Terror – Ihr Urteil

Blu-ray Review

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Highlight Communications, seit 20.10.2016

OT: –

 


Das kleinere Übel?

Terror – Ihr Urteil behandelt auf spekulative Weise eine Frage, die den Zuschauer in moralische Bedrängnis bringt.

Inhalt

Lars Koch steht vor Gericht. 164 Menschen hat der Kampfpilot getötet – ein eindeutiger Fall von mehrfachem Mord, oder? Wenn es doch immer so einfach wäre. Denn die 164 Leben, die sein Angriff gekostet hat, sind einer Abwägung zum Opfer gefallen. Einer Abwägung, ob es weniger schlimm ist, diese Menschen zu opfern, um vermeintliche 70.000 andere zu retten. Denn Lars Koch hat eine von einem Terroristen gekaperte Linienmaschine abgeschossen, die zielstrebig auf die vollbesetzte Allianz Arena zusteuerte, um dort eine maximale Zerstörung zu erreichen. Nun muss das Gericht die Frage klären: Schuldig des Mordes an 164 Menschen oder nicht?

Von 3nach9 bis zu Plasbergs Hart aber fair – wohl kaum ein anderer deutscher TV-Film hat die mediale Berichterstattung und die Zuschauer zuhause im ausgehenden Jahr so beschäftigt wie Terror – Ihr Urteil. Die moralische Frage, die der Film aufwirft ist aber auch nicht einfach (wenn überhaupt) zu beantworten. Ist das Leben VIELER mehr Wert als das Leben „WENIGER“? Oder darf Leben nicht als zählbar angesehen werden? Ist Leben unendlich? Wie urteilt man über jemanden, der eine Entscheidung (noch dazu gegen seinen Befehl) getroffen hat, die über 100 Menschen in den Tod riss, wenn er doch gleichzeitig hunderte oder tausende gerettet hat? Gleich zu Beginn des Films wendet sich Burghart Klaußner an das Publikum selbst und ernennt es zum Schöffen. Man solle sich von allem freisprechen, was man über „den Fall“ gehört habe und am Ende entscheiden. Klaußner als vorsitzender Richter würde dann das Urteil verkünden, welches vom Publikum gefällt würde. Dies fiel während der TV-Ausstrahlung (überraschend oder nicht) extrem deutlich aus. In Österreich und Deutschland entschieden sich übereinstimmende 86,9 Prozent (natürlich meldeten sich Verschwörungstheoretiker sofort und vermuteten einen böswilligen Zufall), in der Schweiz immerhin noch 84 Prozent für … na klar, den Freispruch. Immerhin saß ja auch nicht irgendjemand da vor Gericht, sondern Kinoliebling Florian David Fitz. Wer möchte den sympathischen und smarten Schauspieler schon 164 mal lebenslänglich hinter Gitter schicken? Terror – Ihr Urteil muss sich deshalb vorwerfen lassen, dass er alleine durch seine Besetzung Partei ergreift – selbst wenn der Richter am Ende sagt, man solle sich eben nicht von Sympathien und Antipathien beeinflussen lassen.

