Grandma

Blu-ray Review

Grandma Blu-ray Review Cover
Sony Pictures, seit 17.03.2016

OT: Grandma

 


Karma Bumerang

Lily Tomlin in einem tollen Mix aus Roadmovie und Familiendrama.

Inhalt

Die Autorin Elle hat gerade ihrer um Jahrzehnte jüngeren Freundin den Laufpass gegeben, als ihre Enkeltochter Sage vor der Tür steht und ihr offenbart, dass sie schwanger ist. Nun bräuchte sie 630€, um eine Abtreibung vorzunehmen. Elle hat aber dummerweise gerade überall ihre Schulden beglichen und besitzt noch 30$. Also beschließt man, sich in Elles alten Straßenkreuzer zu setzen und sämtliche Bekannten abzuklappern, um die Kohle zusammen zu sammeln. Bei Sages Freund fangen die beiden an und Elle demonstriert, dass sie ziemlich rustikal sein kann, wenn sie Geld von anderen einfordert. Doch die gemeinsame Fahrt ist nicht nur eine Kollekte, sondern ein Treffen zweier Generationen, deren Vertreter kaum unterschiedlicher sein könnten. Und je länger die Zwei unterwegs sind, desto häufiger wird der Trip auch zur Konfrontation mit alten Wunden oder nie vearbeiteten Gefühlen …

Vom ersten Moment an merkt man, das Regisseur Paul Weisz Grandma für seine Hauptdarstellerin Lily Tomlin geschrieben hat. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass er im Bonusmaterial zu Protokoll gibt, er hätte den Film mit keiner anderen drehen können. Und damit ist nicht einmal gemeint, dass Hauptfigur Elle starke Züge der echten Lily Tomlin trägt (die Schauspielerin heiratete 2013 nach 42 Jahren Beziehung ihre jetzige Frau Jane Wagner), sondern weil es nur wenige Filme gibt, die starke Frauenrollen transportieren und noch Lily Tomlin eine der charakterstärksten Darstellerinnen der Traumfabrik ist. Es gibt wohl nur wenige, die einfach so rundheraus zum gutaussehenden Nachbarn herüberrufen können „Hey, sie ist bereits schwanger“, weil der für zwei Sekunden zu Enkeltochter Sage herüberschaute. Tomlin macht das auf eine derart charmante Weise, dass gleich alle Drei darüber schmunzeln können. Ein wenig aggressiver kann sie es aber auch, wenn sie beispielsweise im Coffee-to-Go-Laden einen kleinen Aufruhr in Sachen Pro-Abtreibung startet oder Sages Freund anraunzt, dass sich manche lieber keinen Bart wachsen lassen sollten, wenn ihr Gesicht dann aussähe wie eine Achselhöhle. Tomlin kann man indes keine einzige ihrer Kapriolen übelnehmen, wenngleich es ihrer Enkelin dann doch ab und an unangenehm ist. Die wird übrigens wunderbar von Julia Garner (Sin City 2: A Dame to Kill for) gespielt, deren Gesichtsausdruck kaum überraschter sein könnte wie in dem Moment, als sie ihre Großmutter beim Knutschen mit Karl beobachtet. Karl wiederum gibt dem großartigen Sam Elliott (The Big Lebowski) die Möglichkeit, in einer fünfminütigen Szenen seine ganze Erfahrung und sein ganzes Feingefühl als Darsteller zu zeigen. Wie sensibel der Mann mit der unfassbar tiefen Stimme (unbedingt im Original schauen) agieren kann, ist wunderbar zu sehen, wenn Sage beichtet, wofür das Geld benötigt wird. Und so ist Grandma auch und vor allem ein wahrhaftiger und sehr ehrlicher Film, dessen Drehbuch kein Blatt vor den Mund nimmt und der den Kirchenvertretern kaum gefallen wird. Inszenatorisch erweckt Grandma bisweilen einen improvisierten Eindruck, wenn Elle beispielsweise immer wieder ihre Gegenüber mit Schimpftiraden bedenkt und sich einen verbalen Schlagabtausch mit Olivia im Kaffee liefert. Dazu passt die Kamera, die stets nahe an den Protagonisten und dazu in ständiger Bewegung ist. Regisseur Weitz verzichtet dabei auf jede Spielerei, braucht nur wenige Schauplätze, sodass man oft denkt, die zwei Hauptdarstellerinnen würden stets nur mal kurz um die Ecke fahren. Dass Grandma ganz nebenbei ein Plädoyer für selbstbestimmtes Leben geworden ist, ohne mit dem Zeigefinger zu wedeln, kann man dem Filmemacher nicht hoch genug anrechnen.

Bild- und Tonqualität

Grandma hat ein sehr natürliches Bild, dessen Kontraste nicht übertrieben sind, das aber mit angenehmen Farben punktet und vor allem hell ist. Dennoch überreißen die Helligkeitsspitzen nicht und auch auf dunklen Hautpartien bleibt genug Durchzeichnung, um alle Details zu erkennen. Die Schärfe geht in Ordnung, reißt weder Bäume aus, leidet dafür aber auch nicht unter Randunschärfen oder sichtbaren Unruhen.
Akustisch bleibt Grandma thematisch bedingt höchst unspektakulär. Die Stimmen sind das dominierende Element und werden wirklich herausragend gut über den Center ausgegeben. Der melancholische Soundtrack öffnet den Raum hin und wieder auch nach hinten und hüllt den Zuschauer mit wohligen und warmen Gitarren- oder Klavierklängen ein. Gerade der Song, der den Abspann einleitet, beschäftigt mit sanftem Bassdrum-Einsatz auch den Subwoofer ein wenig. Hin und wieder gibt es ein wenig Umgebungsatmosphäre während der Außenaufnahmen – viel mehr lässt sich über die beiden dts-HD-Master-Spuren nicht sagen, aber eben auch nicht kritisieren.

Bonusmaterial

Über das Bonusmaterial von Grandma lässt sich der Audiokommentar mit Lily Tomlin, Sam Elliott, Julia Garner und Regisseur Paul Weitz abrufen. Hinzu kommt ein 25-minütiges Making-of und eine Questions&Answer-Runde mit Tomlin, Elliott und Weitz, die im Rahmen einer Vorführung stattfand. Das Making-of konzentriert sich auf die Entwicklung der Geschichte. Lily Tomlin erweist sich als augenzwinkernd humorvoll, wenn sie erzählt, dass sie unbedingt wollte, dass sie das Skript mag, damit sie diesem netten Paul Weitz nicht sagen müsste, dass sie es nicht mag.

Fazit

Grandma ist ein starker Frauenfilm mit allseits herausragenden Akteuren und vielen wahrhaftigen Dialogen. Dass es am Ende nicht wirklich um die Abtreibungsproblematik geht, lässt sich schon von Beginn an ahnen. Vielmehr treffen hier Menschen mit Fehlern aufeinander, die erneut Fehler machen – eben das echte Leben.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Sony Pictures
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Paul Weitz
Darsteller: Lily Tomlin, Julia Garner, Marcia Gay Harden, Judy Greer, Sam Elliott, Laverne Cox, Elizabeth Peña, John Cho
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 79
Codec: AVC
FSK: 12

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