Fifty Shades of Grey – Geheimes Verlangen

Blu-ray Review

Fifty Shades of Grey - Geheimes Verlangen Blu-ray Review Cover
Universal Pictures, seit 18.06.2015

OT: Fifty Shades of Grey

 


The Dark Side of Sex

Kaum ein Film der letzten Jahre hat für so viel Gesprächsstoff gesorgt wie Fifty Shades of Grey – zu Recht?

Inhalt

Weil sie für ihre grippekranke Freundin Kate einspringt, lernt Literaturstudentin Anastasia den reichen Unternehmer Christian Grey durch das Interview kennen, das eigentlich Kate mit ihm führen sollte. Während Ana so etwas wie die natürliche Unschuld vom Lande ist und mit Blümchenbluse und Strickjacke zu dem Termin auftaucht, ist Christian ein cosmopolitischer Lebemann und Arroganzbolzen, wie er im Buche steht. Seine Art bringt Ana beinahe augenblicklich auf die Palme, fasziniert die noch unerfahrene junge Frau aber gleichzeitig. Als er tags darauf auch noch in dem Heimwerkerbedarf auftaucht, in dem sie jobbt, ist ihr die Aufregung anzusehen. Trotzdem ihr die herrische Arroganz Christians auf die Nerven geht, fühlt sie sich auf eine unterschwellige Art und Weise angezogen. Nach einer durchzechten Nacht, die damit endet, dass sie ihm vor die Füße kotzt, wacht sie in seinem Hotelzimmer auf und erfährt, dass Christian eine ganz spezielle Art hat, Beziehungen zu leben. Bei ihm geht kaum etwas ohne Kontrakt, schriftliche Einwilligung und den Wunsch der Frau, sich ihm zu unterwerfen. Ana, zunächst verwirrt, lässt sich auf das ein, was sie zunächst für ein Spiel hält. Christian jedoch hat eine dunkle Seite und geht möglicherweise weiter als es ihr lieb sein kann …

Ich mache keinen Hehl daraus: In keinen Streifen der letzten Jahre bin ich mit größeren Vorurteilen gegangen wie in die Verfilmung der ach so sehr zum Skandalprodukt stilisierten Romanreihe von E.L. James. Mögen die Bücher für rote Ohren und aufgeregt durchblutete Bäckchen der (vornehmlich) weiblichen Leserschaft gesorgt haben, sind die modernen Medien (zu der das Kino wohl immer noch gehört) dermaßen durchdrungen von Sex und Tabubrüchen, dass ein Film, der ein bisschen nackte Haut zeigt, das Wort Bondage beinhaltet und in dem man ein bisschen Heimwerkerzubehör im SM-Zimmer sieht, doch kaum ein Erfolg werden konnte. Ein erotischer Rohrkrepierer, so dachte ich – und ich lag falsch. Aber sowas von. Phänomenal wäre wohl das Wort, das man bemühen müsste, um das weltweite Einspiel von Sam Taylor-Johnsons (Nowhere Boy) Adaption zu beschreiben. Offenbar sind tatsächlich ALLE, die das Buch gelesen haben, in den Film gerannt. Der Grund dafür mag der Hype gewesen sein oder das tatsächliche Interesse am vermeintlich anrüchigen Thema.

Wie aber steht es denn nun um die  Erotik und Leidenschaft, um das Frivole und „Verbotene“ in Fifty Shades of Grey? Zuerst die Überraschung (ja, auch für mich): Dakota Johnson (Reine Männersache) spielt nicht nur ihren Gegenüber an die Wand, sondern vermittelt tatsächlich haargenau die Mischung aus unerfahrener Naivität, leichter Abscheu und aufbrodelndem Interesse, die ihrer Figur innewohnt. Ohne ihr Schauspiel wäre der Film fast ausschließlich peinlich.
Denn Jamie Dornan (Flying Home) als Christian Grey ist leider (nach dem Absprung Charlie Hunnams) ein (im wahrsten Sinne des Wortes) glatter Totalausfall. Nicht nur dass sich der deutsche Kinokenner permanent an den jungen Peter Thorwarth erinnert fühlt, strahlt der Akteur leider Null Dominanz und keinerlei Respekt aus. Im Gegenteil: Seine gespielte Arroganz ist unglaubwürdig, seine Blicke offenbaren Unsicherheit und irgendwie scheint er sich in seiner Rolle nicht wohl zu fühlen. Da hilft es wenig, dass er die zackigen und herrischen Dialoge wiedergeben darf, die ihm E.L. James in den Mund geschrieben hat.

