Nomadland

Blu-ray Review

Walt Disney Studios, 30.09.2021

OT: Nomadland

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Ein Gedicht auf der Straße

Hier kommt der diesjährige Oscar-Gewinner

Inhalt

Fern schaut ihren Freunden bei der Abfahrt zu

„Ich komm‘ hier zurecht!“ – Fern weiß die guten Ratschläge zu schätzen, die ihr ein warmes Bett in einer Kirche vorschlagen. Doch sie hat sich ganz bewusst dazu entschlossen, ihr Leben in ihrem weißen Van zu verbringen. Nachdem die Gipsmine in ihrem Heimatdorf schließen musste, hat man dem Kaff sogar die Postleitzahl (und damit praktisch die Existenz) entzogen. Und weil Ferns Mann verstarb, hielt sie schlicht gar nichts mehr an diesem Ort. Nun tingelt sie von Job zu Job und von Autostellplatz zu Autostellplatz. Ganz nahe bei ihr sind die anderen modernen Nomaden. Allesamt Menschen, die ausgestiegen sind. Aus verschiedenen Gründen: Unheilbare Krankheiten, Freiheitswillen, Mangel an Geld für eine Bleibe, Suche nach einem Sinn. Fern fühlt sich wohl in deren Umgebung. Sie reist mit. Egal, wie kalt die Nächte auch sein mögen …

Das Leben einer Nomadin ist frei gewählt

Der amerikanische Westen. Zentraler Dreh- und Angelpunkt eines Filmgenres, das die Kinos der 40er und 50er so sehr bestimmte wie kein anderes Genre des US-Films. Die Faszination, die von den Weiten dieser Gegend ausgeht, ist selbst heute noch ungebunden. Und diese Art moderner Nomaden, die Nomadland portraitiert, unterscheidet sich gar nicht so sehr von den Pionieren, die den Wilden Westen beritten. Chloé Zhao hatte 2017 mit The Rider nachgespürt, was es für einen Rodeoreiter heißt, wenn er seinen Job aufgrund einer Verletzung nicht mehr ausüben kann – wie kann ein kerniger Typ sein neues Ich akzeptieren?
Aktuell ist sie als Regisseurin von Marvel’s The Eternals engagiert – viel differenzierter kann man kaum Regie führen.
Mit der Geschichte zu Nomadland kam die gebürtige Chinesin in Berührung, weil Frances McDormand sich die Rechte zum 2017 erschienenen Sachbuch Nomadland – Surviving America in the Twenty-First Century der Journalistin Jessica Bruder gesichert hatte. McDormand hatte Zhaos The Rider gesehen und hielt die Regisseurin für die perfekte Wahl. Und das zu Recht. Denn Zhao, die sich selbst als eine Art Nomadin sieht, machte sich mit ihrem Partner kurz nach dem Entschluss, den Film zu drehen, selbst auf eine Art Roadtrip, um die Gemeinschaft der Nomaden besser kennen zu lernen. Diesen Begegnungen ist es auch zu verdanken, dass einige der von Bruder im Buch beschriebenen Menschen tatsächlich auch im Film zu sehen sind.

