Elser – Er hätte die Welt verändert

Blu-ray Review

Elser - Er hätte die Welt verändert Blu-ray Review Cover
EuroVideo, seit 22.10.2015

OT: –

 


13 Minuten

Von einem, der beinahe im Alleingang den größten Kriegsverbrecher des 20. Jahrhunderts erledigt hätte.

Inhalt

Auf „Heil Hitler“ erwiedert Georg Elser lieber „Mahlzeit“ und sein Ansteckbutton der „Roten“ führt gar dazu, dass der junge Mann verhaftet wird. Als kurz darauf eine Bombe im Münchner Bürgerbräukeller explodiert – eben jenem Ort, an dem an diesem Tag, dem 08.11.1939 Adolf Hitler eine Ansprache hielt, steht für die Behörden fest, dass er der Attentäter sein muss. Und tatsächlich: Elser hat den Anschlag lange und präzise geplant, den Bürgerbräukeller immer wieder besucht, um dort alle Vorkehrungen zu treffen und eine zeitgezündete Bombe zu platzieren. Dass unvorhergesehene Ereignisse den damaligen Reichskanzler zu einem früheren Aufbruch zwangen, konnte der gelernte Schreiner vom Bodensee nicht ahnen. Nun sitzt er in der Mangel von Kripochef Nebe und dem sadistischen SS-Mann Müller, soll vermeintliche Hintermänner preisgeben und erklären, warum er den Anschlag verübt hat …

26 Jahre ist es her, dass Klaus Maria Brandauer den Hitler-Attentäter Georg Elser im gleichnamigen Film mimte. Filmhistorisch gesehen sind das fast zwei Generationen, weshalb Oliver Hirschbiegel durchaus zurecht die Zeit gekommen sah, die zeigeschichtliche Figur des Georg Elser ein weiteres Mal einem großen Kinopublikum zugänglich zu machen. Sein Elser – Er hätte die Welt verändert sagt schon im Titel aus, welchen Einfluss der intelligente Schreiner auf das Weltgeschehen gehabt hätte, wenn nur das Timing anders gewesen wäre. Hirschbiegel, der schon mit Das ExperimentDer Untergang oder Ein ganz gewöhnlicher Jude bewies, dass er bei historischen Dramen höchst akkurat und vor allem extrem spannend inszenieren kann, geht in seiner Fassung des Elser einen anderen Weg als das 89er Werk von Brandauer. Während der Österreicher seinen Film linear anlegte und mit dem Attentat endete, beginnt Hirschbiegel mit selbigem und schwenkt dann zur Inhaftierung sowie dem Verhör seiner Hauptfigur. Parallel erzählt Elser – Er hätte die Welt verändert rückblickend den Werdegang Elsers – bleibt und spielt dauerhaft auf zwei Zeitebenen. Die eine kümmert sich in Rückblenden um die Jahre 1932-39, die andere beginnt mit dem Attentat, beschreibt das Verhör und endet mit der Hinrichtung im KZ 1945. Beide Stränge üben ihren eigenen Reiz aus. Die Verhörszenen leben vom intensiven Spiel Christian Friedels in der Rolle des Elser und Burghart Klaußners als Arthur Nebe. Immer wieder sind deren Auseinandersetzungen aufgrund der kammerspielartigen Konfrontation beider Seiten höchst packend. Hirschbiegel ist es ein Anliegen zu schildern, dass Elser sein Attentat höchstselbst und ohne Unterstützung einer Partei oder Organisation durchgeführt hat. Wie die offizielle Seite an dieser Tatsache verzweifelt, weil sie unbedingt Drahtzieher dingfest machen möchte, ist ein ganz starker Aspekt von Elser. Da hätte es den sarkastischen Humor Elsers gar nicht unbedingt gebraucht, den dieser infolge der nicht nachlassenden Fragen zu etwaigen Hintermännern bisweilen anwendet.

