Ghostland – Stell dich deiner Angst

Blu-ray Review

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Capelight Pictures, 10.08.2018

OT: Ghostland

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Rob Zombies Haus

Wenn der „Martyrs“-Regisseur auf Mystery-Spuk macht, kommt etwas ziemlich Packendes dabei heraus.

Inhalt

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Beth hat nach den Ereignissen Erfolg als Autorin

Pauline zieht mit ihren Kids Beth und Vera in das Haus der verstorbenen Tante. Schon der Hinweg gibt den üblichen Zickereien zwischen den beiden Töchtern Spielraum. Denn während Vera sich für ganz normal hält, gruselt sie sich vor Beth, die Gefallen an Horrorstories im Stile eines Lovecraft schreibt. Am Ziel angekommen hat Vera natürlich auch einen sarkastischen Kommentar bereit – immerhin ist das Gemäuer ebenso alt wie mit gruseligen Sachen vollgestellt. Doch schaurige Puppen sind das kleinste Problem, das die Drei bald haben werden. Denn urplötzlich sind zwei Eindringline im Haus, die mit brutalster Gewalt Jagd auf Pauline und ihre Kinder machen. Der mutige Einsatz der Mutter retten zwar allen das Leben, doch auch Jahre später hat sich das Leben nicht normalisiert. Beth, die ihr Trauma über selbst verfasste Horror-Romane verarbeitet, hat „lediglich“ schlechte Träume. Beth allerdings, die bei ihrer Mutter im Haus der Tante geblieben ist, leidet unter schwersten Wahnvorstellungen und latenter Auto-Aggressivität. Ein Hilferuf der schwer gestressten Schwester lässt Beth ins Haus zurückkehren, wo sie eine böse Überraschung erleben wird …

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Vera hat Beth zu Hilfe gerufen

Pascal Laugier wurde mit Martyrs schlagartig berühmt und gab mit The Tall Man (Angst hat viele Gesichter) seinen Hollywood-Einstand. Nun schrieb er sich selbst die Vorlage für sein neues Werk Ghostland, dass im weitesten Sinne als Haunted-House-Film beginnt, dann aber ziemliche Haken schlägt.
Zunächst mag es den Zuschauer noch etwas wundern, wenn er einen FSK-16-Sticker auf einem Laugier-Film sieht, doch das wäre fatal. Denn nur weil Ghostland nicht ultrablutig ist, so schlägt er doch mitunter brutal zu. Wenn der erste Eindringling Pauline angreift, ist das äußerst brutal, ohne blutig zu sein. Ganz im Gegenteil: Die Wucht dieser überraschende Szene ist so heftig, dass man für einen Moment sprachlos ist. Praktisch die komplette Abfolge der Geschehnisse im Haus, die gut sechs Minuten in Anspruch nehmen, sind dermaßen roh und unmittelbar, dass Ghostland immer wieder seine Faust tief in die Magengrube des Zuschauers schlägt. Das ist ein Auftakt, wie man ihn im Haunted-House-Genre nur selten serviert bekommt. Wenn der Film dann einige Jahre vorwärts macht, gibt es für einen Moment Zeit zur Erholung, um den zweiten Teil der Geschichte mit den älteren Darstellern aufzubauen. Man macht also kurz einen Schritt zurück, bevor’s wieder vorwärts geht. Und das tut es glücklicherweise mit unheimlichen Sequenzen, die zunächst weitgehend im Off stattfinden. Man sieht und weiß also längere Zeit nicht, was im Haus los und was mit Vera passiert. Fügt sie sich den Schaden selbst zu oder gibt es (erneut) ungebetene Gäste im Haus? Was soll Beth glauben und wie kann sie ihrer Schwester helfen?

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Vera leidet unter psychotischen Anfällen

Laugier schafft es bemerkenswert gut, hier Spannung aufzubauen und für hochstehende Nackenhaare zu sorgen. Dabei helfen ihm nicht nur eine dynamische Kameraführung und innovative Kameraeinstellungen, sondern vor allem der Sound. Mit äußerst genialer Ortbarkeit rumpelt, grummelt und poltert es im Haus, sodass der Hörsinn maximal ins Geschehen einbezogen wird. Das funktioniert so gut, dass man für Jumpscares nicht mal visuelle Überraschungen braucht, sondern schon alleine über den Ton immer wieder aufschreckt.
Und wenn sich dann nach etwa 50 Minuten eine faustdicke Überraschung präsentiert, nimmt Ghostland noch mal eine Wendung an, die gerade visuell und atmosphärisch überzeugt: Das Thema der Puppen. Hier reihen sich plötzlich bizarre Bilder in die Story ein, die einem der Antagonisten ein brutales Antlitz verpassen, während er gleichzeitig als tragische Gestalt erscheint – ein Gratwanderung, die vor allem auch deshalb so gut funktioniert, weil dessen Darsteller Rob Archer das ziemlich überzeugend macht.
Lange Zeit wird hier zudem überhaupt nicht gesprochen, was den Terrorfaktor noch verstärkt und sich auf ein Finale zubewegt, das zwar relativ konventionell ausfällt, aber in seiner Wucht dennoch atemlos zurücklässt.