Dominanz im BDSM kommt aus dem Menschen selbst heraus und ist keine Fassade, hinter der man sein unsicheres und arrogantes Wesen versteckt. Wenn Dornan verkündet, dass er nie mit jemandem „schlafe“, sondern nur „hart ficke“, dann drängt sich im Angesicht dieses Milchbubis unwillkürlich ein unfreiwilliges Lachen auf. Und wenn er dann mit Ana in seine Tiefgarage geht und ihr auf die Frage, welches Fahrzeug seins sei, antwortet „Alle“, dann ist das nicht nur ein vollkommen unnötiger Dialog (hat Ana bis dahin etwa noch nicht gecheckt, dass Christian steinreich ist?), sondern lässt weitere Dominanz vermissen – ganz im Gegenteil wirkt er dann erst recht wie ein verzogenes Muttersöhnchen. „Willkommen in meiner Welt“ sagt Christian zu Ana, als er ihr die ersten zärtlichen Klapse auf den Po gibt – vielleicht hätte Dornan zuvor mal bei Namensvetter Jamie Bell in die Lehre gehen sollen, der in 20 Minuten „Nymph()maniac“ trotz seines jungenhaften Äußeren mehr Dominanz mit seiner Hand ausstrahlt als Dornan mit seinem ganzen Körper und über die volle Laufzeit.

Über die Hintergründe des BDSM und warum ein Mann (oder auch eine Frau) diesen Weg wählt, erfährt man nur wenig. Auf die Frage Anas, warum Christian so lebt, antwortet er lapidar „Ich bin einfach so“. Halten wir Fifty Shades of Grey zu Gute, dass noch zwei weitere Filme kommen und er dann ja vielleicht noch mit der Sprache rausrückt, doch gerade die in der BDSM-Szene Aktiven werden mit einem ziemlich unbefriedigten Gefühl aus dem Film gehen. Immerhin merkt man, dass E.L. James (und auch der Film) Berater hatten. Gerade der Vertrag und seine Klauseln entbehren nicht einer gewissen Grundlage. Dann jedoch wechselt der Film wieder vom (sanften) Erotikmodus in den Individualreisen-Werbekatalog für gutsituierte Geschäftsleute: Ana und Christian fliegen im Hubschrauber durch die Großstadt, im Segler über ländliche Gefilde, rauschen im R8 durch die Nacht und im S7 Sportback über das Flugzeugrollfeld – ohnehin hatte der große deutsche Autohersteller offenbar seine monetären Finger im Spiel und durfte dafür seine schicksten Gefährte in hübsches Licht tauchen.

Inszenatorisch und inhaltlich hat sich Regisseurin Johnson dann alle Mühe gemacht, sämtliche „Dunkelheit“ und das „Schmutzige“ aus ihrem Film zu tilgen, um BDSM auch ja aus seinem Dark Room zu holen. Ihre Hochglanzbilder sind frei von jeder Unreinheit und praktisch antiseptisch. Selbst als Ana für Christian Frühstück macht, hat man noch den Eindruck, man könnte auf der Arbeitsplatte eine Operation am offenen Herzen vornehmen, ohne eine Infektion zu riskieren. Nicht dass BDSM per se düster ist, doch wenn es wirklich mal ums Thema geht, zieht Fifty Shades of Grey die rote Hard-Limit-Karte und damit züchtig den Schwanz ein – zu viel Schonungslosigkeit will man dem Zuschauer dann ja doch nicht offerieren: Anal-Fisting? Pfui! Nein, sowas macht die feine Dame nicht. Nur konsequent, dass Ana (und Christian) ihren Schambereich unfrisiert tragen. Immerhin sind wir hier in einem US-Film, in dem man zwar während des Akts mal ein bisschen mehr Haut als üblich sieht, aber dennoch die Bettdecke züchtig über die Brüste hält, wenn man (bzw. Frau) aufwacht und sich aufrichtet.

Unterschied zwischen Kinofassung und Unrated Version

All jenen, die glauben, mit der Unrated Version wird Fifty Shades of Grey jetzt zum (Soft)Porno sei gesagt: Es ist ein Hochglanz-Bockbluster-US-Film! Da wird niemals was Explizites draus. Der Laufzeitunterschied von etwas über drei Minuten resultiert zwar auch aus ein klein wenig mehr Haut (mal etwas mehr Weitwinkel, mal eine Brustwarze, die man in der Originalfassung nicht sah) und – man höre und staune – es gibt einen klitzekleinen Peitschenhieb auf Anas Genitalbereich, doch das war’s letztlich auch schon. Überdies warten zwei, drei Handlungssequenzen, von denen die Szene, in der Ana ins Flugzeug steigt und von der Stewardess in die erste Klasse geleitet wird, die längste innerfilmische ist. Dazu kommt das fast 90-sekündige „alternative Ende“, das allerdings mehr ein Anhang und keine Alternative ist.

