Girl on the Train

Blu-ray Review

OT: Girln on the Train

Girl on the Train Blu-ray Review Cover
Highlight Communications, 06.04.2017

 


Was wäre wenn …?

Endlich mal wieder ein richtig guter Thriller.

Inhalt

Seit fast zwei Jahren fährt die geschiedene Rachel Watson auf dem Weg zur Arbeit in die Stadt an einem schönen weißen Haus vorbei. Sie stellt sich immer wieder vor, wie es wohl wäre, wenn sie das Leben der Frau führen würde, die dort mit ihrem Mann lebt. Eigentlich möchte sie allerdings gar nicht dort hinschauen, denn mit ihrem Mann wohnte sie nur zwei Häuser weiter. Die Fahrt hin und zurück erinnert sie deshalb auch schmerzhaft an ihr altes Leben. Zur gleichen Zeit ist Megan, die Frau, in deren Leben Rachel sich hineindenkt, ein ziemlich deprimierter, innerlich kalter Mensch, der sich am Abend den Geruch des Babys vom Leib wäscht, auf das sie in ihrem Nanny-Job aufpasst. Dieses Baby gehört Anna, der neuen Frau von Rachel. Doch diese Verbindung kennt Rachel nicht. Als sie eines Tages beobachtet, wie Megan, die Frau, die ihrer Meinung nach das perfekte Leben führt, mit einem anderen Mann auf dem Balkon herummacht, ist Rachel entsetzt und fühlt sich an ihren fremdgehenden Mann erinnert. Als Megan eines Tages verschwindet, gerät Rachel unter Verdacht. Doch die kann sich an besagten Abend nicht mehr erinnern …

Paula Hawkins hat ihren Roman Girl on the Train 2015 geschrieben und damit einen spontanen Weltbestseller gelandet. Nur wenige Vorlagen werden derart schnell verfilmt, denn Tate Taylors (The Help) Adaption war kaum ein Jahr später in den Kinos. Vor allem in den USA lief Girl on the Train mit großem Erfolg und erinnert inhaltlich ein wenig an David Finchers Gone Girl. Allerdings stehen hier drei Frauen im Fokus, deren Leben der Film auf drei Erzählebenen schildert und geschickt miteinander verknüpft. Beschaulich, fast schon meditativ führt Taylor den Zuschauer an seine Figuren heran, lässt die Filmmusik ganz sanft dazu erklingen und hält rein gar nichts von aufgeregter Inszenierung. Vielmehr ist gerade der langsame Erzählstil das reizvolle Element an Girl on the Train, der auf diese Weise seine labyrinthartige Struktur nachvollziehbar werden lässt und nach und nach preisgibt, was Rachel, Megan und Anna widerfährt. Die Tatsache, dass der Film in den Zeiten und zwischen den drei Erzählsträngen springt, ist für den aufmerksamen Beobachter stets nachvollziehbar, was lange nicht jedem Film gelingt. Man fiebert mit, während Megan das Leben vollkommen entgleitet und wird hineingesogen in die Geschichte, die bald Thrillerzüge annimmt. Interessant an Girl on the Train ist zunächst vor allem der Gedankengang des „sich in andere Leben Hineinwünschens“. Wer hat nicht schon mal darüber nachgedacht, wie es wohl im Leben eines anderen Menschen wäre? Dass das nicht unbedingt besser, schöner oder erstrebenswerter ist als das eigene Dasein, das lässt die Geschichte schon früh wissen.