Bild- und Tonqualität

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Ssscht – Don’t speak!

Die Blu-ray von Ghostland hat ein recht ruhiges Bild, das weitgehend rauschfrei bleibt. Die Farbgebung tendiert leicht ins Grüngelbe, was als Stilmittel in dem Mystery-Horror prächtig funktioniert. Die Auflösung ist in Close-ups teilweise so gut, dass man auch feinste Details erkennt (Strickmuster in Paulines Pullover 12’28). Halbtotale wirken dann allerdings schon mal etwas weicher, bzw. erscheinen ein bisschen stark gefiltert. Der Schwarzwert in den dunklen Szenen passt, Der Kontrastumfang ist erstaunlich hoch.
Beim Ton von Ghostland bekommt man spätestens nach Ankunft im Haus eine Demonstration in Sachen direktionaler Surround-Effekte. Wenn Vera die chinesische Kiste öffnet, klingelt es perfekt ortbar von den Rears und auch das Quietschen des Mechnismus wird eindrucksvoll im Raum verteilt (7’47). Natürlich werden die zahlreichen Jumpscares ebenso dynamisch und effektvoll umgesetzt und schon das Knarzen des alten Gemäuers macht richtig Spaß. Die dumpfen Tritte im Haus (11’29), das Herumlaufen der Protagonisten im Off-Kamera-Bereich – der Sound setzt hier wirklich die Akzente, die den Grusel spürbar werden lassen. Und wenn die Eindringlinge dann zum Angriff übergehen, setzt es richtig Krawall. In Sachen Direktionalität, Bassfundament und Dynamik hat man selten so einen effektvollen Gruselfilm-Sound gehört.

Bonusmaterial

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Die beiden Schwestern gehen durch die Hölle

Das Bonusmaterial von Ghostland fängt im Falle des Mediabooks bereits mit dem wunderschönen Umschlag sowie dem 18-seitigen Booklet an. In Letzterem hat Filmwissenschaftler Prof. Dr, Marcus Stiglegger mal wieder für Anbieter Capelight einen interessanten Text geschrieben und es gibt ein Interview zwischen dem Deadline-Magazin und Regisseur Laugier.
Auf der Disk gibt’s dann ein absolut erschöpfendes und 73 Minuten langes Making-of, das Pascal Laugier praktisch auf dem Fuße folgt, wenn er seine Darsteller zu Höchstleistungen und emotionalen Ausbrüchen animiert. Oft begleitet die Kamera ihn auch in den Drehpausen, wenn er selbst seine Gefühlt bzgl. gerade angefertigter Szenen preisgibt – ein tolles Making-of.
Oben drauf gibt es noch drei Interviews – je eins mit Crystal Reed, Emilia Jones und Laugier.

Fazit

Pascal Laugier zeigt mit Ghostland, dass er auch abseits von blutigsten Exzessen für Spannung, Schauer und Schock sorgen kann. Selbst wenn auch hier junge Frauen durch ein Martyrium gehen, ist sein jüngster Film doch thematisch komplett anders ausgelegt und nutzt vielmehr die Wucht geschickt getimter und gefilmter Kämpfe und Attacken, denn literweise Kunstblut. Von vorne bis hinten spannend aufgebaut, gut gespielt und voller Überraschungen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 95%
Tonqualität (Originalversion): 95%
Bonusmaterial: 70%
Film: 80%

Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: Frankreich/Kanada 2018
Regie: Pascal Laugier
Darsteller: Crystal Reed, Anastasia Phillips, Mylène Farmer, Emilia Jones, Taylor Hickson, Kevin Power
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 91
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover, Szenenbilder: © 2018 Capelight Pictures)

Trailer zu Ghostland

Trailer GHOSTLAND (Deutsch)

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Rüdiger Petersen

Ein Film der mir sehr gut gefallen hat. Kann ich bedenkenlos empfehlen.