Unsane – Ausgeliefert

Blu-ray Review

Unsane - Ausgeliefert Blu-ray Review Cover
20th Century Fox, 09.08.2018

OT: Unsane

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Gift of Fear

Soderbergh meldet sich mit einem interessanten Experiment zurück.

Inhalt

Sawyer Valentini ist gerade für einen neuen und sehr lukrativen Bankjob 400km von Zuhause gezogen. Als sie sich mit einem Kerl auf einen One-Night-Stand einlässt, hat sie unerwartet eine Panik-Attacke. Tags darauf geht sie zu einer Therapeutin, um das entsprechend zu analysieren. Doch ehe sie es sich’s versieht, verfrachtet diese sie in die Psychiatrie. Sieben Tage soll sie bleiben, nachdem sie einen Wärter angegriffen hat, den sie mit einem Mann verwechselte, der sie einst stalkte. Doch anstelle die Ruhe zu bewahren, erneuert sie die Vermutung, der Wärter könnte eben jener Stalker sein. Fortan wird sie mit Wahnvorstellungen diagnostiziert – doch haben die Ärzte Recht oder Sawyer …?

Steven Soderbergh ist schon ein Kauz. Da verdient er sich seine Lorbeeren mit ungewöhnlichen Blockbustern, kleinen Indie-Kunstwerken und verkündet irgendwann, dass er nur noch fürs Pantoffelkino arbeiten möchte. Nur um das wieder zu revidieren (ich berichtete) und zum echten Kino zurück zu kehren. Allerdings nutzt er dieses natürlich auch weiterhin gerne für seine Experimente. Unsane ist auf der einen Seite vielleicht sein geradlinigstes Werk, auf der anderen Seite aber der erste Film, der komplett mit dem iPhone gedreht wurde. Das wirkt sich natürlich auf den Stil aus, denn viele Einstellungen liefern verzerrte Optiken oder bewegen sich überraschend statisch. Da hier nur ein Handheld-Rig zum Einsatz kam, sind dynamische Kamerafahrten oder gar Zooms keine Element des Films. Dazu kommt das sehr ungewöhnliche Bildformat von 1,56:1, das relativ nahe am alten Vollbild von 4:3 ist. Während das zunächst einfach nur ungewöhnlich ist, merkt man mit zunehmender Spielzeit, dass es die Geschichte unmittelbarer werden lässt. Man fühlt sich näher an den Charakteren, was GERADE zu einem Psycho-Thriller wie diesem passt. Denn wer hat sich nicht schon mal vorgestellt, wie beängstigend es wäre, wenn man unfreiwillig in der geschlossenen Anstalt landet?

Das größte Problem von Unsane ist aber auch nicht die Art, wie er gefilmt wurde, sondern seine Hauptdarstellerin, bzw. die Art und Wiese wie sie die Figur der Sawyer spielt. Claire Foy erzeugt für Sawyer trotz intensivem und emotionalem Spiel lange Zeit keinerlei Sympathie. Das führt dazu, dass der Zuschauer ihr zunächst unterbewusst sagt, dass sie nicht ganz zu Unrecht in der Psychiatrie sitzt. Da Soderbergh aber ja ein Miträtseln im Stile eines Hitchcock bezweckt; möchte, dass man sich fragt, ob Sawyer nicht doch die Wahrheit sagt. Erst nach etwa einer Stunde beginnt man langsam, ein wenig Mitgefühl für die Hauptfigur zu entwickeln. Das vor allem deshalb, weil Joshua Leonard (Warte, bis es dunkel wird) als David seine Rolle wirklich gut macht und dafür sorgt, dass man Sawyers Verhalten mehr und mehr nachvollziehen kann. Die teils prominent besetzten Nebenrollen (Matt Damon als Sicherheitsberater) sorgen zudem für einen netten Wiedererkennungswert. Einzig Juno Temple als psychotische Violet wirkt vollkommen deplatziert. Ist aber nicht weiter schlimm, da ihre Rolle ohnehin sehr eindimensional geraten ist. Echtes Lob darf man Unsane dann für sein finales Bild aussprechen. Zwar ist die überraschende Wendung am Schluss nicht ganz unvorhersehbar, aber die Art wie Soderbergh diese finale Einstellung vornimmt, bleibt haften und wirkt nach.

Bild- und Tonqualität

Unsane, wie oben beschrieben, wurde komplett mit dem iPhone aufgenommen – und zwar mit einem 7er Plus. Das hat schon mal Auswirkungen auf das Bildformat, das in 1,56:1 vorliegt, also rechts und links vom sichtbaren Inhalt Balken aufweist. Natürlich hat Soderbergh das Ganze im Nachhinein noch etwas gefiltert und bearbeitet, dennoch werden die Defizite einer solchen Handykamera durchweg sichtbar. Die Bilddynamik eines Mobiltelefons ist einfach nicht gut genug. Helle Bereiche überstrahlen massiv, beginnen dann teils lebhaft zu wabern und in dunklen Sequenzen nimmt die Körnung aufgrund der hohen ISO-Einstellung deutlich zu. Wirklich scharf ist es nur, wenn Bildschirme vom PC abgefilmt werden, ansonsten sieht man schon bei gut ausgeleuchteten Gesichtern Farbrauschen. Farblich hat Soderbergh (der unter dem Pseudonym Peter Andrews auch als „Kamera“mann fungierte) den kompletten Film ziemlich gelblich gestaltet. Das gibt den Figuren durchweg ein etwas krankes Aussehen, was wiederum ganz gut zum Thema passt.
Der Ton wurde natürlich nicht mit einem iPhone aufgenommen, sondern extern. Zwar konzentriert er sich weitgehend auf die Front und die dort platzierten Dialoge, doch die Filmmusik öffnet den Raum immer wieder. Vor allem, wenn es die sehr elektronisch-reduzierten Geräusche sind, die während Sawyers Erzählungen über David zu hören ist. Die kommen dediziert aus den einzelnen Lautsprechern (ab 54’00). Echte Soundeffekte gibt’s in Unsane allerdings nicht zu vermelden. Während des Songs im Abspann bekommt dafür der Sub mal richtig zu tun.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Unsane gibt’s das vier Minuten lange Featurette „Unsanity“, das ein wenig hinter die „Kamera“ blickt und zeigt, wie Soderbergh mit dem Mobiltelefon filmte.

Fazit

Unsane ist inhaltlich geradeaus und überraschend überraschungsfrei – gerade für einen Soderbergh-Film. Allerdings wird er ab der 60. Minute auch äußerst intensiv und spannend, was durchaus auch dem ungewöhnlichen Look zu verdanken ist. Womit wir beim Aufnahmegerät sind:
Filmisch gesehen ist die iPhone-Kameraarbeit ein interessantes Experiment, das in DIESEM Film mit DIESEM Thema gut passt. Es muss rein qualitativ aber keine Schule machen. Denn aussehen tut’s teils gruselig. Das Positivste, was einem aus technischer Sicht dazu einfällt, wäre: Für ein Telefon geht’s in Ordnung. Mit einer echten Filmkamera kann das aber nur in wenigen Einstellungen standhalten.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 50%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 20%
Film: 70%

Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: Claire Foy, Joshua Leonard, Jay Pharoah, Juno Temple, Aimee Mullins, Amy Irving, Matt Damon
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,56:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Unsane

UNSANE - AUSGELIEFERT | Offizieller Trailer 1 | Deutsch HD German (2018)

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