Linda lebt schon lange „on the Road“

Aber nicht nur diese Tatsache gibt Nomadland einen semidokumentarischen Anstrich. Auch die Kameraführung und die Art der Erzählung führen dazu. So beginnt der Film beispielsweise einfach. Ohne echten Startpunkt. Wir erfahren eher beiläufig, dass Ferns Eheman verstarb und die Gipsmine schließen musste. Es ist auch nicht wirklich von Interesse, sondern bildet nur den Hintergrund für eine gewisse melancholische Stimmung; für lange und beobachtende Einstellungen Ferns, wie sie an den Lagern der Nomaden vorbeiläuft und für fast zufällig aufgeschnappte Gespräche oder Monologe der Protagonisten. Man muss als Zuschauer ein Interesse für dieses Leben und für diese Art der Existenz mitbringen; man muss offen sein für einen Film, der sich wenig um gängige Erzählstrukturen kümmert. Wer Lynchs Straight Story kennt oder Hopkins in Mit Herz und Hand mochte, und wer sich dann noch einen standardisierten Handlungsverlauf wegdenkt, der weiß in etwa, was ihn erwartet. Nomadland ist seine Geschichte auch viel weniger wichtig als die Menschen, die ihn bevölkern. Als Zuschauer werden wir für einen Moment Teil ihres Lebens. Wir begleiten sie ein Stück auf ihrem Weg, bevor sie sich dann wieder verabschieden, um in eine andere Richtung zu gehen. Wir hören ihren Geschichten zu, freuen und mit ihnen und sind mit Ihnen auch mal traurig. Frances McDormand nimmt dabei oft die Rolle des Zuschauers ein. Sie hört zu, lässt sich die Lebensweisheiten der Menschen um sie herum erzählen und nimmt Anteil. Zudem wird man Zeuge, dass auch das heutige Amerika noch immer von Menschen gestützt wird, die den Traum vom Tellerwäscher zum Millionär niemals erreichen werden. Fern muss sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten, sei es in einem Schnellrestaurant, in einem großen Versandhaus oder als Putz- und Servicekraft auf einem Campingplatz – keiner ihrer Kollegen und Kolleginnen wirkt, als würden er oder sie es irgendwann zur Villa in Beverly Hills bringen. Und so romantisch wie es manchmal am Lagerfeuer mit einer Gruppe von 20 Nomaden ist, so einsam kann das Leben auch sein. In zwischendurch melancholischen Bildern unterlegt mit ebenso melancholischer Klaviermusik von Ludovico Einaudi verdeutlicht Nomadland, dass Fern viel Zeit mit sich selbst verbringt. Sie sitzt alleine in einem leeren Restaurant, sie steht alleine mit ihrem Van auf einem riesengroßen Parkplatz in der Nacht. Ein Zustand, der von tiefer Traurigkeit zeugt, den sie aber trotz der zeitweisen Einsamkeit nicht ändern möchte oder kann. Denn eine sich andeutende Romanze blockt sie bisweilen rüde ab. Nomadland ist ein Film der leisen Worte und der warmherzigen Bilder. Toll gespielt, toll fotografiert und absolut bewegend, wenn man sich drauf einlassen kann.

Nomadland [Blu-ray]
Preis: 9,99 €
(Stand von: 2024/04/20 2:05 pm - Details
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8 neu von 9,99 €4 gebraucht von 12,89 €
Studio:
Format: Blu-ray
Spieldauer:
Erscheinungstermin: Thu, 30 Sep 2021
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Bild- und Tonqualität

Lagerfeuer-Romantik inklusive

Nomadland wurde digital gedreht und weist aufgrund des semidokumentarischen Charakters hier und da eine ganz dezente Handführung auf, die allerdings nie ins torkelnde Wackeldackel-Verbrechen fällt. Die Bildruhe ist dauerhaft hervorragend. Rauschen oder Körnung sind selbst in dunklen Szenen kein Thema und Close-ups von McDormands Gesicht sind mitunter so detailliert, dass man aber auch jedes kleinste Fältchen erkennen kann. Farben werden gemäß der Jahreszeit wiedergegeben. Der Film beginnt im Winter und mit entsprechend kühlen Farben. Wenn es etwas wärmer wird und die Nächte kürzer, gesellen sich Brauntöne hinzu und das Bild erscheint neutraler bis wärmer. Die Kontrastierung ist durchweg gut, ohne das allersatteste Schwarz darzustellen. Dennoch: Ein wirklich gutes und das Thema des Films perfekt unterstützendes Bild.
Akustisch gibt’s zwar nur Codec-Magerkost in Form von Dolby Digital (hier sogar ohne das sonst typische „Plus“ bei Disney-Titeln), doch die DD-Spur muss auch nicht sonderlich viel leisten. Wenn sie räumlich gefordert ist, fächert sich das Geschehen sehr schön über alle Speaker auf. Die Rears bekommen Windgeräusche oder vor allem das geschäftige Treiben beim Versandriesen zu Beginn sehr räumlich ab. Dialoge könnten zwar durchweg etwas lauter eingebettet sind, bleiben aber dennoch verständlich. Sehr schön wird auch die großteils von Ludovico Einaudi beigesteuerte Filmmusik wiedergegeben und wenn in einem Waschraum die Motten ums Licht flattern, hört man auch das mit direktionalen Geräuschen von den Rears. Etwas Tiefbass gibt’s während der Filmmusik durchaus mal und die leisen Töne beherrscht der Ton wirklich gut. Die unkomprimierte DTS-HD-Master-Spur des Originaltons kann das alles unmittelbarer und direkter, allerdings reißt auch sie keine dynamischen Wurzeln aus.

