The Girl with All the Gifts

Blu-ray Review

The Girl with all the gifts Blu-ray Review Cover
Universum Film, 23.06.2017

OT: The Girl with All the Gifts

 

 


Nicht mehr ihre Welt

Vorhang auf für einen ganz anderen Zombiefilm.

Inhalt

Melanies Tag ist immer gleich. Morgens wird die Zehnjährige mit Gleichaltrigen an einen Rollstuhl gefesselt zum Unterricht zu Lehrerin Miss Justineau gebracht. Damit sie kein Risiko darstellen, darf man ihnen nicht zu nahe kommen. Denn die Kinder sind mit einem Zombievirus infiziert, das die meisten Erwachsenen schon zu willenlosen Monstern gemacht hat. Allerdings setzt man in die zeitweise Wachphase der Kinder Hoffnung und ist dabei, ein Heilmittel aus deren DNA zu generieren. Dr. Caroline Caldwell ist hier federführend, verhält sich im Gegensatz zur verständnisvollen Helen Justineau den Kindern gegenüber allerdings rein professionell und ohne Gefühlsregung. Auch Sgt. Parks sieht in den Kids lediglich eine Bedrohung. Melanie kann also einzig auf ihre Lehrerin vertrauen, nachdem die Basis nicht mehr gehalten werden kann und man gemeinsam zum nächsten Stützpunkt flüchtet. Doch gerade in der Außenwelt zeigt sich, dass die Nicht-Infizierten auf das Mädchen angewiesen sind, um zu überleben …

Weiß man nicht, was einen in The Girl with all the Gifts erwartet, darf man erst einmal kräftig schlucken, wenn sich ein junges und aufgewecktes Mädchen selbst in einen Rollstuhl setzt, sich zu fesseln beginnt und dann einen Soldaten freundlich begrüßt, der ihr ein Maschinengewehr vor die Nase hält. Doch der Anfang ist nur konsequent, denn die Verfilmung des Romans von Mike Carey macht den Weg frei für eine der ungewöhnlichsten Zombiegeschichten überhaupt. Während überall anders fast ausschließlich fiese und scheinbar gehirnlose Untote die (noch) lebenden Menschen anfallen, scheint es hier Hoffnung zu geben. Denn während ein Zombievirus die Welt schon fast vollständig ausgerottet zu haben scheint, werden die Kinder von den Gewaltattacken nur phasenweise heimgesucht und haben noch mehr klare Momente. Wo bei den meisten Genrewerken Splatter & Co. regieren, kommt Colm McCarthys zweiter Langfilm zunächst ohne fiese Beißattacken aus, sondern bezieht seine Spannung aus der dramatischen Perspektive auf das Geschehen. Allerdings nicht ohne für schaurige Momenten zu sorgen. Wenn Paddy Considines Charakter Sgt. Eddie Parks eins der Kinder dazu reizt, den Beißreflex zu zeigen, ist der Anblick der schnappenden Kids schon reichlich gruselig. Unterstützt werden solche und ähnliche Szenen vom Soundtrack des Komponisten Cristobal Tapia de Veer, der äußerst effektiv mit den Surrounds spielt und innovative Sounds nutzt. Mal sind das vibrierende Stimmen, mal stark verzerrte Geräusche. Wirksam wird The Girl with all the Gifts aber vor allem auch aufgrund seiner Atmosphäre, die wie eine Mischung aus 28 Days Later und Romeros Day of the Dead daherkommt. Gerade die Sequenzen in den Bunker-Anlagen zitieren immer wieder den dritten Teil der Trilogie des Altmeisters – auch wenn hier die Untoten für seinen Geschmack mal wieder zu schnell rennen dürften.

