The Professor and the Madman

Blu-ray Review

New KSM, 05.12.2019

OT: The Professor and the Madman

Unterstützt die Arbeit an meinem Blog, indem ihr den Film bei Amazon kauft.

 


Ein Buch mit vielen Worten

Spannende Geschichtsstunde mit Mel Gibson und Sean Penn.

Inhalt

Das Jahr 1879: Nein, James Murray hat keinen akademischen Titel. Dennoch hat er sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt und möchte das umsetzen, woran die hochwürdige Oxford University Press seit 20 Jahren scheitert: Das Oxford English Dictionary erstellen. Also ein vollständiges Kompendium der englischen Sprache – inklusive aller Nachweise. Murray kann vor den verantwortlichen Gelehrten lediglich sein multilinguales Talent nachweisen, das die perfekte Beherrschung eines Dutzends unterschiedlicher Sprachen sowie deren Dialekte beinhaltet. Obwohl man ihm aufgrund seines Mangels an akademischer Vorbildung skeptisch gegenüber ist, betraut man ihn mit der Aufgabe – selbstredend nach anfänglichem Zögern. Murrays Vorteil ist Frederick James Furnivall, ein etwas weniger steifer Fürsprecher. Dieser unterstützt auch den Gedanken, dass Murray 1000 freiwillige Mitarbeiter nutzen möchte, um das schier unglaubliche Vorhaben umzusetzen. Dass er dabei erneut nicht nur auf Akademiker setzen möchte, sondern auch einfache Lehrer und Menschen, die mit der englischen Sprache vertraut sind, nutzen will, stößt erneut auf Vorbehalte. Doch spätestens als ein Unbekannter zahlreiche wichtige Sprach- und Wortnachweise erbringt und damit das Dictionary vorantreibt, sind die Bedenken beiseite gewischt. Murray allerdings fragt sich bald, wer genau hinter diesen zahlreichen Zusendungen steckt …

Ein wirklich gutes Zeichen ist es nicht, wenn ein 2016 abgedrehter Film drei Jahre lang im Giftschrank Hollywoods liegt, bevor er endlich auf diversen Auswertungsmärkten zur Veröffentlichung kommt. Noch weniger ein gutes Zeichen ist es, wenn Mel Gibson schon 2017 für seine Produktionsfirma Icon Pictues gegenüber Voltage Pictures (dem produzierenden Studio) Klage den Final Cut betreffend einreichte und ein Jahr später erneut vor Gericht zog, weil er Voltage des Vertragsbruchs bezichtigte. Letztlich endete diese Klage in einem Vergleich. Ein Vergleich, der Gibson künstlerisch aber nicht zufrieden stellte. Der Hauptgrund dafür, dass er sich gemeinsam mit Regisseur Safinia von dem Projekt distanzierte, das er 20 Jahre lang mit so viel Herzblut entwickelt hatte. Einen Film, den er unbedingt realisieren wollte, dessen Veröffentlichung er aber nun per Gericht zu verhindern suchte. Schade, dass so enden musste. Vor allem, weil die Story im Film vielversprechend beginnt. Obwohl es „nur“ um Worte geht, legen die ersten 20 Minuten ein beschwingtes Tempo vor und geizen nicht mit entsprechender Spannung. Vor allem die Tatsache, wie viel Arbeit hinter dem Oxford Dictionary steckte, erzeugt blankes Erstaunen. Wirklich bewundernswert, dass man das irgendwann überhaupt geschafft hat. Umso interessanter, dass der misstrauisch beäugte Murray nichts anderes tat, als ein frühes Wikipedia-Prinzip zu generieren. Ohne Internet lief das natürlich noch über Briefe. Aber das Motiv dahinter ist identisch: Viele sich unbekannte englischsprachige Menschen gaben ihren Beitrag in einzelnen Worten oder gleich mehreren Definitionen postalisch auf. Die Mitarbeiter von Murray mussten das Ganze dann „nur noch“ sortieren und überprüfen. Was allerdings alleine schon eine Mammutaufgabe war, wie die Bilder eindrücklich zeigen. Und alleine diese Arbeit ließ sie verzweifeln – wenn beispielsweise Belege für ein Wort, das im 14. Jahrhundert erstmals auftauchte, für das 16. und 17. Jahrhundert fehlten.

