Desierto – Tödliche Hetzjagd

Blu-ray Review

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Ascot Elite, ab 21.10.2016

OT: Desierto

 


„Willkommen im Land der Freiheit“

Eine Gruppe mexikanischer Einwanderer wird im Niemandsland zum Ziel eines schießwütigen

Inhalt

Moises ist einer von einem Dutzend Mexikanern, die auf einem Pritschenwagen durch die Wüste fahren, um in die USA zu gelangen. Er möchte zurück zu seiner Familie, von der er erst vor Kurzem getrennt und wieder zurück in sein Heimatland deportiert wurde. Da der Truck mitten in den Badlands verreckt, muss man zu Fuß weiterziehen. Zwei Tage beschwerlicher Marsch stehen ihnen bevor. Zur gleichen Zeit durchstreift ein versoffener und reaktionärer Südstaaten-Nazi mit seinem Schärferhund die Gegend und jagt Kleinvieh. Allerdings macht es für den ausgemachten Waffennarren kaum einen Unterschied, ob er ein Kaninchen oder einen illegalen Einwanderer vor der Flinte hat, weshalb es ihm nur Recht ist, dass er Moises‘ Gruppe erspäht. Da die zudem just in dem Moment auseinandergerissen wird und die Vorhut auf einem frei einsehbaren Areal unterwegs ist, bietet sie freies Schussfeld für die Sniper-Rifle des Killers. Lediglich Moises und ein paar Zurückgebliebene entkommen den Kugeln und werden von jetzt an gnadenlos durch die Wüste gehetzt …

Die illegalen Einwanderer Lateinamerikas waren zuletzt öfter schon Thema in entsprechenden Filmen. In Lady Justice hatte Kristanna Loken zuletzt für Gerechtigkeit einer mexikanischen Familie vor Gericht gesorgt und in Frontera half ein Farmer dem illegalen Arbeiter, der beschuldigt wurde, für den Tod von dessen Frau verantwortlich zu sein. Nun nimmt sich Jonás Cuarón (kein Geringerer als der Sohn vom oscarverwöhnten Alfonso) das Motiv der unrechtmäßigen Grenzüberquerer, um darum herum einen Menschenjagd-Thriller zu inszenieren. Desierto – Tödliche Hetzjagd entwickelt sich nach 20 Minuten vom Einwanderungsdrama mit gesellschaftspolitischem Hintergrund zum bitterbösen Killerfilm, dessen Protagonist vollkommen frei von Skrupeln Jagd auf die macht, die „sein“ Land betreten haben. Jeffrey Dean Morgan hatte nach seiner zuckersüßen Rolle in Grey’s Anatomy schon in Watchmen bewiesen, dass er auch anders kann und stellt in The Walking Dead aktuell alles in den Schatten, was Rick und seine Gruppe bisher an fiesen Gegner hatte. In der Rolle des Nazi-Südstaatlers Sam ist er hier quasi idealbesetzt, was aber nicht heißt, dass sich Desierto darum schert, ihm auch Charaktertiefe zu verpassen. Eine kleine Begegnung mit einem lokalen Sheriff reicht aus, um zu wissen, dass er ein reaktionäres Arschloch ist. Viel mehr muss der Zuschauer auch nicht wissen, wenn ab Minute 22 scharf geschossen wird und die Kugeln wirkungsvoll in die Eingeweide der Einwanderer schlagen. Die 18er-FSK-Freigabe ist schon alleine aufgrund der Erbarmungslosigkeit gerechtfertigt, mit der Sam innerhalb von zwei Minuten ein Feld von Leichen hinterlässt. In Sachen Spannung und Atemlosigkeit zeigt Cuaróns Film Ähnlichkeiten mit The Reach – In der Schusslinie, in dem ein gegen den Strich gebürsteter Michael Douglas Jagd auf einen Jeremy Irvine machte.