Trotz seiner ganz anderen Art, sich dem Thema zu nähern, scheut sich der Film auch nicht davor zurück, die Auswirkungen offen darzustellen. Wenn nach gut 25 Minuten der Komplex in Gefahr gerät, zeigt sich, wie man auch in Zeiten bluttriefender Vertreter des Zombiefilms noch für schockierende Szenen sorgen kann – und das trotz einer 16er Freigabe. Gerade die Verwandlung der Laborantin und ihr darauf folgendes Verhalten wirken verstörend – ebenso wie die chaotischen Szenen im Anschluss, in denen Melanie sich von einer anderen Seite zeigt. Auf der Flucht zieht Regisseur McCarthy dann die Spannungsschraube gnadenlos an, wenngleich die Schleich-Szenen deutlich an The Walking Dead erinnern. Im Krankenhaus funktioniert der Mix zwischen intensivem Gespräch von Melanie und Caldwell auf der einen und der Nachforschung Helens, woher das klopfende Geräusch kommt, ebenfalls vorzüglich. Selbst wenn der Film mit gut 111 Minuten ein klein wenig zu lang geraten ist. Doch sogar das lässt sich verzeihen, wenn Jungtalent und Neuentdeckung Sennia Nanua in der Rolle der Melanie in einer im besten Sinne an Herr der Fliegen erinnernden Szene aus reiner Selbstverteidigung zu drastischen Maßnahmen greift. Dass an ihrer Seite mit Paddy Considine, Glenn Close und Gemma Arterton gestandene Charakterdarsteller agieren, schadet The Girl with all the Gifts in keiner Weise, wenngleich gerade Artertons Rolle stark in den Hintergrund gedrängt wird, sobald die Basis verlassen wird. Sicher ein Manko des Films. Ein solches kann man auch suchen, wenn man die CGI-Grafiken in der späteren Welt genauer betrachtet. Allerdings hat selbst der hoch budgetierte I Am Legend bei ähnlichem optischen Szenario seinerzeit nur wenig besser gearbeitet.

Bild- und Tonqualität

The Girl with all the Gifts wurde im ungewöhnlichen Bildformat von 2.00:1 auf die Disk gebannt. Das allerdings ändert nur wenig daran, dass der Transfer des mit Arri-Alexa-Kameras digital aufgezeichneten Films blitzsauber ist. Die Schärfe ist harmonisch über das gesamte Bild verteilt und die Laufruhe sehr hoch. Das leicht Körnige auf Hintergründen trägt zum dreckigen Gesamtlook bei – ebenso wie die teilweise gelbliche Filterung des Geschehens. In Sachen Kontrastumfang hätte man hier und dort noch dynamischer sein können. Insgesamt geht das aber in Ordnung.
Beim Ton von The Girl with all the Gifts sorgen die beiden dts-HD-Master-Spuren für ein sattes Fundament, das die Türschließungen und -öffnungen äußerst lebendig transportiert. Auch die anfängliche Filmmusik ist ausgeprägt dynamisch. Allerdings fallen die Dialoge dagegen gerade im Deutschen ein wenig ab. Gegenüber den heftigen Soundeffekten wurden sie etwas zu leise eingebettet. Perfekt hingegen ist im weiteren Verlauf die Einbindung der Filmmusik. Wenn Melanie nach einer Stunde alleine auf Erkundungstour geht, werden die Stimmen ebenso schaurig auf den Lautsprechern verteilt, wie im Anschluss daran die rennenden Untoten (63’00).

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von The Girl with all the Gifts finden sich acht Interviews mit Cast & Crew sowie ein Behind the Scenes. Letzteres läuft gut 20 Minuten, ist durchweg interessant, aber leider nicht untertitelt.

Fazit

The Girl with all the Gifts ist ähnlich wie Maggie ein Zombiefilm, der sich dem Genre ein wenig zu entziehen versucht und deutliche Elemente von Endzeitthrillern und Coming-of-Age-Dramen integriert. Das gelingt Colm McCarthy durchweg hervorragend, weshalb seine Adaption von Careys Roman zu den ungewöhnlichsten und besten Zombiefilmen der letzten Jahre gehört.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: USA/Großbritannien 2016
Regie: Colm McCarthy
Darsteller: Gemma Arterton, Glenn Close, Paddy Considine, Sennia Nanua, Anamaria Marinca, Dominique Tipper
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,00:1
Laufzeit: 111
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu The Girl with All the Gifts

The Girl with all the Gifts - Trailer (deutsch/german; FSK 12)

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