Jahrelang schleppte sich die Arbeit deshalb mühselig vorwärts, bis ein gewisser Freiwilliger nicht nur einen Beitrag leistete, sondern die Arbeiten am Dictionary dauerhaft mit Belegen unterstützte: William C. Minor. Der US-Armee-Arzt war im Jahre 1871 nach London gekommen, um über einen Tapetenwechsel die grauenvollen Erlebnisse des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs hinter sich lassen zu können. Da er aber zunehmend unter Schizophrenie und Verfolgungswahn litt, tötete er in der englischen Hauptstadt einen Unschuldigen und kam in eine Irrenanstalt. Dort wurde er nach einer Heldentat (der Rettung eines Beamten) von den Wärtern zum Dank mit Büchern versorgt. Bücher, die offensichtlich den Aufruf zur Hilfe am Dictionary enthielten. The Professor and the Madman basiert in seiner Erzählung der beiden Männer und ihrer Arbeit auf dem Roman The Surgeon of Crowthorne von Simon Winchester. In diesem geht’s nicht nur um die Arbeit am Wörterbuch selbst, sondern auch um eine irrwitzige Freundschaft, die zunächst im Unbekannten existierte. Denn während Murray die Arbeiten am Dictionary bereits 1879 begann und Minor irgendwann in den 80ern mit seiner Unterstützung startete, trafen sich die beiden Männer erst im Jahre 1891. Erst dann hatte Murray von Minors persönlichen Hintergründen erfahren und wollte den Unterstützer unbedingt kennen lernen. Dem Film gelingt es zunächst gut, die Waage zwischen den bürgerlichen Szenen Murrays und seiner Familie und dem eher brutalen und psychotischen Hintergrund Minors zu halten. Da man sich auch in Bezug auf die Unterstützung der Witwe des von Minor getöteten Mannes eng an der Historie hält, wird ein emotionaler Bezug zum Zuschauer hergestellt. Ob Minor wirklich so demütig und um Vergebung bittend war, sei dahingestellt – Sean Penn brilliert allerdings in dieser Rolle.

Auch Gibson überzeugt in einem Film, in dem er endlich mal nicht durch grobe Gewaltanwendung, sondern durch inhaltliche Tiefe wirken möchte. Wenn die beiden sich dann das erste Mal begegnen, brennt die Leinwand durch die Worte, die sie sprechen. Und wenn Penns Minor auf die Witwe trifft, zeigt der Darsteller eine wirklich oscarwürdige Leistung. Dass man gewisse Szenen nicht in Oxford drehte, wie Gibson es sich gewünscht hatte und worüber der Streit mit Voltage letztlich entflammte, ist vor allem deshalb schade, weil die Produktionsfirma sich am Ende entschloss, Archivaufnahmen zu nutzen. Und diese fallen als glattgebügelte videokameraartig gefilmte Elemente unschön aus dem Gesamtbild heraus. Aus dem eigentlich gelungenen Gesamtbild fällt auch das unnötig melodramatische Ende heraus, das die Waage dann leider zugunsten der Entwicklungen rund um Minor verschiebt und das Dictionary zum Nebenschauplatz macht. Wäre das ausgewogener gewesen (der Regisseur hatte ursprünglich eine 160 Minuten lange Fassung abgeliefert, die möglicherweise harmonischer ist), hätte The Professor and the Madman insgesamt ein kleines Meisterwerk werden können. Und es hätte noch mehr der Tatsache gehuldigt, dass am Ende der Arbeiten rund um das Oxford English Dictionary 1928 ganze 70 Jahre Entwicklungszeit zu Buche schlugen, um 414.825 Wörter und über 1,8 Mio. illustrierte Nachweise und Zitate in der ersten Komplettausgabe zu veröffentlichen. Eine schier unglaubliche Arbeit, die der Film durchaus unterhaltsam und vor allem spannend vermitteln kann.