Getragen von drei absolut starken Darstellerinnen, die ihre (mit Luke Evans, Justin Theroux und Edgar Ramirez wahrlich nicht schwach besetzten) männlichen Co-Stars alt aussehen lassen, ist Taylors Adaption auch ein absolut starker Frauenfilm. Emily Blunts Darstellung der Rachel ist bestimmt von Zerbrechlichkeit und der Schwelle zum Kontrollverlust. Mit spröden Lippen und weitgehend ungeschminkt lässt sie den Beobachter an ihrem verlorenen Leben teilhaben. Haley Bennett (Die glorreichen Sieben, Equalizer) gibt auf der anderen Seite die kalte und gefühlslose Megan. Sie verleiht dem Film Sex-Appeal und ein Stück Verruchtheit, das fasziniert und gleichzeitig abstößt. Rebecca Ferguson (Mission: Impossible – Rogue Nation) als Anna hat zwar zunächst die kleinste Rolle, darf im späteren Verlauf aber zeigen, dass sie so unschuldig vielleicht gar nicht ist, wie sie wirkt. Denn was den Thriller-Aspekt angeht, streut Girl on the Train geschickt Hinweise, legt Fährten und führt den Zuschauer ein ums andere Mal an der Nase herum, wenn es um die Suche nach dem- oder derjenigen geht, der (oder die) Megan verschleppt oder gar umgebracht hat. Prinzipiell kommen alle fünf anderen Figuren infrage und es ist die Leistung der Darsteller und der geschickten Inszenierung, dass man ständig zwischen den Sympathien für den einen oder anderen wechselt – wenngleich Rachel die konstante Erzählfigur bleibt. Dass die Auflösung des „Whodunit“ am Ende verhältnismäßig konventionell ausfällt, ist vielleicht das einzige Manko eines ansonsten stilsicher inszenierten und herausragend gespielten Thrillers.

Bild- und Tonqualität

Girl on the Train könnte eine britische Produktion sein, wenn man sich das milchige, kontrastschwache Bild der Blu-ray anschaut (25’15). Das ist filmisch bewusst so gewählt worden, um eine ganz eigene Stimmung zu erzeugen, sieht technisch natürlich aber ziemlich mau aus. Die Schärfe bleibt relativ schwach, dafür ist die Bildruhe recht hoch. Rauschen oder grobes Korn sucht man vergeblich. Die Farben bleiben dauerhaft blass, was gut zur melancholisch-bedrohlichen Atmosphäre des Films passt.
Akustisch ist Girln on the Train zunächst vollkommen unauffällig. Der Score klimpert sanft von den Lautsprechern (auch mal von den rückwärtigen) ins Heimkino und konzentriert sich auf die sehr gut verständlichen Dialoge der Protagonistinnen. Lediglich der vorbeifahrende Zug lässt das Geschehen akustisch ab und an etwas aufleben (18’14, 24’40). Die Thrilleraspekte werden eher subtil vermittelt, beispielsweise durch ein leises Rauschen oder ein bedrohlich aufkeimendes Subwoofergrummeln.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Girl on the Train liegen insgesamt 14 del. und ext. Scenes vor. Dazu gibt es ein elfminütges Making-of, das näher auf die Entwicklung des Films eingeht. Im Featurette „Die Frauen in Girl on the Train“ meldet sich die Autorin der Buchvorlage, die sagt, dass es ihr vor allem um die drei Frauen geht und wie sie zueinander stehen, welche Urteile sie übereinander fällen.

Fazit

In einer Zeit, in der gute Thriller echte Mangelware sind, ist Girl on the Train eine wohltuende Ausnahme. Tate Taylor zieht die Spannungsschraube kontinuierlich an und lässt seinen Zuschauer durch geschickte Montage und einen vorzüglichen Schnitt nach und nach die Puzzleteile zusammensetzen. Die drei Protagonistinnen Blunt, Ferguson und Bennett schaffen es, ihren Figuren eine erstaunliche Tiefe zu verleihen und sorgen so erst dafür, dass man gebannt dranbleibt, um zu erfahren, was in jener Freitagnacht geschah.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Tate Taylor
Darsteller: Emily Blunt, Rebecca Ferguson, Haley Bennett, Justin Theroux, Luke Evans, Allison Janney, Édgar Ramírez, Lisa Kudrow
Tonformate: dts HD-High-Resolution 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 112
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Girl on the Train

THE GIRL ON THE TRAIN Trailer 2 German Deutsch (2016)

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