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Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Nomadland beginnt mit dem Featurette „Das vergessene Amerika“, das zum einen die Hintergründe der Buchvorlage darlegt und zum anderen zeigt, wie Chloé Zhao und Frances McDormand an die Verfilmung gingen. Dazu gibt’s ein Frage & Antwort auf dem Tellaride Festival, das coronabedingt als Autokino-Fassung abgehalten wurde. Schon witzig, wenn Leute nicht klatschen, weil Schauspieler auf die Bühne kommen, sondern Licht- und Akustikhupe geben. Einige entfernte Szenen beschließen die Sonderausstattung.

Fazit

Nomadland lebt von seiner authentisch eingefangenen Stimmung. Von seinen Charakteren und dem, was sie erzählen. Der Zuschauer wird zum Zuhörer. Denn während visuell nur wenig passiert, bekommt man eindrucksvoll viele Geschichten vermittelt. Das ist sicherlich nichts für die Generation „1000 Schnitte in 10 Minuten“, aber ein kleines Juwel, das sich zu entdecken lohnt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 60%
Film: 90%

Anbieter: The Walt Disney Company (Germany)
Land/Jahr: USA 2020
Regie: Chloé Zhao
Darsteller: Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Charlene Swankie, Bob Wells
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // Dolby Digital 5.1: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 108
Codec: AVC
FSK: 0

(Copyright der Cover und Szenenbilder: © 2020 20th Century Studios All Rights Reserved / The Walt Disney Company (Germany))
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Trailer zu Nomadland

NOMADLAND | Official Trailer | Searchlight Pictures


So testet Blu-ray-rezensionen.net

Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.

Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:

Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.

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11 Kommentare
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dc_coder_84

Schön, dass mal ein Indie einen Oscar erhält und nicht immer nur die AAA Produktionen.

Michael

Für mich einer besten Filme der letzten Jahre! Habe jede Minute genossen! Danke an alle die diesen tollen Film geschaffen haben.

Rüdiger Petersen

Ich habe sogar die UHD davon. Wundert mich das du nur die BD vorstellst.

Jacob

Es gibt keine UHD von dem Film. Wundert mich über welchen Film du sprichst.

Rüdiger Petersen

Habe mir den 4k Stream bei Amazon Prime gekauft. Gerade die neuen Produktionen in 4k wie z.b. King Kong vs. Godzilla sehen auch im Stream klasse aus. Sorry das hätte ich auch dazu schreiben können.

Rüdiger Petersen

Den habe ich als 4k Stream bei Amazon Prime gekauft aber werde ihn erst am Wochenende sichten. Wenn das keine 4k Qualität ist verlange ich mein Geld zurück. Da ist HDR implementiert daran kann ich das gut erkennen ob es 4k ist.

Dennis

Gerade Amazon Prime hat die niedrigste Bitrate vin allen Streaming Diensten, viel von echten 4K wirst du dort nicht sehen, auch wenn es da steht…

Hans Georg

Der Dolby Vision Stream bei iTunes sieht auf Jedenfall phantastisch aus.
Da ist auch über den Apple TV 4K die Bitrate deutlich höher als bei Amazon Video.