Die Verfilmung eines Theaterstücks von Ferdinand von Schirach setzt dem grundsympathischen Familienmenschen und Piloten Lars Koch eine höchst arrogante Staatsanwältin gegenüber, die man gar nicht mögen kann. Da noch dazu nur die wenigsten Zuschauer mit juristischen Gepflogenheiten und Gesetzgebungen vertraut sind, entscheiden sie rein emotional und nicht auf rechtlicher Grundlage. Die rechtliche Grundlage ist hier, dass Koch sich gegen geltende Befehle gestellt und auf „eigene Faust“ gehandelt hat. Alleine das ist ein Rechtsbruch, der geahndet werden müsste. Dennoch sieht man sich selbst als möglichst neutraler Zuschauer schnell in einem moralischen Dilemma. Wenn tatsächlich mehrere Tausend oder Zehntausend Menschen in Gefahr sind, würde man selbst auch so handeln oder die Befehle befolgen? Ab welcher Anzahl Menschen ist es zu vertreten, Leben gegeneinander abzuwägen? Es gibt einen Moment, in dem man tatsächlich auf der Seite der Staatsanwältin steht. Wenn diese die Frage stellt, warum das Stadion nicht geräumt wurde ist das die erste und vielleicht die beste und schwierigste Frage des ganzen Films. Man hat Kraume vorgeworfen, dass er das Publikum zum Richter macht – und das in einer äußerst schwierigen Frage. Dass sich der Zuschauer millionenfach über das Verfassungsgericht stellt – und das mit einem einzigen Telefonanruf oder Internetvoting. Vielleicht ist da was dran, vielleicht macht dieser Vorwurf es sich aber auch etwas zu leicht. Wer weiß schon, wie intensiv sich jeder Zuschauer mit der Frage über die vergangenen 85 Minuten beschäftigt hat? Am Ende wird hier aber kein „gefährlicher“ Präzedenzfall zur Öffnung von Pandoras Büchse sorgen, so wichtig sollte man TV-Unterhaltung nicht nehmen.
Apropos Unterhaltung: Filmisch gesehen ist Terror – Ihr Urteil eigentlich eher spröde. Die 85 Minuten spielen ausschließlich im Gerichtssaal und der Aufbau ist so theatralisch, wie es die entsprechenden Live-Aufführungen selbst sind. Allerdings sind Drehbuch und Inszenierung so gut, dass man auch ohne jede juristische Ahnung der Story vollständig folgen kann. Die Erläuterungen von Kochs Chef beispielsweise sind klar formuliert, ohne kindlich belehrend zu wirken. Am Ende und nach der umfassenden Erklärung über Abläufe des fraglichen Tages gibt es drei ausgiebige Plädoyers: Eines der Staatsanwältin, eines des Anwalts des Piloten und eines von Koch selbst. Gerade Koch scheint aber kein einfacher Pilot zu sein, wenn er in seiner Selbstverteidigung smart genug argumentiert, dass (Verfassungs)Richter vor ihm zusammenbrechen würden.

Bild- und Tonqualität

Terror – Ihr Urteil erscheint ausschließlich auf DVD. Die hat allerdings ein erstaunlich ruhiges und rauscharmes Bild mit hervorragenden Kontrasten. Die dunklen Uniformen und der anthrazit ausgestattete Gerichtssaal sind kräftig und knackig. Gelbe Applikationen auf der Uniform sowie die weißen Hemden der Anwältin und des Richters kommen klar rüber, allerdings wirken Gesichtsfarben ein wenig zu kräftig.
Der 5.1-Dolby-Digital-Ton bekommt im Prinzip nie etwas zu tun, es sei denn zu Beginn während der Funkstörgeräusche sowie dem Einmarsch ins Gericht. Auch zwischendurch eingestreute Voice-Recordings der Black Box öffnen den Raum etwas. Ansonsten konzentriert sich Terror – Ihr Urteil vollständig auf die authentische (aufgrund der Räumlichkeit leicht hallige) Wiedergabe der Stimmen.

Bonusmaterial

Das gerade mal 90-sekündige „Hinter den Kulissen“ führt uns in den Gerichtssaal und zeigt, wie auch, wie die Kulisse von außen aussah. Natürlich hält der Film beide möglichen Enden parat – je nachdem, wie man für sich selbst Rechtsprechen würde, kann man sich anschauen, wie das Urteil dann ausfällt.

Fazit

Terror – Ihr Urteil ist vielleicht ein etwas zu eitler Film, der allerdings absolut packend inszeniert und gespielt ist. Dass die Geschichte nicht neutral erzählt wird, führt zwar dazu, dass ein Urteil des Zuschauers (und das fordert Lars Kraume ja ein) nur zugunsten des Piloten ausfallen kann, aber falls man doch zum geringen Prozentsatz derer gehört, die ihn für schuldig befinden, hat man die Möglichkeit, sich den entsprechenden Schuldspruch auch anzuhören.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Bonusmaterial: 10%
Film: 75%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: Deutschland 2016
Regie: Lars Kraume
Darsteller: Burghart Klaußner, Martina Gedeck, Florian David Fitz, Lars Eidinger, Jördis Triebel, Rainer Bock
Tonformate: Dolby Digital 5.1: de
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 85 (plus 7 / 6 – je nach Urteil)
Codec: MPEG-2
FSK: 6

Trailer zu Terror – Ihr Urteil

TERROR – IHR URTEIL – offizieller Trailer

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