penélope Cruz , Isla Fisher, Gabourey Sidibe
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 83
Codec: AVC
FSK: 12