Bild- und Tonqualität

Dem Bild von Fifty Shades of Grey kann man praktisch nichts vorwerfen. Es erfüllt exakt die Hochglanzerwartungen, die man an einen dermaßen stylischen Film hat. Kontoren sind knackscharf umrissen, Kontraste herausragend und Greys feiner Anzug offenbart, dass nicht mal ein winziges Staubkörnchen dran haftet. Die Bildruhe, der Glanz auf dem Marmor in Christians Büro, der Blick in seine Krawattenschublade – ebenso sauber und aufgeräumt, ja kontrolliert wie Grey selbst, ist auch das Bild.
Akustisch leidet der eigentlich sehr offene Sound unter der teils komprimierten Filmmusik (Love me Like You Do von Ellie Goulding), die sich anhört, als hätte jemand den Begrenzer zu sensibel eingestellt. Die Stimmen sind vorzüglich verständlich, der Unterschied zwischen deutscher und englischer Fassung ist trotz dts 5.1 zu dts-HD-Master 5.1 kaum wahrnehmbar. Auch im hochauflösenden Original wirken die Filmsongs limitiert.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Fifty Shades of Grey gibt’s schon mal den Teaser für den zweiten Teil „Darker“. Dazu gesellen sich insgesamt vier Featurettes. In „Die Welt von …“, das sich in drei Teile aufsplittet, werden Christian, Ana sowie Freunde und Familie charakterisiert. Jeder dieser drei Bereiche ist weiter unterteilt, jener über die Nebencharaktere bspw. in die sieben begleitenden Figuren bzw. deren Darsteller/innen. Hinter den Kulissen läuft zirka 20 Minuten und erzählt den Weg vom Buch zum Film. Auch Autorin E.L. James, die sich als Co-Produzentin engagierte, kommt zu Wort. Bezeichnend ist, wie viel Mühe sich alle Beteiligten geben, den Film als „Märchen“, „Romanze“ und „Liebesgeschichte“ zu bezeichnen, ohne die bösen Worte (BD)SM überhaupt in den Mund zu nehmen. Beim Wort „Sex“ treibt es den Interviewten dann regelmäßig die Schamesröte ins Gesicht. Das Feature über E.L. James klärt ein wenig darüber auf, wie die Autorin auf die Idee zum Buch kam – offenbar nur bedingt durch autobiografische Erfahrungen. Bei „Die Lust am Schmerz“ geht’s dann tatsächlich mal um das Thema Bondage/Dominanz/Submission/Sadismus/Masochismus und Liam Helmer, der „technische Berater“ am Set, hat in der Tat ein paar relevante Dinge zu sagen. Hinzu gesellt sich dann noch eine kleine interaktive Fototour durch Christians Appartement sowie die Musikvideos zu „I Know You“ von Skylar Grey und „Earned it“ von The Weeknd. Zu Letzterem gibt’s sogar noch ein Making-of.

Fazit

Sam Taylor-Johnsons Romanverfilmung ist nicht nur ziemlich langweilig und belanglos, sondern entwirft vor allem ein fragwürdiges Bild des BDSM. Ein guter, ein echter und ein respektvoller Dom handelt niemals aus einem persönlichen Minderwertigkeitskomplex heraus. Eben dies deutet Fifty Shades of Grey allerdings an, um irgendeine Art von Rechtfertigung für das Verhalten seines Protagonisten herzustellen. Spätestens hier merkt man, dass weder E.L. James, noch der Film wirklich etwas über eine sadomasochistische Beziehung zu sagen haben, sondern klammheimlich ziemlich prüde mit dem Finger auf die Szene zeigen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass vielleicht die für 2017 und 2018 angekündigten Fortsetzungen ein etwas authentischeres Bild entwickeln. Bis dahin wissen die unbedarfteren Zuschauer jetzt wenigstens, was ein Flogger ist und wozu Safewörter gut sind.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 60%
Film: 40%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Sam Taylor-Johnson
Darsteller: Dakota Johnson, Jamie Dornan, Luke Grimes, Jennifer Ehle, Eloise Mumford, Rita Ora, Marcia Gay Harden
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts 5.1: de, it
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 125:12/128:29
Codec: AVC
FSK: 16

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