Hüben wie drüben heißt es irgendwann: Er oder Ich/Wir. Und weil das Szenario immer noch unverbraucht ist, Cuarón durchaus Talent für Timing, Überraschungseffekt und Thrill hat, funktioniert das hier so gut, dass man bisweilen den Atem anhält. Leider erfährt man absolut nichts über die Motivation des Täters, belässt es bei einem müden „Das ist nicht mehr mein Land“, das Sam des Nachts im Monolog mit Hund „Tracker“ entfährt – schade. Ein weiteres kleines Problem, das Filmen oft innewohnt, die ihre Spannung halten müssen, sind wenig nachvollziehbare Entscheidungen. So steht Sam nach knapp 45 Minuten kurz davor, sein Werk zu vollenden, lässt dann aber ab, weil die Nacht nicht mehr weit ist. So erbarmungslos, wie er zuvor war, so unlogisch verhält er sich in diesem Moment. Der Thrillerkenner weiß, dass dies die Zeit ist, etwas Ruhe in den Film zu bringen und ein wenig Figurentiefe zu erzeugen. Und genauso ist es dann auch. Wir erfahren endlich, woher Moises kommt und was sein Ziel ist. Ist aber nicht so wichtig, denn schon fünf Minuten später wird wieder Jagd gemacht. Dass man mit den Gejagten mitfiebert, liegt vor allem an Gael García Bernal (Babel). Der mexikanische Superstar ist nicht nur ein guter Schauspieler, der Emotionen treffend rüberbringt, sondern eben auch authentisch in der Rolle. Eine Extraerwähnung verdient noch die Tierdressur in Desierto, denn der oder die zum Einsatz kommenden Schäferhund(e) leisten Herausragendes – im Übrigen sollten Tierliebhaber nach etwas über einer Stunde lieber für kurze Zeit die Augen verschließen. Ein paar Minuten später entfaltet der Film übrigens erstmals eine etwas anders Stimmung, was auch an der dann einsetzenden sphärischen Filmmusik liegt, die dem Geschehen einen melancholisch-bitteren Touch verleiht und auf einen äußerst spannenden und geschickt gefilmten Höhepunkt hinarbeitet.

Bild- und Tonqualität

Desierto eröffnet direkt mal mit unschönen Solarisationseffekten/Farbringen, die demonstrieren, dass eine Blu-ray eben doch „nur“ mit 8-Bit Farbtiefe gemastert wird. Die Disk von Desierto offenbart das leider demonstrativ, während die Sonne im Hintergrund aufgeht. Während der hellen Aufnahmen im gleißenden Licht der Wüste, zeigt sich ein leichtes Korn, das allerdings sehr filmisch wirkt. Der Kontrastumfang bleibt dabei etwas geringer, weil Schwarz nicht so richtig Punch hat. Dafür ist die Schärfe recht gut und differenziert Felsen, Kies und Sand sichtbar.
Akustisch überrascht der Film mit massiv-direktionaler Stimmenwiedergabe zu Beginn. Während die Kamera die Gesichter der illegalen Einwanderer abfilmt, spricht im Hintergrund eine Frau ein Gebet. Dies wird isoliert über jeden einzelnen Lautsprecher wiedergegeben, je nachdem, welcher der Menschen auf dem Pritschenwagen gerade von der Kamera gezeigt wird. Das ist zwar lebhaft, aber unrealistisch und wirkt deshalb künstlich. Immerhin brummelt der LKW-Diesel im Hintergrund monoton und authentisch dazu. Ähnliche Spielereien gibt es im späteren Verlauf allerdings nur noch selten und der Zuhörer darf sich an äußerst effektvollen Schüssen, langem Nachhall in der Wüstengegend und einem dynamischen Score erfreuen. Die abgefeuerten Schüsse sind in der Tat herausragend gut vertont und reißen einen beinahe von der jeweiligen Sitzgelegenheit im Heimkino (22’44).

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Desierto wurden leider nur die Originaltrailer und Programmtipps untergebracht.

Fazit

Desierto – Tödliche Hetzjagd ist kurzweiliges, zeitweise mörderisch spannendes und erbarmungsloses Thrillerkino mit hitziger Atmosphäre. Logiklöcher werden schlicht weggepustet und Cuarón empfiehlt sich für weitere kleine Genrefilme.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%

Anbieter: Ascot Elite
Land/Jahr: Mexiko/Frankreich 2015
Regie: Jonás Cuarón
Darsteller: Gael García Bernal, Jeffrey Dean Morgan, Alondra Hidalgo, Diego Catano, Marco Perez, Oscar Flores, David Lorenzo
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,88:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)

Trailer zu Desierto – Tödliche Hetzjagd

Desierto | Official Trailer | Own it Now on Digital HD, Blu-ray & DVD

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