Hirschbiegel stellt außerdem heraus, dass der Schreiner höchst intelligent und für die Zeit extrem reflektiert war. Allerdings konzentrieren sich die Rückblicke zum Teil etwas zu sehr auf die Entwicklung der Beziehung zu Elsa. Die ist offenbar aus dramaturgischen Gründen entsprechend prominent in den Film geschrieben, obwohl sie in Elsers Leben nicht die große Rolle gespielt hat. Ganz im Gegensatz zu seiner Familie, seiner Schwester beispielsweise, die kurz nach Elsers Festnahme ebenfalls inhaftiert wurde, von der im Film aber keine Rede ist. Während das private Geplänkel zwischen Georg und Elsa oft störend und unpassend wirkt, ist der Elser – Er hätte die Welt verändert in der Aufarbeitung des Wegs zum Bau und zur Platzierung der Bombe höchst akkurat. Von der Arbeit in der Armaturenfabrik über das frühe Erlangen der Erkenntnis, dass Hitler einen neuen Krieg auslösen will bis hin zum Auskundschaften des Bürgerbräukellers. Allerdings geht Hirschbiegel in seinem Film davon aus, dass sein Protagonist nicht politisch organisiert war. Tatsächlich war Elser aber eine Zeit lang zumindest im Frontkämpferbund der KPD Mitglied – ob er jedoch ein Parteibuch hatte, ist historisch nicht verifiziert. Als „Pazifist“ und „Feigling“ bezeichnen ihn seine Freunde eines Abends und Elser nimmt das so hin. Vielleicht zeichnet der Film in Summe ein etwas zu gütiges Bild des erklärten Antifaschisten, doch am Ende ist vor allem die eine Aussage wichtig, die der Film ohne jeden Umweg transportiert: Zivilcourage war auch im 3. Reich möglich und Johann Georg Elser war einer der mutigsten Menschen aus der Linie derer, die sich gegen Hitler gestellt haben.
Sobald sich die Ereignisse der beiden Erzählebenen zeitlich einander annähern, verdichtet sich auch die Atmosphäre mehr und mehr. Elsers Äußerungen gegenüber Nebe, dass Hitler nicht gut für Deutschland sei, die Löhne gesunken wären und der Blitzkrieg gegen Polen nur Gegengewalt erzeugen würde, lässt für einen kurzen Moment ein zweifelndes Zucken auf dem Gesicht des Chefs des Reichskriminalpolizeiamtes erkennen. Arthur Nebe gebührt auch eine zweite, vielleicht DIE intensivste Szenen des Films, wenn er 1945 aufgrund der Kollaboration mit dem Stauffenberg-Attentat hingerichtet wird und die Kamera dies still und nüchtern einfängt.

Bild- und Tonqualität

Eine leichte aber sichtbare Körnigkeit lässt das Bild von Elser – Er hätte die Welt verändert sehr filmisch wirken. Während der Rückblicke gesellt sich bisweilen ein leichter Weichzeichner dazu, der den Gesamteindruck während der helleren Außenaufnahmen etwas absoftet. Die Schärfe ist vor allem in Nahaufnahmen stets prägnant und gut, der Kontrastumfang lässt sich prinzipiell nichts zu Schulden kommen, wird vielleicht während einiger Szenen in Innenräumen ein wenig durchschnittlicher.
Während die grundsätzliche Ausprägung von Elser eher von den Dialogen bestimmt wird, die jederzeit gut verständlich sind (mal abgesehen vom schwäbischen Slang der Bodensee-Angrenzer), sind es die ersten Minuten die auch Effektatmosphäre verbreiten. Elsers Vorbereitungen im Bürgerbräukeller sind von intimer Räumlichkeit, während das kollektive „Sieg Heil“ vor der Ansprache Hitlers beängstigend aus allen fünf Lautsprechern rauscht. Auch dessen Rede, die aufgrund der Mikrofon-Lautsprecher-Akustik sehr authentisch wirkt, gelangt sehr effektiv ans Ohr. Die Explosion der Bombe selbst ist dann eher gedämpft, weil sie nur aus der Entfernung gezeigt wird. Zwischendurch gibt es immer mal wieder etwas Dynamik, wenn SS-Leute mit den alten Fahrzeugen durchs Bild rauschen und Motorräder den Zug knatternd begleiten.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Elser können wir eine Einführung in den Film vom Regisseur sowie den Produzenten anwählen. Außerdem finden sich sieben entfernte Szenen, Eindrücke einer Schulvorführung, der Bundespräsident Joachim Gauck beiwohnte und Interviews mit den Darstellern. Das ebenfalls enthaltene Making-of läuft mit knapp unter 14 Minuten etwas kurz, um allumfassend über den Film zu informieren. Allerdings ist es zumindest weit weg vom üblichen TV-Teaser-Werbefilmchen, das deutschen Produktionen oft beigefügt wird.

Fazit

Elser – Er hätte die Welt verändert ist ein wichtiger Film, der dem heutigen Zuschauer erneut eine historische Person nahebringt, die Aufmerksamkeit und Anerkennung in höchstem Maße verdient hat. Nicht nur, weil Georg Elser Hitler stoppen wollte, sondern weil er ein leuchtendes Beispiel für den Widerstand gegen den Faschismus und ein totalitäres Regime war. Aus filmdramaturgischer Sicht wäre Hirschbiegels Werk noch runder geworden, hätte er auf die Überbetonung der Beziehung zu Elsa sowie die unausgegorene Gewalt-gegen-Frauen-Thematik verzichtet. Die überfrachtet das Drama letztlich etwas und kann gegenüber dem Hauptaspekt des Widerstands gegen das Nazi-Regime nur unter die Räder kommen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 80%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Oliver Hirschbiegel
Darsteller: Christian Friedel, Katharina Schüttler, Burghart Klaußner, Johann von Bülow, David Zimmerschied, Felix Eitner, Rüdiger Klink, Cornelia Köndgen, Martin Abram, Simon Licht, Lissy Pernthaler, Michael Kranz, Gerti Drassl, Valentina Repetto
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 114
Codec: AVC
FSK: 12

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