Bild- und Tonqualität

The Professor and the Madman ist während der nächtlichen Außenaufnahmen weitgehend bei verfügbarem Licht gefilmt, um nachzuahmen, was zur damaligen Zeit natürlich maximal Mondlicht und ein paar Straßenlaternen waren. Dadurch ergibt sich schon mal eine leichte Körnung und in schwierigen Hell-Dunkel-Passagen setzt es schon mal leichtes Banding. Letzteres bleibt allerdings relativ schwach ausgeprägt und stört deshalb nicht weiter. Was gefällt, sind Kontrastumfang, Farbdarstellung auch auch die Detailauflösung. Die Tiefe im Bild ist in den Totalen sehr gut und auch Close-ups gefallen mit scharfen Einstellungen. Gesichtern werden deshalb schön scharf abgebildet. Dagegen fallen die zwei kurzen Einstellungen der Oxford University sichtlich ab, die allerdings (wie oben im Text ausgeführt) aus Archivbildern generiert wurden. In den vielen Innenraum-Szenen herrschen braune Farben vor – gerade, wenn man in Bibliotheken ist, die von dunkelbraunem Holz und braunen Buchrücken dominiert werden.
Beim Ton von Professor and the Madman muss man auf den Score und ein paar Szenen mit Kutschen warten, um etwas Dynamik zu erhalten. Was aber auch kein Drama ist. Immerhin handelt es sich um einen praktisch komplett dialogbezogenen Film. Und diese Dialoge werden präzise und klar wiedergegeben, wenn in normaler Lautstärke gesprochen wird. Noch besser gelingen die Stimmen, wenn geflüstert wird. Auch hier ist die Verständlichkeit sehr gut und die leisen Organe sind vorzüglich eingebettet. Eine Dynamik, die nicht jeder Film so homogen hinbekommt. Fans von Gibson müssen indes auf dessen angestammte Stimme Elmar Wepper verzichten. Nach Dragged Across Concrete spricht ihn zum zweiten mal Jürgen Heinrich – allerdings macht er das sehr gut.

Bonusmaterial

Neben dem Trailer zum Film wartet ein siebenminütiges Behind the Scenes, das zwar interessant ausfällt, aber ebenfalls zeigt, dass Gibson offenbar seine Unterstützung für den Film versagt hat. Ausgerechnet von ihm hört man kein Wort, während Steve Coogan hauptsächlich erklärende Zusammenfassungen zur Erstellung des Films abgibt.

Fazit

Wären nicht die letzten 20 Minuten des Films, hätte The Professor and the Madman ein großes Stück Historienkino werden können. Lässt man diesen zu persönlich-melodramatischen Schluss aber mal beiseite, ist der Film bei Weitem nicht so schlecht, wie ihn einige Kritiker haben möchten. Und er ist schon lange nicht so schlecht wie es den Anschein aufgrund von Gibsons Distanzierung erweckt. Vielmehr sind die ersten anderthalb Stunden eine absolut spannende, bisweilen witzige und bewegende Geschichtsstunde mit tollem Setdesign und Kostümen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 30%
Film: 70%

Anbieter: KSM GmbH
Land/Jahr: Irland 2019
Regie: Farhad Safinia
Darsteller: Mel Gibson, Sean Penn, Natalie Dormer, Eddie Marsan, Jennifer Ehle, Steve Coogan, Jennifer Ehle, Stephen Dillane, Ioan Gruffudd
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 125
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter KSM GmbH)

Trailer zu Professor and the Madman

The Professor and the Madman (Deutscher Trailer) Mel Gibson, Sean Penn| HD | KSM

 

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
4 Kommentare
Neueste
Älteste Most Voted
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!
Richard

Im Abschnitt Bild- und Tonqualität fängt der Satz ohne Einleitung an.

Tom

Hi,
bei Der US-Armee-Arzt war 1971, hat sich ein Datumsfehler eingeschlichen.

Grüßle von Tom